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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Ich habe mich verliebt" Moritz Bleibtreu erfüllt Film-Duo einen Traum
Manchmal braucht es jemanden, der an einen glaubt, einem Türen öffnet. Jemanden wie Moritz Bleibtreu. Warum der Schauspieler sich für einen besonderen Film einsetzte, erklärt er im t-online.de-Interview.
Die Regisseure Kubilay Sarikaya und Sedat Kirtan zeigen derzeit ihren Film "Familiye" im Kino. Doch damit es für die Spandauer Männer so weit kommen konnte, brauchte es einen Filmstar mit Vertrauen und den richtigen Kontakten zur Szene: Moritz Bleibtreu.
Ich treffe die Regisseure und Moritz Bleibtreu in Berlin in einem Hinterhof. Wir sprechen über ihren neuen Film "Familiye". Für mich und viele andere Zuschauer ist er neu, Kubilay und Sedat hingegen begleitet das Projekt allerdings schon seit acht Jahren. Fast schien der Traum vom Film ausgeträumt, doch dann kam Moritz Bleibtreu. Wenn die beiden Berliner über den Schauspieler reden, dann wird ihre sonst so coole Gestik plötzlich etwas weicher. Sie sind dem Hamburger zu tiefem Dank verpflichtet, so scheint es.
"Ich habe mich in den Film verliebt"
Als der 46-Jährige den Streifen zum ersten Mal sah, war er überrascht: "Ich konnte erstmal gar nicht glauben, dass so etwas überhaupt gemacht wurde", sagt Bleibtreu im Gespräch mit t-online.de. "So etwas", damit meint der Schauspieler den Film über die Geschichte dreier Brüder. Der Älteste von ihnen ist gerade aus dem Gefängnis entlassen worden und versucht seine Familie wieder auf den richtigen Weg zu bringen, schnell wird aber klar, dass er das auf legalem Weg nicht schafft.
Moritz Bleibtreu stieg erst ins Filmboot, als "Familiye" bereits fertig war: "Ich habe nichts weiter gemacht, als mich in den Film zu verlieben und zu gucken, ob man dem Werk ein Forum geben kann", sagt er. Kubilay Sarikaya fügt hinzu: "Moritz hat uns nicht die Tür geöffnet, sondern aufgeschlossen und dafür sind wir ihm sehr dankbar."
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"Mich wollte einfach keiner haben"
Für die beiden Regisseure ist es ein Traum, der sich erfüllt. Kubilay Sarikaya erklärt, dass er früher lange als Schauspieler versucht habe, Fuß zu fassen. "Ich habe mich elf Jahre lang aufgedrängt, Theater zu spielen", gibt er zu. "Ich war bei vielen Castings, aber mich wollte einfach keiner haben, das muss man schon ehrlicher Weise sagen." Moritz Bleibtreu hat dafür eine Erklärung: "Es gab früher für Schwarzköpfe wenn überhaupt nur zwei Rollen zu spielen. Das eine war ein Zuhälter, das andere ein Drogendealer. Mit ganz viel Glück gab es mal einen Quotentürken, der eine Polizeimütze auf den Kopf bekommen hat und das war es dann aber auch."
"Biodeutsche haben und imitiert"
Quotentürken mit schlechtem Deutsch und dummer Art, tatsächlich wurden Migranten lange Zeit in Filmen nur so dargestellt. "Wir wollen weg vom Erkan-und-Stefan-Image", sagt Kubilay Sarikaya mit energischer Stimme. "Oft haben so 'Biodeutsche' versucht uns zu imitieren und so zu sprechen wie wir. Das habe ich von weitem gerochen. Das war absolut nicht schön." Deutlich merkt man ihm an, wie verletzend solche Szenen gewesen sein müssen.
"Das ändert sich aber gerade. Weil ein Markt dafür da ist. Menschen mit Migrationshintergrund wollen sich ihre Leute im Kino anschauen", sagt Bleibtreu. Die beiden Regisseure, die auch selbst im Film mitspielen, arbeiteten über acht Jahre lang an ihrem Film. Ein Jahr vor Kinostart ging dann die Erfolgsserie "4 Blocks" durch die Decke. Vorweggenommen habe die Serie aber nichts. "Konkurrenz belebt immer das Geschäft", weiß Profi Bleibtreu dazu zu sagen.
