Kino "Tim und Struppi": Ein perfekter Film, dem das gewisse Etwas fehlt
Was kommt dabei heraus, wenn zwei der berühmtesten und kreativsten Filmemacher der Welt sich zusammentun? Das ist ab dem 27. Oktober im Kino zu sehen, wenn "Die Abenteuer von Tim und Struppi - Das Geheimnis der 'Einhorn'" anläuft, eine Gemeinschaftsproduktion von Regielegende Steven Spielberg und "Herr der Ringe"-Macher Peter Jackson. Ich muss zugeben, dass ich bislang nie ein großer "Tim und Struppi"-Fan war, auch wenn ich die Figuren natürlich aus meiner Kindheit kannte. Dennoch: Ein Film, der Spielberg als Regisseur und Jackson als Co-Produzent aufweisen kann und bei dem zudem noch "James Bond" Daniel Craig die Rolle des Bösewichtes übernimmt, macht wohl jeden neugierig - und so war ich froh, der Pressevorführung zu "Tim und Struppi" beiwohnen zu dürfen. Was ich zu sehen bekam, war ein technisch brillanter Film mit grandiosen Bildern. Ganz offensichtlich waren mit Spielberg und Jackson zwei echte Hergé-Fans am Werk, die den Comic-Stoff mit viel Liebe zum Detail auf die große Leinwand in einen 3D-Animationsfilm übertrugen. Und dennoch muss ich es zugeben: Der ganz große Funke wollte bei mir einfach nicht überspringen.
Dabei ist die Geschichte durchaus spannend und actiongeladen und wirkt rund, auch wenn insgesamt drei Comicbücher ("Die Krabbe mit den goldenen Scheren", "Das Geheimnis der 'Einhorn'" und "Der Schatz Rackhams des Roten") zu einem einzigen Film verarbeitet wurden. Und darum geht es genau: Der jugendliche Reporter Tim kauft auf einem Flohmarkt ein Schiffsmodell der "Einhorn". Doch er ist nicht der Einzige, der daran Gefallen findet: Der Schurke Iwan Iwanowitsch Sakharin setzt alles daran, um ihm das Modell wieder abzujagen. Und schon bald findet sich Tim als Gefangener auf einem echten Schiff wieder, wo er auf den brummigen, aber liebenswerten Kapitän Haddock trifft. Der wird sein enger Verbündeter und reist mit Tim und seinem getreuen Begleiter Struppi um die halbe Welt reist, um das Geheimnis der "Einhorn" zu lüften und einen mysteriösen Schatz zu finden...
Spielberg plante den Film seit 28 Jahren
Schon seit 1983 plante Spielberg eine "Tim und Struppi"-Verfilmung, doch immer wieder kam etwas dazwischen, so dass der Film erst heute, 28 Jahre später, seinen Weg in die Kinos gefunden hat. Für Steven Spielberg ist klar: Das Warten hat sich gelohnt. "Vielleicht war die Verzögerung so etwas wie eine Fügung des Schicksals, denn in einem gewissen Sinn wäre der Film als Realverfilmung nicht das Gleiche gewesen", sagte der Starregisseur im Interview mit t-online.de. Denn statt wie ursprünglich geplant als Realfilm wurde "Tim und Struppi" nun als Animationsfilm im Perfomance-Capture-Verfahren umgesetzt, wobei die Bewegungen, Gestik und Mimik echter Schauspieler abgefilmt und in animierte Figuren übertragen werden. Das lässt das Ganze realer wirken als eine reine Animation und war für Spielberg "die einzig mögliche Weise, wie wir diese Geschichte im Stile von Hergés Illustrationen umsetzen und ehren konnten".
"Das war alles für die Fans"
Tatsächlich ist es Regisseur Steven Spielberg dank der modernen Technologie gelungen, den klassisch-zeitlosen Charme von „Tim und Struppi“ auch auf der großen Leinwand zu erhalten. "Die Art, wie wir die Charaktere gestaltet haben, wie wir die Welt gestaltet haben, das war alles für die Fans", verriet Spielberg im Interview mit t-online.de. Dass das kein leeres Gerede ist, sondern in dem Film viel Herzblut und Liebe zu „Tim und Struppi“ steckt, merkt man schon im liebevoll animierten Vorspann. Und bevor der Film so richtig startet, gibt es noch eine Hommage an den verstorbenen belgischen Zeichner Hergé. Denn bevor man den jugendlichen Reporter Tim in seinem ganzen strahlenden 3D-Animationsglanz zu sehen bekommt, zeigt der Film zunächst sein 2D-Konterfei, wenn Tim sich zu Beginn von einem Hergé erstaunlich ähnlich sehenden Straßenmaler porträtieren lässt.
