Titanic Rising Überirdisch: Weyes Blood gelingt ein Artpop-Großwerk

Berlin (dpa) - Auf den so modischen wie nichtssagenden Genre-Begriff "Indie-Folk" (Wikipedia) lässt sich Natalie Mering alias Weyes Blood mit ihrem dritten Studioalbum nicht mehr reduzieren. "Titanic Rising" ist etwas Anderes, Eleganteres, Größeres.
Die beim traditionsreichen US-Indie-Label Sub Pop erschienene Platte klingt ungefähr so, als hätten die formidable Songwriter-Dame Aimee Mann, die Seventies-Sängerinnen Karen Carpenter und Carole King sowie die derzeit angesagte Elektro-Folk-Fee Julia Holter ein gemeinsames Artpop-Werk ausgeheckt. Warme orchestrale Sounds und ätherische Balladen fügt Mering hier virtuos zusammen.
Die 30 Jahre alte Musikerin aus Santa Monica/Kalifornien weiß selbst um das Wagnis ihrer Mixtur aus Folkrock, Barock-Pop und kühl-modernen Klangbildern - "als würde Bob Seger auf Enya treffen", lautet einer ihrer steilen Thesen. Wobei der US-Altrocker weniger herauszuhören ist als die irische New-Age-Sängerin.
Deren Gänsehautstimme färbt beispielsweise auf das monumentale "Something To Believe" (mit George-Harrison-Gedächtnisgitarre) oder das kaum kleiner dimensionierte "Wild Time" ab. Überhaupt ist Weyes Blood unter der Regie des jungen Produzenten Jonathan Rado ein fast überirdisch schönes, so ambitioniertes wie zugängliches Werk gelungen.
Wer nach Holters Karriere-Highlight "Have You In My Wilderness" (2015) vom überkandidelten Nachfolger "Aviary" (2018) genervt war, sollte hier unbedingt mal reinhören. Der gegenwärtig mächtig anschwellende Hype um "Titanic Rising" und seine hochtalentierte Songautorin ist also völlig berechtigt.