Kultfilm "Psycho" Kultfilm "Psycho": Mord in der Moteldusche
"Iek, iek, iek, iek" - Noch heute jagt dieses kreischende Streicher-Stakkato den Zuschauern auf der ganzen Welt einen eiskalten Schauer über den Rücken. Es sind die durch Mark und Bein fahrenden Geräusche, zu deren Begleitung Janet Leigh in Alfred Hitchcocks "Psycho" unter einer Moteldusche brutal niedergestochen wird. Heute ist der Schocker ein Meilenstein der Filmgeschichte und seine Hauptfigur, der schizophrene Killer Norman Bates, thront längst im Popkultur-Pantheon der unvergesslich bösen Schurken.
Wenige Szenen haben so sehr Filmgeschichte geschrieben: Eine junge Frau genießt eine Dusche, doch plötzlich taucht eine schwarze Gestalt auf und sticht mit einem Messer immer wieder auf sie ein. Während ein schrilles Streicherthema auf die Trommelfelle des entsetzten Zuschauers hämmert, fließt das Blut der Schönen in den Abfluss, der sich langsam in das aufgerissene Auge der Toten verwandelt. "Psycho" hat Geschichte geschrieben, Millionen geängstigt, seinem Schöpfer das Image "Horrorfilmer" angehängt und ganze Generationen von Regisseuren beeinflusst. Am 16.6.1960 feierte er in New York Premiere.
Historisches Vorbild
Das monströse Filmverbrechen hatte ein reales Vorbild. Mitte der 50er Jahre ermordete der Amerikaner Ed Gein mindestens zwei Frauen und grub Leichen auf Friedhöfen aus. Als die Polizei ihm auf die Schliche kam, fand sie in seinem Haus eine schauerliche Sammlung abgeschnittener Nasen, Gliedmaßen und Geschlechtsteile. Und Masken aus Menschenhaut. In der Küche lag ein Herz. Ob Gein, der 1984 im Gefängnis starb, jemals wirklich Menschenfleisch gegessen hat, blieb aber ungeklärt. Das Verbrechen inspirierte zu mehr als einem Dutzend Filmen, darunter Horrorklassikern wie "Texas Chain Saw Massacre", Werner Herzogs "Stroszek" oder auch "Das Schweigen der Lämmer". Doch zuerst gab es einen Roman: "Psycho". Robert Bloch schildert darin einen Mann namens Norman Bates, der vom Tod seiner Mutter so traumatisiert ist, dass er immer wieder in ihre Rolle schlüpft und die angeblich unwürdigen Freundinnen ihres Sohnes - also seine eigenen - tötet.
Auf eigene Faust finanziert
Auf der Suche nach neuen und grauenhaft-faszinierenden Filmstoffen bekam schließlich Alfred Hitchcock das Buch in die Finger, sicherte sich für ein paar Tausend Dollar die Rechte und ließ die bereits gedruckten Bücher aufkaufen. Niemand sollte seinen Film sehen und schon das Ende kennen. Weil die Produktionsfirma Paramount das Projekt jedoch thematisch geschmacklos fand, finanzierte Hitchcock den Film selbst. Das 1960 bereits überholte Schwarz-Weiß hatte nicht nur einen künstlerischen Hintergrund: Der Film wurde dadurch einfach billiger.
Meisterwerk ohne Starbesetzung
Der Kostendruck war auch ein Grund, warum Hitchcock keine Stars engagierte. Janet Leigh, die in dem Kinoklassiker tödlich duscht, war durch ein paar Filme und ihre Ehe mit Tony Curtis und die ein paar Monate vor den Dreharbeiten geborene Tochter Jamie Lee Curtis halbwegs bekannt. Auch Anthony Perkins war zuvor nur in ein paar Fernsehrollen zu sehen gewesen, bevor er den messerschwingenden Irren verkörperte. Das tat er jedoch so bravourös, dass er das Image nie wieder loswurde. Nicht wenige hielten den zuweilen etwas verschlossenen Star, der 1992 an Aids starb, tatsächlich für verhaltensauffällig.
Geheime Dreharbeiten
Um die Geheimniskrämerei auf die Spitze zu treiben, schwor Hitchcock alle Beteiligten auf Verschwiegenheit ein und diskutierte sogar öffentlich die Rolle der Mutter - die natürlich auch Perkins übernahm. Selbst ein eigener Stuhl mit der Aufschrift "Mrs. Bates" stand am Set. Leigh berichtete später, Hitchcock habe verschiedene Puppen der mumifizierten Mutter heimlich in ihrem Wohnwagen versteckt. Die, bei der sie am lautesten schrie, nahm er schließlich.
Nachwirkungen bis heute
"Psycho" machte einer von Aufschwung und Babyboom verwöhnten Nachkriegsgesellschaft deutlich, dass es so etwas wie wahnsinnige Serienmörder gibt. Die berühmte Dusch-Szene musste wieder und wieder gedreht werden. Doch es hat sich gelohnt: Nach über fünfzig Jahren hat sie vielfältigen Eingang in die Popkultur gefunden. Selbst Homer Simpson brach mit Schrei und Streicher-Stakkato genau so zusammen, nachdem seine Tochter Maggie ihn mit einem Hammer geschlagen hatte. Auch vor solcher Gewalt hatten Kritiker 1960 gewarnt und den Film verrissen. Das Publikum störte das nicht. Obwohl viele Details der Zensur zum Opfer fielen, stürmten die Zuschauer ins Kino. Der Film wurde Hitchcocks erfolgreichste Arbeit. Und er wurde ein Weckruf: Viele Zensurbestimmungen, zuvor noch völlig normal, interessierten danach keinen Menschen mehr.