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Thilo Mischke bei "ttt": Skandalakte – Ist er für die ARD noch tragbar?


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ARD im Sturm der Empörung
So langsam platzt die Akte Mischke aus allen Nähten


Aktualisiert am 03.01.2025Lesedauer: 5 Min.
Thilo Mischke: Der Moderator soll am 16. Februar 2025 im Ersten als neuer Moderator in Erscheinung treten.Vergrößern des Bildes
Thilo Mischke: Der Moderator soll am 16. Februar 2025 im Ersten als neuer Moderator in Erscheinung treten.
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Shitstorm, offener Brief, Skandalakte: Bisher hat Thilo Mischke noch keine einzige Minute für die ARD moderiert, aber schon viel Wirbel produziert. Wieso eigentlich?

Die Zeilen aus seinem Buch sind schon 15 Jahre alt. Doch es vergeht derzeit kein Tag, an dem nicht über die Vergangenheit von Thilo Mischke geurteilt wird. Seine Kritiker zerlegen sein Frühwerk "In 80 Frauen um die Welt" aus dem Jahr 2010 in seine Einzelteile. Mischke vermittle darin ein sexistisches Frauenbild und verwende teilweise rassistische Sprache, so lauten die Vorwürfe.

Seitdem der 43-Jährige im Dezember von der ARD als neuer Moderator der Kultursendung "ttt – Titel, Thesen, Temperamente" vorgestellt wurde, weht ein Sturm der Entrüstung durch die sozialen Medien.

Die Redaktion hat sich bereits dazu geäußert. "Wir, die Redaktion von 'ttt', haben ihn selbst hierzu befragt. Mischke distanziert sich bis heute vom Titel und Inhalt des Buches und hat den Druck einer Neuauflage untersagt", hieß es. Die Redaktion bat um Zeit und schrieb auf Instagram: "Wir wollen das Thema aufarbeiten und uns gründlich mit den geäußerten Sorgen auseinandersetzen."

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Inzwischen ist dieses Posting anderthalb Wochen alt – und dennoch ebbt die Kritik an Mischke nicht ab, im Gegenteil. Am Donnerstag machte der "Tagesspiegel" einen offenen Brief publik, in dem sich mehr als 100 Kulturschaffende gegen das Engagement von Thilo Mischke bei "ttt" aussprechen. Alena Schröder, Saša Stanišić, Jan Brandt, Ulrike Draesner, Margarete Stokowski und Till Raether gehören zu den Unterzeichnern.

Man sei "bestürzt über diese Personalentscheidung der ARD, mit der die Kultursendung 'ttt – titel thesen temperamente' nachhaltig beschädigt wird", heißt es unter anderem in dem Brief. Mehr dazu lesen Sie hier.

"Stelle mir vor, wie ich sie über einen Küchentisch werfe"

Erstaunlich ist, mit welcher Vehemenz und Akribie im Fall Mischke verfahren wird. Der offene Brief ist dafür nur das jüngste Beispiel. So wurde am 22. Dezember ein Online-Dokument erstellt, auf das jeder Mensch mit Internetverbindung freien Zugriff hat. Titel: "Mischke Shownotes". Die öffentlich einsehbare Skandalakte wird seitdem regelmäßig mit neuen Belegen gefüttert, welche Verfehlungen sich der Moderator in der Vergangenheit zuschulden kommen ließ. Das Dokument umfasst inzwischen 14 Seiten.

Es finden sich darin Sätze aus seinem Buch "In 80 Frauen um die Welt": "Ich wollte Fingerabdrücke nehmen, heimlich Nacktfotos machen, Tonbandaufnahmen vom jeweiligen Sex." Oder Zeilen wie diese: "Ich stelle mir vor, wie ich diese arrogante Frau über einen Küchentisch werfe. […] Ich bin betrunken, schon wieder. Die Arroganz der Münchnerin ist so schwerwiegend, dass ich ihr gerne eine scheuern würde. Ich frage mich, woher meine Aggressionen kommen."

Das Buch ist aber nicht der einzige Punkt, an dem sich die Kritik aufhängt. In dem Dokument finden sich auch Zeilen von Mischke, die er in einer Kolumne mit dem Titel "Fikipedia" verfasst hat. Da reicht dann schon das Thema "W wie weibliche Ejakulation" und ein Text über Orgasmen, um auf dem neuen Online-Pranger Mischkes zu landen. Es werden auch Aussagen aus seinem Podcast "Uncovered" erwähnt.

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Dort stellte Thilo Mischke im Jahr 2019 die These auf, dass der Urmensch ausgestorben sei, weil er zu wenig übergriffig gewesen sei. "Der Urmensch ist ausgestorben, weil er nicht reden kann und vielleicht zu zärtlich ist zu den Frauen und sie nicht vergewaltigt und der Homo homo sapiens hat eben überlebt, weil er anfänglich in seiner Gesellschaft vergewaltigt", referiert Mischke dort.