"Arthouse-Pendant zu '4 Blocks'"
Verstecken muss sich der Film der Regisseure, die bisher schon für eine Dokumentation über die Rüthli-Schule in Neukölln und einen Musikclip verantwortlich waren, vor der Konkurrenz nicht: "Es ist eine Zuspitzung von '4 Blocks' und 'Nur Gott kann mich richten'. 'Familiye' ist das Arthouse-Pendant zu '4 Blocks' und gibt dem Ganzen einen künstlerischen und cineastischen Anspruch, nicht zuletzt auch wegen der Bildsprache", versichert Bleibtreu. Als er den Regisseuren vorschlug, sich den Schwarz-Weiß-Film auch einmal in Farbe anzuschauen stieß er auf Verwunderung: "Da gucken die beiden mich an und sagen: 'Bruder, wie meinst du das, Farbe wieder reindrehen? Wir haben das so aufgenommen.' Das war für mich ein Moment, in dem ich gemerkt habe, was die für Eier haben. Das würde keiner machen. Heutzutage ist das ein Klick, den Film auf Schwarz-Weiß zu stellen. Aber die wollten das einfach so haben."
Viele Ecken und Kanten in "Familiye"
Bleibtreu vergleicht das "Migrantenkino" mit dem schwarzen Kino aus Hollywood. Man könne sich darüber freuen, dass nun endlich die Zeit für dieses Kino gekommen sei: "Der Film, den die Jungs gemacht haben, unterscheidet sich von dem, was es schon gab. Er wurde mit so einem Reichtum an Schicksalen und verschiedensten Ebenen geschmückt.
Bei "Familiye" geht es neben Drogen und Korruption auch um Spielsucht, die Wärme der Familie und auch die Zerrissenheit der Hauptfigur, in einer Gangster-Umgebung für seine Familie zu sorgen. Das hört sich nach einem amerikanischen Gangsterfilm an, spielt aber in Deutschland, in den Straßen von Spandau. Man glaubt den Filmemachern jede Szene, die ihre Figuren im Berliner Problemkiez erleben. Das liegt nicht zuletzt an den Schauspielerin. Zum großen Teil sind die auch im wahren Leben Bewohner jenes Viertels. Die Regisseure Kubilay Sarikaya und Sedat Kirtan erzählen eine Geschichte aus ihrem Leben mit Personen aus ihrem Leben – funktioniert.
"Diese Werte haben wir nicht vermittelt bekommen"
"Familiye" will die Bewohner von Problembezirken, die oft einen Migrationshintergrund haben, anders darstellen. "Wir wollten uns von dem typischen Gangster-Klischee entfernen. Der Hauptcharakter handelt nicht so, weil er einen geilen Wagen haben will. Er will seine Familie zusammenhalten", sagt Kubilay Sarikaya. Ich frage, ob er häufig miterlebt hat, wie Menschen aus seinem Umfeld es aus der Kriminalität heraus schaffen. Er sei jetzt 44 Jahre alt und oft erlebe er es nicht, dass die Menschen ohne Kriminalität auskommen. "Aber das liegt nicht daran, dass die Menschen so besonders stark sind, nur Frauen und das große Geld im Kopf haben und sich fühlen wie Pablo Escobar. Das sind auch nicht die Werte, die die meisten von uns vermittelt bekommen haben. Aber es ist aufgrund der Familienstrukturen auch sehr schwierig. Die meisten sind schwach im Sinne ihrer Möglichkeiten. Dafür sind sie einerseits selbst verantwortlich, andererseits ist es aber auch das Leben, das Schicksal."
Von diesem Schicksal erzählt "Familiye". Der Film macht nachdenklich, betroffen und hat mit Erkan und Stefan wirklich gar nichts mehr zu tun. Am Ende unseres Interviews schäme ich mich über jeden Lacher, der mir wegen des Ulkduos in der Vergangenheit entwischt ist.