Kino "Hotel Desire": Ein Film-Experiment zwischen Porno und Poesie
Wir sehen eine nackte Frau. Wasser rauscht herab. Es prasselt vom Duschkopf auf den Boden der Kabine. Die Frau seift sich ein, die Kamera fährt langsam an ihrem Köper hinauf, fängt jedes Detail ein, Haut, Schaum, perlende Tropfen. Eine sinnliche Aufnahme, begleitet von stimmungsvoller Musik. Ein harter Cut beendet die verführerische Atmosphäre. So beginnt der Film "Hotel Desire", eine Art filmisches Experiment, das als sogenanntes "porNEOgrafisches" Werk die Freuden der Sexualität einfangen will und einige hochkarätige Schauspieler an Bord hat. Innovativer Clou: Finanziert wurde das Ganze allein von Spendengeldern. Missgriff oder kongeniale Idee?
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Nacktes gegen Bares! Auf diesen einfachen Nenner könnte man die Produktion des aktuellen Filmes "Hotel Desire" bringen. Die Idee klingt ebenso verwegen wie genial: Mit der oben beschriebenen Duschszene als erotischer Appetithappen und den ersten Seiten des Drehbuches zum Nachlesen im Internet wollten die Macher des Projektes das sogenannte "Crowdfunding" auslösen, eine völlig neue Art, ein künstlerisches Werk zu unterstützen: Über 80 Tage hatten die Zuschauer die Möglichkeit, Geld zu spenden, wollten sie, dass der Film tatsächlich gedreht werde und sie Fortlauf und Ende der Geschichte weiter verfolgen können. Dabei war es völlig egal, ob man fünf oder 500 Euro zur Verfügung stellt.
Film komplett im Internet ansehen
Im Fokus dabei: Explizite Sexualität zu zeigen, aber in genau der Mischung, dass weder ein tumber Porno noch ein kitschiger Liebesfilm dabei heraus kommt. "PorNEOgrafie" eben. So ein Schlagwort zieht immer, sex sells. Selbst wenn es den Produzenten von "Hotel Desire" ein wenig unangenehm zu sein scheint, mit dem Begriff "Porno" die Werbetrommel zu rühren - das Thema funktioniert und das Publikum möchte in seinem Voyeurismus bedient werden. Klar, dass diese Rechnung aufging: Seit Ende August sind 170.000 Euro zusammengekommen und der Film ist finanziert. Das Drehbuch ist unter www.hotel-desire.com inzwischen komplett freigeschaltet, der Film kann hier in Gänze angesehen werden. Mit Clemens Schick, Herbert Knaup, Saralisa Volm und Jan-Gregor Kremp sind namenhafte Schauspieler gefunden worden, die die Geschichte umgesetzt haben.
"Sexualität als Ausdruck menschlicher Lebensfreude"
Doch was genau ist "PornNEOgrafie"? Der junge Regisseur Sergej Moya - bekannt als Schauspieler aus diversen "Tatorten" und dem Film "Go West" - beantwortet die Frage folgendermaßen: "Die Liebesszenen in unzähligen "Romantic Comedys“ hören dann auf, wenn es interessant werden könnte, oder sie steigen erst dann wieder ein, wenn es zur obligatorischen Zigarette danach kommt. Ich aber möchte einen Film inszenieren, der es sich zur unbedingten Aufgabe macht, Sexualität in ihrer Totalität als Ausdruck menschlicher Lebensfreude zu ikonisieren. Einen Film, der selbstbewusst Anleihen beim Genre des Porno macht, aber kein Porno ist."
Simple Story
Die Story ist schnell zusammengefasst: Antonia ist eine alleinerziehende Mutter, die neben ihrem Kind und ihrem stressigen Job als Zimmermädchen in einem Berliner Edelhotel keine Zeit für sich selbst hat. Mit Männern ist seit der Geburt ihres Sohnes nichts mehr gelaufen und sie glaubt ohnehin, als Frau mit Kind für Männer ihres Alters unsichtbar zu sein. Eines Tages begegnet sie im Hotel dem blinden Gast Julius Pass, der sie im wahrsten Sinne des Wortes mit anderen Augen sieht...
"Zusammenspiel von Lust, Begehren, Intimität"
Auch wenn die Geschichte recht simpel gestrickt ist, war es eine Herausforderung für das komplette Team, sich auf die sehr intime Zusammenarbeit einzulassen. Vor allem die Hauptdarsteller Clemens Schick (als Julius) und Saralisa Volm (als Antonia) mussten in der Lage sein, die sie umgebenden Mitarbeiter auszublenden, um einander wirklich nahe zu kommen und eine glaubhafte, natürliche Liebesszene darzustellen. Sergej Moya betont, dass er das "Zusammenspiel von Sehnsucht, Lust, Begehren, Intimität, Sexualität und Spontanität erzählen" wolle. " Das filmisch umzusetzen mit Einstellungen, Tönen, mit Kamerabewegungen und Schauspielern." Schlafen die beiden vor der Kamera wirklich miteinander? Die Film-Webseite bleibt dazu verhalten: "Das wird man im wahrsten Sinne des Wortes sehen." Stoff, der die Kassen klingeln lassen dürfte.
Überschaubare Anzahl an Kopien
Es sei noch erwähnt, dass der Film mit 38 Minuten zu lang für eine Kurzfilmförderung ist und zu kurz für einen regelrechten Spielfilm. Zunächst wird er im Internet zu sehen sein, dann in einer überschaubaren Kopienanzahl in eher kleinen Lichtspieltheatern. Im kommenden Jahr läuft "Hotel Desire" dann bei Arte oder dem ZDF und erscheint auf DVD. Dann kann jeder überprüfen, inwieweit es der Filmcrew gelungen ist, den schwierigen Balanceakt zwischen Porno und Poesie adäquat umzusetzen.