Vom Verächter zum Fan Mein persönlicher Götz-George-Moment
Ich muss ja sagen: Es hat seine Zeit gebraucht, aber irgendwann war ich Götz-George-Fan. Wenn ich ehrlich bin, war es nicht der geniale "Schtonk" und schon gar nicht der Tatort-"Schimmi", die mich überzeugt haben.
Ich erinnere mich noch gut an das Jahr 1982: Kohl war gerade Kanzler geworden. Ich weiß nicht genau warum, aber alle, die aus Familien kamen, die Kohl gut fanden, guckten die "Schimmi"-Tatorte. Wir anderen blieben länger auf und guckten sowas wie "Das kleine Fernsehspiel". Das konnte manchmal ganz schön langweilig sein, aber darum ging es damals nicht. Es ging darum, zu zeigen, wohin man kultur-politisch gehörte.
Alles verdächtig
Montags guckten sich Schimmi-Fans und Fernsehspiel-Fans dann ungefähr so an, wie AfD-Vize Gauland und Grünen-Chef Özdemir sich angucken würden, wenn sie zufällig in der Achterbahn nebeneinander sitzen müssten. Schimmi gehörte einfach zum anderen Lager: Seine Männlichkeits-Masche, seine einfache Philosophie – alles verdächtig.
Die Jahre vergingen und mit ihnen auch gewisse Illusionen. Dann war plötzlich 1995 und Romuald Karmakar drehte den "Totmacher" – mit George in der Hauptrolle. Das Kammerspiel schildert die Verhöre des Staatsanwalts Ernst Schultze mit dem Hannoveraner "Lustmörder" Fritz Haarmann (George). Der hatte in den 1920er Jahren 24 Jungen und junge Männer bestialisch ermordet. Im April 1924 wurde er dafür in seiner Heimatstadt geköpft.
"Ich habe ihnen ja die Köppe kaputt geschlagen"
George hatte zweifellos tolle Action-Rollen gespielt, hatte sich als Komödiant ebenso hervorgetan, wie als Verführer. Aber den verlorenen, geistig minderbemittelten Mörder, der ständig irre grinst und gerade damit seine Todesangst verrät – das hat mich umgehauen. Wie der von grauenhaften Sehnsüchten getriebene Menschen-Metzger wortlos einen jungen Polizeibeamten angeifert, der kurz allein mit ihm ausharren muss, wie er auf die Fragen des Ermittlers in aller Unschuld ungeheure Antworten gibt – das hat mir damals richtig Angst gemacht und mich gleichzeitig fasziniert.
Zum Beispiel diese Szene: "Wenn die mich hingerichtet haben", fragt Haarmann/George den Staatsanwalt wie ein Kind, "warten die, die ich umgebracht habe, dann da drüben und gucken mich an?" Der Staatsanwalt nickt kummervoll. George lässt seinen Haarmann kurz zusammenklappen. Dann erhellt sich sein Gesicht zu einem triumphierenden Grinsen: "Die können mich ja gar nicht angucken", freut er sich. "Ich habe ihnen ja", sagt er und schlägt mehrmals hart mit der Faust in die andere Hand, "ich habe ihnen ja die Köppe kaputt geschlagen."
Plötzlich war er für mich eine authentische Figur
Das Beispiel muss jetzt nicht jeder gut finden, aber bei diesen Szenen habe ich verstanden, was ein großer Schauspieler ist: Wenn er spielt, nimmt er uns mit auf die Reise. Er macht uns Angst, er lässt uns befreit auflachen, er bringt uns dazu, an den Nägeln zu kauen. Kurz gesagt: Er verändert die Atmosphäre im Raum und bannt unsere Aufmerksamkeit, ohne dass wir dagegen etwas tun könnten. So einer war Götz George.
Seit dem "Totmacher" habe ich mir immer wieder George-Filme angeschaut – sogar den "Schimmi", den ich danach mit ganz anderen Augen sah: Plötzlich war er für mich eine authentische Figur, der ich folgen konnte. Und wie bei allen George-Figuren war man immer gebannt, wusste nie, was er sich im nächsten Moment wieder einfallen lassen würde.
Jetzt ist George tot - und mir fehlt etwas. Vielleicht ist es manchen egal, aber ich jedenfalls könnte noch viel mehr George-Filme vertragen.