Tim bleibt etwas farblos
Die Schauspieler schaffen es zudem, den animierten Figuren Leben einzuhauchen. Jamie Bell ("Billy Eliot") als Tim bleibt zwar etwas farblos. Doch das ist schließlich in den Comicbüchern auch nicht anders - und laut Spielberg auch einer der Gründe für ihren Charme: "Dieser Kontrast zwischen dem puritanischen Tim und den eher exotischen Nebenfiguren, sowohl den Guten als auch den Bösen, macht diese Geschichte sehr einzigartig." In der Tat sind auch im Film die Nebenfiguren weitaus schillernder und unterhaltsamer als der stets ernsthafte Tim.
"Hunderttausend heulende Höllenhunde!"
Allen voran Kapitän Haddock, der von Andy Serkis (alias Gollum in "Herr der Ringe") grandios grummelig, aber liebenswert verkörpert wird, der mit kreativen und im Grunde herrlich harmlosen Flüchen um sich werfen darf ("Hunderttausend heulende Höllenhunde!", "Hagel und Granaten!") und für viele Lacher sorgt. Doch auch Schulze und Schultze sind mit dem Komikerduo Nick Frost und Simon Pegg ("Shaun of the Dead", "Hot Fuzz") gut besetzt und erinnern mit ihren Slapstick-Einlagen an Laurel und Hardy, während Daniel Craig als Bösewicht Iwan Iwanowitsch Sakharin endlich einmal seine fiese Seite ausleben kann. Ganz zu schweigen von Tims Foxterrier Struppi, der mit seiner Verfolgungsjagden auf Katzen und Autos für mehrere komische Momente sorgt.
Nicht nur Technik um der Technik willen
Zudem bietet „Die Abenteuer von Tim und Struppi- Das Geheimnis der 'Einhorn'" jede Menge Actionszenen, spannende Verfolgungsjagden und wirklich beeindruckende Bilder. Wenn etwa Wüstendünen sich plötzlich in tosende Meere verwandeln oder sich Kapitän Haddock und Fiesling Sakharin am Ende ein Duell mit riesigen Hafenkränen liefern, kommt die 3D-Techologie gelungen zum Einsatz, ohne dass man das Gefühl hat, dass hier Technik nur um der Technik willen eingesetzt wird. Und wenn Tim und Kapitän Haddock mysteriösen Hinweisen um die halbe Welt folgen und dabei von einer Gefahr in die nächste geraten, erinnert das durchaus an eine kindgerechte Version von "Indiana Jones".
Perfekt gemacht - oder zu perfekt?
Eigentlich bietet der Film also alle Zutaten für einen gelungenen Filmabend und ein neues Regie-Meisterwerk von Spielberg. Und dennoch, dennoch, dennoch: So richtig fesseln und vom Sitz reißen konnte mich "Tim und Struppi" einfach nicht, auch wenn ich das vielleicht gerne gewollt hätte. Was fehlte? Schwer zu sagen. Das gewisse Etwas vielleicht, oder doch noch ein Quäntchen mehr Seele. Vielleicht ist dieser Film auch tatsächlich nur etwas für eingefleischte "Tim und Struppi"-Fans - oder die Erwartungen vorab waren einfach zu hoch. Was auch immer der Grund dafür war: Im Gegensatz zu anderen Spielberg-Filmen wie "E.T." hat "Tim und Struppi" mich einfach nicht im tiefsten Inneren berührt und begeistert, so perfekt er auch gemacht war - oder vielleicht gerade deswegen. Doch das muss ja nicht heißen, dass es anderen Kinogängern nicht ganz anders gehen wird. Ich würde "Tim und Struppi" die Liebe des Publikums jedenfalls von Herzen gönnen.