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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bundespräsident spricht mit Filmbranche Andreas Dresen nach Steinmeier-Treffen: "Alle wollen Geld"
Am Dienstag traf sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit Vertretern der Filmbranche, um über die Lage in der Corona-Krise zu sprechen. Einer von ihnen: Regisseur Andreas Dresen.
Als das Treffen im Kino International in Berlin beendet war, stellte sich Frank-Walter Steinmeier vor die Presse und fasste die Lage der deutschen Filmbranche so zusammen: "Vielleicht ist doch vielen im Land klar geworden, dass die heimatliche Couch das Kino nicht ersetzen kann". Die Streamingdienste könnten mit dem Kinoerlebnis nicht mithalten, so die Botschaft.
Ab 2. Juli können Kinos unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln und mit einer maximalen Auslastung von 20 Prozent wieder öffnen. Doch Kinos und Produktionsfirmen sind durch die Corona-Krise massiv unter Druck geraten. Der Bundespräsident suchte nun das Gespräch mit Vertretern der Filmbranche. Er selbst sei ein "alter Kinogänger" und freue sich, dass die Lichtspielhäuser wieder öffnen dürfen, so Steinmeier.
Doch die Einschränkungen bedrohen die Filmwelt existenziell. Die Hilfe aus dem neuesten Konjunkturpaket der Bundesregierung bewertet Filmregisseur Andreas Dresen im Gespräch mit t-online.de: "Die 120 Millionen Euro, die der Filmbranche zugute kommen, sind nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein." Zu viele Bereiche, von den Kinos als Spielstätten bis hin zu den Produktionsfirmen und Verleihern, müssten mit diesem Geld ihr Überleben sichern.
Der Film sei ein nationales Kulturgut, die Kinos soziale Treffpunkte, so Dresen. Große Teile der Branche bestehen aus mittelständischen Firmen und "eine ganze Reihe davon befindet sich in großer Not". Zwar seien inzwischen einige Produktionen wieder gestartet, doch die Bedingungen für die Dreharbeiten seien enorm schwierig. "Sobald es am Set zu einer Corona-Erkrankung kommt, herrscht Stillstand. Es geht nichts mehr. Und die Filmausfall-Versicherungen lehnen es im Pandemie-Fall ab, einzuspringen", erklärt Dresen die heikle Ausgangslage.
Österreich, Australien, Kanada und Frankreich als Vorbilder
"Dadurch entsteht ein immenser Schaden, mit dem mittelständische Unternehmen schnell die Insolvenz drohen kann." Deswegen fordert die Filmbranche seit längerer Zeit einen Filmausfallfonds, der einspringt: "Geld für den Katastrophenfall", nennt es Dresen. International gäbe es dafür durchaus gute Beispiele: In Österreich, in Australien, Kanada und Frankreich seien solche Regelungen eine große Hilfe.
Für den "Gundermann"-Regisseur sei dennoch sowohl das Konjunkturpaket als auch das Treffen mit Frank-Walter Steinmeier das richtige Signal: "Die Politik zeigt eine große Bereitschaft, den Kulturbereich zu unterstützen. Aber momentan ziehen alle Branchen von allen Seiten an den Politikern und wollen Geld", beschreibt Dresen das Dilemma der deutschen Regierung bei der Verteilung der staatlichen Zuwendungen.
"Wir leben von der Illusion, das ist unser Kerngeschäft"
Wichtig sei es, "die Dominanz von großen, meist amerikanischen Streamingdiensten" zu stoppen und sowohl die hiesige Filmproduktion als auch das Kino als "wichtiges nationales Kulturgut" zu verstehen. In Frankreich sei der Film Nationalkultur, hier wünsche sich Dresen "größere Ernsthaftigkeit im Umgang mit dem Film".
Dass es in naher Zukunft und bei den Produktionen, die nun während der Corona-Krise realisiert werden, Einschränkungen der Kreativität geben wird, glaubt Dresen nicht. "Wir leben von der Illusion, das ist unser Kerngeschäft". Liebesszenen und Küsse zwischen Protagonisten werde es weiterhin geben, trotz Abstandsgeboten – "es ist im realen Leben schon viel zu schmerzhaft, auf Umarmungen verzichten zu müssen, dann sollten Zuschauer das nicht auch beim Film ertragen müssen".
Lösungen werden Filmemacher für kreative Fragen immer finden, da ist sich Dresen sicher. Doch die Filme wollen gesehen werden, sie brauchen das Publikum und dafür einen Ort, an dem sie gezeigt werden können. Die Crux der Krise sei also eine andere und sie ist struktureller Natur: "Dass das Kino um die Ecke bald nicht mehr existiert und die wichtigen Begegnungsstätten auch außerhalb des Mainstreams entfallen." Eine Armut in der Kultur, die dazu führen würde, dass auch ein "alter Kinogänger" wie Frank-Walter Steinmeier in Zukunft verzweifelt nach einem Lichtspielhaus seines Vertrauens Ausschau hält.
- Telefonat mit Andreas Dresen am 9. Juni 2020