Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Frank Plasberg "Ich habe mich in ihm getäuscht"
"Hart aber fair"-Moderator ist er seit einem Jahr nicht mehr. Zeit, die Rollen zu tauschen. t-online stellt die Fragen – und Frank Plasberg geht keiner aus dem Weg.
Eigentlich soll es im Interview um den rätselhaften Tod eines Hackers gehen. Karl Koch, der deutsche Behörden für den russischen Geheimdienst ausspionierte, wurde 1989 tot aufgefunden. Bis heute ranken sich Mythen um den ungeklärten Fall. Frank Plasberg hat sich für die Sky-Doku "23 – Der mysteriöse Tod eines Hackers" auf Spurensuche begeben – und es dabei auch mit den Tücken der deutschen Justiz zu tun bekommen.
Doch dem langjährigen "Hart aber fair"-Moderator liegt nicht nur sein neues Projekt am Herzen. Mit t-online spricht er über falsche journalistische Tugenden, seine Begeisterung für Gesundheitsminister Karl Lauterbach – und seine Unzufriedenheit mit seinem Nachfolger Louis Klamroth.
t-online: Was unterscheidet einen guten von einem schlechten Journalisten?
Frank Plasberg: Ein guter Journalist ist getrieben von Neugier und nicht dem Drang, die Welt zu verbessern.
Sie hätten die Frage auch handwerklicher beantworten können.
Sehen Sie: Wer eine tolle Ausbildung hat oder einen hochklassigen Uni-Abschluss und sich dann für Journalismus entscheidet, der kennt wahrscheinlich die mageren Verdienstmöglichkeiten, dem geht es nicht darum, das große Geld zu verdienen.
Sondern?
Ich pauschalisiere jetzt natürlich: Der hat vor allem hehre Motive, die Welt zu verbessern, Menschen zu überzeugen, Haltung zu zeigen. Anstatt einfach zu überlegen, wie man unsere Wirklichkeit und Geschehnisse so eindampfen kann, dass sie verstehbar werden. Journalismus ist nichts anderes als kompetentes Weglassen, ohne dabei zu verfälschen.
Klingt gar nicht so kompliziert. Das sollten auch Leute mit Uni-Abschluss hinbekommen.
Manchen ist diese Tugend zu schlicht. Die sagen: "Wenn ich schon kein Geld verdiene, dann möchte ich wenigstens Ziele verfolgen." Meist ehrenwerte Ziele. Nur: Das hat dann nichts mit Journalismus zu tun.
Haben Sie etwa das Gefühl, dass dieser Idealismus überhandgenommen hat?
Haltung zu zeigen ist nach wie vor ehrenwert, wenn es überlebenswichtig ist, überlebenswichtig für eine Gesellschaft oder ein Individuum. Aber Haltung muss heute für alles und jedes herhalten. Deswegen spotte ich da lieber: Haltung ist etwas für Orthopäden oder Journalisten, die zu viel sitzen. Der Begriff Haltung klingt gut, ist aber manchmal nur ein Argument, um die Grenze vom Journalismus zum Aktivismus zu verschieben.
"Der maximale Widerspruch zwischen Wahrnehmung und tatsächlichem Sein ist natürlich Karl Lauterbach."
Frank Plasberg
2006 sagten Sie noch in einem Interview: "Stellung zu beziehen und Haltung zu entwickeln, ist etwas sehr Schönes."
Oh, ehrlich? Ich war jung und ich brauchte das Geld. Nein, ernsthaft: Ich habe keine Ahnung, in welchem Zusammenhang ich das damals gesagt habe. Möglicherweise bin ich heute einfach älter und kann nur hoffen: klüger. Vielleicht auch nur verknöcherter. Möglicherweise nervt ja auch nur, dass jeder, der es sich in einer komplexen Welt mit vielen Grauzonen leicht machen will, dass der auf die Wichtigkeit von Haltung verweist und nur schwarz oder weiß, dafür oder dagegen akzeptiert.
Vielleicht sollte die Haltung nur nicht zu steif werden. Viele dürften die ihre zum Pazifismus am 24. Februar 2022 zum Beispiel verändert haben. Geht Ihnen das nicht auch manchmal so?
Danke für die Brücke … Ich will da gerne drüber gehen. Natürlich ändert man auch seine Haltungen, nur sollte das nicht getrennt sein von der journalistischen Arbeit. Im Grunde ist mir das jede Woche passiert. Das war ein Segen von "Hart oder fair", dass man seine eigenen Schubladen immer wieder aufräumen musste. Entweder schon bei der Recherche oder in der Sendung selbst. Sie haben immer ein Bild von Leuten, die kommen. Über Themen, über die geredet wird. Und dann kommen Sie aus der Sendung und denken sich: Och, schau mal, der, die und das war ja ganz anders.
