Schauspieler Wolfram Koch wird 60 und will "weiter neugierig bleiben"
Frankfurt/Main (dpa) - "Es gibt noch wahnsinnig viel zu entdecken": Der Schauspieler Wolfram Koch wird 60 und ist noch immer neugierig auf Film und Theater.
Seit fast 50 Jahren steht er auf der Bühne oder als Frankfurter "Tatort"-Kommissar Paul Brix vor der Kamera. "Ich will jedes Jahr weniger machen, aber es wird immer mehr", sagt er und spricht voller Begeisterung über kommende Projekte.
Am Schauspiel Frankfurt ist er in der aktuellen Spielzeit zum einen als "Öl"-Magnat in der Rolle zu sehen, für die Daniel Day-Lewis im Film einen Oscar bekam ("There will be Blood"), zum anderen als mäandernd-grantelnd-überdrehter "Theatermacher" von Thomas Bernhard. Für die nächste Spielzeit probt er am Deutschen Theater Berlin Shakespeares "Sturm", für Frankfurt Tschechows "Onkel Wanja", beides in der Regie von Jan Bosse.
Morgens beim Dreh, abends auf der Bühne
Der Dreh für den nächsten "Tatort" mit Kommissar Paul Brix wurde wegen Corona vom Februar in den Sommer verschoben. Als Koch 2015 - "nach einigen Überlegungen" - den Vertrag unterschrieb, ließ er sich zusichern, dass er weiterhin Theater spielen darf. Manchmal dreht er morgens und steht abends auf der Bühne. Vor Corona saß er viel in Zug, zwischen Drehs, Proben, Aufführungen, Lesungen - und nachts wenn möglich zurück zur Familie nach Frankfurt. Inzwischen sind seine vier Kinder erwachsen.
Dass er sich seine Engagements aussuchen kann, sieht er als "echten Luxus, ein Privileg, für das ich dankbar bin". Oft laufen verschiedene Produktionen parallel. Einmal spielte er in der einen Stadt Jago und in einer anderen Othello. Das war das einzige Mal, wo es schwierig wurde, erzählt er: "Ich wollte mir immer selbst antworten."
Schon in jungen Jahren auf die Bühne
Schon als Jugendlicher spielte er in Bonn und Köln Theater, 1975 hatte er seine erste Filmrolle in der Böll-Verfilmung "Ansichten eines Clowns". Später studierte er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt, seither stand er auf nahezu allen großen Bühnen des deutschen Sprachraums. Als "Richard III." war er für den Theaterpreis "Faust" nominiert, 2015 bekam er den Gertrud-Eysoldt-Ring.
Geboren wurde Koch in Paris, sein Vater arbeitete als Jurist für die NATO, der Sohn wuchs zweisprachig auf. Frankreich ist er bis heute verbunden. Gerade schreibt er mit Freunden an einem Krimi - abseits der "Tatort"-Reihe - der in der Bretagne spielen soll. Dort hat Koch vor ein paar Jahren ein altes Haus gekauft, das die Familie eigenhändig renoviert. Kochs nächstes Etappenziel: "Ich will kacheln lernen."
Auch auf der Bühne will er "neugierig bleiben". Von jungen Menschen möchte er sich mehr abschauen als ihnen etwas beibringen: "Ich glaube nicht, dass ich besser weiß, wie das geht", sagt er über den Schauspieler-Beruf. "Früher kam mir das Theater anarchischer, irrationaler, bekloppter vor, aber vielleicht war das nur meine damalige Wahrnehmung. Heute sind die Bahnen geordneter."
Mit den Jahren entspannter geworden
Er selbst macht "immer noch gern Blödsinn", kann dem Älterwerden aber auch Gutes abgewinnen: "Ich werde entspannter. Als junger Spieler wollte ich immer, dass die nächste Rolle unbedingt etwas Tolles werden muss. Heute sage ich mir: Irgendwas wird schon werden."
Die Frage bleibt, welche Folgen Corona für das Theater hat. Dass die Bühnen schließen mussten, während Baumärkte offen blieben, dass Stadien und Shopping Malls voll sind, während im Großen Haus 100 Einzelpersonen mit Maske sitzen, "das hat uns alle ziemlich empört", sagt Koch. Einerseits fürchtet er, dass die Menschen, "das Ritual, ins Theater zu gehen, verlernen", anderseits denkt er: "Das Theater hat schon vieles überlebt, das überlebt auch Corona."
Hoffnung macht ihm, dass vor allem junge Menschen in den Zuschauersaal zurückkehren: "Die Menschen haben Lust auf diesen Live-Vorgang nach all dem Streaming." Für Koch wird es weiter beides geben. Theater und Film. "Das ist der gleiche Beruf, aber mit anderen Voraussetzungen", sagt er. "Ich möchte auf beides nicht verzichten."