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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kino "Kon-Tiki": Heyerdahls Pazifik-Überquerung als großer Abenteuerfilm
Von einem Mann, der freiwillig 8.000 Kilometer in einem Floß auf dem Ozean treibt, sollte man doch zumindest erwarten, dass er schwimmen kann. Doch der Norweger Thor Heyerdahl (1914-2002), der mit seiner fünfköpfigen Crew 1947 von der peruanischen Pazifikküste ins Blaue hinein schipperte, war Nichtschwimmer. Dieses paradoxe Detail erhöht noch den Reiz des waghalsigen Trips, der in der Nachkriegszeit zum Mythos wurde. Im Oscar-nominierten Abenteuerfilm "Kon-Tiki" wird dem Forscher ein Denkmal gesetzt.
Im teuersten norwegischen Film aller Zeiten wird Heyerdahls Expedition geradlinig nacherzählt. Seine Wasserscheu wird durch ein traumatisches Kindheitserlebnis erklärt. In den 30er Jahren betreibt der studierte Zoologe und Geograf mit seiner Frau Liv ethnologische Forschungen auf der Südseeinsel Fatu Hiva. Eine Steinfigur erinnert ihn an die Riesenstatuen der Osterinsel; auch eine Legende der Ureinwohner, nach der ihre Vorfahren aus dem Osten kamen, lässt ihn aufhorchen. Heyerdahl entwickelt eine Theorie, die konträr zur wissenschaftlichen Lehrmeinung über die Besiedlung Polynesiens von Westen steht.
Tapfere Leichtmatrosen auf einer Nussschale im Ozean
1946 - in New York - gelingt es ihm nicht, sein Buch mit seiner These, nach der die Ureinwohner aus Richtung Osten segelten, in einem angesehenen Verlag unterzubringen. So will der umtriebige Macher die Theorie durch die Praxis beweisen. Im peruanischen Präsidenten findet der charismatische Naturwissenschaftler einen Sponsor, und los geht's: Unter großem Rummel sticht er in Callao mit seiner Crew in See. Es ist eine aberwitzige Mission, denn zwischen den Männern und dem Ozean ist kaum mehr als eine Nussschale - das nach einem Inka-Sonnenkönig benannte Floß Kon-Tiki, auf Indio-Art aus Balsaholzstämmen gebaut und von Hanfseilen zusammengehalten.
Mit dabei sind auch ein Funkgerät und eine Filmkamera. Heyerdahls gefunkte Reiseberichte begeisterten die ganze Welt und stellen eines der ersten modernen Medienereignisse dar. 1952 heimste er für seinen "Kon-Tiki"-Dokumentarfilm einen Oscar ein.
Der neue Spielfilm allerdings wurde nicht im Pazifik, sondern auf Malta, den Malediven und in Thailand gedreht. Mit angriffslustigen Haien, Walen, fliegenden Fischen, Orkanen und Riffen gibt es eine Menge Ozean-Action. Beeinträchtigt wird die Spannung nur durch das garantierte Happy-End nach 101 Tagen und 4.300 Seemeilen, bei dem die sechs, gesund und munter, vor der Südsee-Insel Raroia stranden.
Ozean-Action statt Psychodrama
Das Regieduo Joachim Ronning und Espen Sandberg, das schon in seinem Drama über den Widerstandskämpfer Max Manus einem Nationalheiligen eine Hommage widmete, zeigt auch den besessenen Forscher in meist strahlendem Licht. Das gilt auch für die anderen Leichtmatrosen, bestehend aus Wissenschaftlern und Kriegshelden, die ihre Vergangenheit hinter sich lassen wollen. Es gibt zwar Spannungen wegen Heyerdahls Weigerung, vom vermuteten Ur-Kurs abzuweichen, der schlicht darin bestand, sich im Humboldtstrom westwärts treiben zu lassen. Als Spaßbremse betätigt sich besonders Ingenieur Hermann Watzinger, der kritisch die sich auflösenden Seile beäugt.
Doch ein tiefschürfendes Psychodrama über sechs Männer, die es drei Monate in einer Zwölf-Quadratmeter-Hütte auf einem Floß auf dem Pazifik miteinander aushalten müssen, will dieser Film nicht sein. Auch Heyerdahls zurückbleibende sechsköpfige Familie ist kein Thema. Stattdessen blitzen die blauen Augen der unerschrockenen Wikinger-Nachfahren mit dem blauen Pazifik um die Wette. So entpuppt sich der Reisebericht als hübsch altmodischer Männerfilm mit Kerlen, die noch dem grimmigsten Hai eins in die Fresse hauen.