Gemeinsam mit der Autorin Carolin Rosales kommt er außerdem zu dem Schluss, dass Frauen ausgestorben seien, die nicht die Fähigkeit hatten, beim Geschlechtsverkehr feucht zu werden. "Weil so Sexualität funktioniert hat. Frauen wurden hart wegvergewaltigt in der Urmenschenzeit und überlebt haben die, die den Gendefekt hatten 'Meine Vagina wird feucht', weil sie eben keine inneren Verletzungen beim Geschlechtsverkehr bekommen haben."

Wie gefährlich solche wissenschaftlich nicht fundierten Aussagen sind, hat der Wissenschaftsjournalist Markus Pössel in einem längeren Blogbeitrag auf "SciLogs" aufgeschlüsselt. Dort hat er den Podcast von Mischke und Rosales einem Faktencheck unterzogen und kommt zu der Erkenntnis, dass der Großteil der Plauderei grober Unfug sei.

Sex als Sprungbrett für die Karriere?

Auch sein Buch aus dem Jahr 2013, "Die Frau fürs Leben braucht keinen großen Busen", gerät ins Kreuzfeuer. Weil sich Sätze wie diese darin befinden: "Ich finde es attraktiv, wenn eine Frau, nun ja, wenig Sex hatte." Immer wieder kreisen die Vorwürfe gegen Mischke also um seine Äußerungen zum Thema Sex mit Frauen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Dieses Themengebiet verhalf ihm zu seinem Karrieresprung, er machte für ProSieben Dokus mit dem Titel "Unter fremden Decken – Auf der Suche nach dem besten Sex der Welt".

Erst später widmete er sich anderen Themen, wurde für die 2020 ausgestrahlte Dokumentation "Rechts. Deutsch. Radikal." gefeiert. Der Sex war also sein Sprungbrett ins seriöse Fach. Man könnte sagen: Bei Mischke kam erst die Reichweite, dann die Relevanz. Oder ist das gar nicht das Problem? Seinen Kritikern geht es vielmehr darum, was genau Mischke über Frauen gesagt und geschrieben hat und nicht, dass er sich von der fleischlichen Lust zu politischen Missständen "hochgearbeitet" hat.

Und vor allem kreist die aktuelle Kritik um die Frage, ob sich Thilo Mischke heute von seinen Werken, die aus der Ich-Perspektive erzählen und bei einem Sachbuchverlag erschienen sind, ausreichend distanziert. In seinem Podcast "Alles muss raus" sagte er im März 2021 über "In 80 Frauen um die Welt", der Titel sei problematisch: "Das Buch selber ist kein Fehler."

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Das widerspricht der Aussage der ARD, wonach Mischke sich "bis heute vom Titel und Inhalt des Buches" distanziert. Gerade aufgrund dieses Missverhältnisses zwischen Bekundungen und Fakten lodert die Empörungsflamme weiter. Vergleichbare Fälle aus dem TV-Geschäft sind schwer zu finden, aber es mutet ungewöhnlich an, wie lange und beharrlich das Thema Thilo Mischke durch die Medien geistert.

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Traf es El-Hassan oder "El Hotzo" härter?

Seine Kritiker schreiben in dem offenen Brief, dass die Journalistin Nemi El-Hassan im Jahr 2021 die ARD-Sendung "Quarks" verlassen musste, weil sie sieben Jahre zuvor an einer Demonstration teilgenommen hatte, auf der andere Teilnehmer israelfeindliche Aussagen tätigten. Thilo Mischke hingegen sei trotz seiner Fehler als neuer "ttt"-Moderator angeheuert worden. Dies empfinden sie als ungerecht. Im Fall Sebastian Hotz, besser bekannt als "El Hotzo", reagierte der RBB ebenfalls schnell und kompromisslos: Nachdem der Comedian einen Witz über den Anschlag auf Donald Trump im Juli 2024 gemacht hatte, verlor er sein Engagement beim Sender.

Am Ende muss die ARD für sich beantworten, ob Thilo Mischkes journalistisches Wirken der letzten zehn Jahre seine Entgleisungen aus seiner früheren Vergangenheit aufwiegt, oder ob seine Glaubwürdigkeit als Kulturmoderator auch wegen der fehlenden Distanzierungen zu großen Schaden genommen hat. Eine aktuelle Anfrage von t-online blieb am Freitag unbeantwortet. So langsam dröhnt das Schweigen des Senders lautstark durch die letzten Schlupfwinkel der Öffentlichkeit.

Aber bis zu seinem ersten geplanten Einsatz als Moderator für "ttt" Mitte Februar bleibt dem Sender noch die "Zeit", die er sich erbeten hat, um die Vorwürfe zu prüfen – und seinen Kritikern, die 14 Seiten lange Akte noch weiter zu füllen.

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