Wenn ich Ihre jüngsten Äußerungen im Interview mit dem Branchendienst "Dwdl" über Ihren "Hart aber fair"-Nachfolger richtig verstanden habe, gilt diese Erkenntnis offenbar auch für ihn.
Ja, fein beobachtet.
Louis Klamroth hat sich Ihren Schilderungen zufolge beim WDR dafür eingesetzt, den Produktionsvertrag mit Ihrer Firma, Ansager & Schnipselmann, auslaufen zu lassen. Was heißt das für Sie?
Heißt, dass ich mich in ihm getäuscht habe. Erst mal auch mein Fehler.
Haben Sie das auch bei einem Ihrer zahlreichen Politikergäste erleben müssen: Dass er doch ganz anders ist, als Sie dachten?
Der maximale Widerspruch zwischen Wahrnehmung und tatsächlichem Sein ist natürlich Karl Lauterbach. Ich bin erster Vorsitzender des Fanclubs. Er hat viermal hintereinander in einem schwierigen Wahlkreis, Leverkusen – Köln IV, ein Direktmandat gewonnen. Er ist ein Mensch, der natürlich zu Widerspruch reizt. Aber er ist ein Mensch, der für seine Sache brennt, der sich freiwillig ins Kreuzfeuer begibt, obwohl er mit seiner Ausbildung, mit seinem Know-how ein Vielfaches verdienen könnte. Ich habe ihn immer als einen absolut redlichen Typen erlebt, der auch soziale Intelligenz besitzt.
Gerade das sprechen ihm viele ab.
Karl Lauterbach kann Zusammenhänge nicht nur blitzschnell analysieren, er kann auch herrlich über sich selbst lachen. Dann kam Olaf Scholz und hat ihn mit dem Satz vorgestellt: "Ihr wolltet ihn, ihr kriegt ihn". Nicht die beste Einführung von einem Kanzler für einen Minister, aber so war es eben, und wir sehen, was er jetzt alles anpackt in dieser Schlangengrube, dem Gesundheitssystem.
Im Fernsehen spürt man das oft nicht so. Da denkt man: Der Moderator nimmt den Minister aber ganz schön in die Mangel. Dabei scheinen Sie größten Respekt vor dem Berufsstand des Politikers zu haben.
Wenn mich Menschen am Bahnhof oder Flughafen angesprochen haben und meinten: "Du machst das richtig, du nimmst dir die Politiker richtig zur Brust. Haben die verdient mit ihrer üppigen Altersvorsorge". Wenn der typische Luxus-Rentner mit der Restbräune vom letzten Urlaub vor mir stand, dann habe ich auch mal zurückgefragt: "Entschuldigung, würden Sie für (damals) 7.000 Euro ihren Job aufgeben, und ihr Arbeitsvertrag dauert nur vier Jahre? Würden Sie sich Torten ins Gesicht werfen lassen, im Internet bedrohen lassen und als Minister nur mit Personenschutz ein Restaurant besuchen, oder BKA-Beamten campieren in einem Container vor Ihrem Haus und Sie müssen anmelden, wenn Sie einkaufen gehen möchten." Dann schwiegen die meisten.
Unangenehme Fragen stellen, das können Sie gut.
Das gehört zur Hygiene dazu. Das ist manchmal anstrengend, im Beruflichen wie im Privaten. Das kann man nicht jeden Tag machen. Aber sollte man mal tun.
Sie haben den Polizeireporter in sich 25 Jahre in Schach halten müssen und konnten ihn jetzt für Ihre Arbeit an "23 – Der mysteriöse Tod eines Hackers" über Karl Koch wieder hervorholen. War das auch eine Rückkehr zu Ihren journalistischen Wurzeln?
In gewisser Weise schon. Ich habe mit meinen Eltern früher neben der Feuerwehr gewohnt und bin mit dem Fahrrad hinterhergefahren, wenn Alarm war. Diese Neugier ist das, was ich mir von meinem Beruf behalten habe, und die erste Quelle, um Neugier zu befriedigen, ist natürlich der Job des Polizeireporters. Auch wenn das eine knüppelharte Ausbildung unter großem Konkurrenzdruck war. Aber es hat mich geprägt, und das haben schon mal Volontäre beim WDR zu spüren bekommen, als ich da noch als Redaktionsleiter und stellvertretender Chefredakteur angestellt war.
Inwiefern?
Wenn der schlaue Volontär sagte, er brauche nicht anzurufen, der oder die antworte sowieso nicht, bekam er die Antwort eines Polizeireporters – und die hat er sich gemerkt.
Was hätte der 22-jährige Frank Plasberg gemacht, wenn er nicht die Informationen aus dem Obduktionsbericht bekommen hätte, wie es hier in Ihrer neuen Doku um den Tod von Karl Koch gezeigt wird?
Wir haben alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die wir hatten. Ins Archiv einbrechen wollte ich nicht. Ich habe Kinder und möchte einen Knast von innen auch nur in der Rolle eines Journalisten kennenlernen. Aber natürlich haben wir die Tatsache, den Obduktionsbericht nicht bekommen zu haben, als Indiz genommen, dass dort noch eine spannende Frage zu klären ist.
Jedenfalls ganz schön viel Arbeit für jemanden, der eigentlich seinen Ruhestand genießt.
Den genieße ich schon, machen Sie sich da keine Sorgen. Aber etwas ist mir von meinem Beruf geblieben, das ist die Neugier, und die kann ich in solchen Formaten wie hier bei Sky ausleben. Als die Kollegen kamen und mich fragten, ob ich Lust hätte mitzumachen, da war ich sofort Feuer und Flamme.
Wieso genau?
Es ist ein kleiner Ersatz für das, was ich tatsächlich vermisse. Das ist nicht das Studio, das ist nicht das Fernsehen. Es ist die Arbeit im Team mit Leuten, die in vielen Dingen besser sind als ich, die widerspruchvoll sind, bei denen auch mal Türen knallen können und man hinterher wieder mittags beim Essen sitzt. Dieser leidenschaftlich Diskurs, das ist das Einzige, was mir fehlt.
Klingt so, als würden Sie das gerne weiterführen.
So eine Doku? Jederzeit, na klar!
Sie haben mir berichtet, wie schön es war, mit Ihrem Sohn über "23 – Der mysteriöse Tod eines Hackers" zu diskutieren. Die Doku scheint dem Zwölfjährigen gefallen zu haben. War die Stimmung immer so gut bei Ihnen zu Hause, auch zu "Hart aber fair"-Zeiten?
Von meiner Talkshow haben die Kinder kaum etwas mitbekommen. Höchstens mal, wenn ich mies gelaunt war, weil eine Sendung danebenging, oder auch wegen schlechter Quoten.
Da bekamen Sie schlechte Laune?
Ja, eine gute Quote war immer mein Anspruch. Auch sperrige Themen so aufzubereiten, dass sich Menschen darauf einlassen. Für mich war es immer das schönste Lob, wenn mich in Köln auf der Straße jemand angesprochen hat mit dem Satz: "Hör mal, Jung, ich wollte das gestern Abend eigentlich gar nicht geguckt haben, aber das war interessant."
Aber das kann auch bei einer schlechten Quote passieren.
Gelegentlich, ja. Aber es bringt mir nichts, wenn ich das Schönste mache, aber keiner guckt hin. "Hart aber fair" war immer wie ein Straßenkind, das sich über die Quote in die jeweiligen Positionen geboxt hat. Das war nie ein Selbstläufer.
"Ich habe das beerdigt mit meiner Mutter. Dafür konnte und brauchte es keinen Ersatz zu geben."
Frank Plasberg
Hoffentlich bekommen Sie jetzt keine schlechte Laune, weil bei Sky nun mal naturgemäß weniger Zuschauer dabei sind.
Mag sein, aber Streamingdienste haben ja andere Messweisen und Kriterien. Aber das Ziel ist das gleiche: Menschen mit einer Geschichte und deren Umsetzung zu begeistern.
Früher haben Sie vor Ihren Sendungen auf dem Weg ins Studio immer Ihre Mutter angerufen. Das geht nun nicht mehr. Haben Sie inzwischen ein anderes Ritual vor der Ausstrahlung?
Nein. Ich habe das beerdigt mit meiner Mutter. Dafür konnte und brauchte es keinen Ersatz zu geben. Das war gut, wie es war, und es war mit ihrem Tod auch zu Ende.
Ist Ihre Frau nun Ihr wichtigster Ratgeber?
Ja, das ist so, und ich finde das wunderbar. Auch deshalb habe ich sie geheiratet. Das klingt jetzt nach Friede, Freude, Eierkuchen pur. Ist es natürlich nicht. Es gibt auch konstruktive Auseinandersetzungen. Aber ich finde es dann immer beglückend, wenn man einen Partner hat, den man für viele Dinge auch bewundern kann. Das ist bei uns so. Ich finde zum Beispiel ihre Bücher toll, gehe regelmäßig zu ihren Lesungen. Sie moderiert auch wunderbar im Fernsehen, aber wenn man das selbst gemacht hat, nimmt man das nicht so ganz wahr, und dann koche ich lieber, wenn sie abends moderiert.
Frank Plasberg rollt den Fall des mutmaßlichen Mords an Karl Koch in "23 – Der mysteriöse Tod eines Hackers" neu auf. Die Sky Original Doku ist ab 7. Dezember im Entertainment Plus Paket bei Sky verfügbar.
- Interview mit Frank Plasberg
- dwdl.de: "'Für mich ist der Abgang wunderbar gelungen, für die Firma leider nicht'"