Nach Skandal-Aus bei US Open Die negative Seite des Tennis-Genies Novak Djokovic
Ein unachtsam ins Aus geschlagener Ball wurde Novak Djokovic bei den US Open zum Verhängnis. Dass solche Aktionen des "Djoker" Folgen haben werden, hatte sich schon lange angedeutet. Eine Chronologie der Fehltritte.
Achtfacher Australian-Open-Sieger, fünffacher Titelträger in Wimbledon, dazu drei Erfolge bei den US sowie ein Triumph bei den French Open. Novak Djokovic ist zweifelsohne einer der größten Tennisspieler aller Zeiten. Doch die eindrucksvolle Karriere des 33-jährigen Serben hat einen Makel: Er hat sich in den 15 Jahren auf Weltklasseniveau nicht zum Fanliebling entwickelt. Neben dem grazilen, scheinbar schwerelosen Roger Federer und dem nahbaren Arbeiter Rafael Nadal wirkt der verbissene "Djoker" für viele Beobachter wie ein Eindringling im elitären Zirkel der Tennis-Weltspitze. Einer, der sich mit viel Ellenbogenkraft nach oben gearbeitet hat. Damit mag man ihm Unrecht machen, Fakt ist jedoch, dass diese fehlende, bedingungslose Liebe der Fans, die etwa einem Federer seit Jahren zufliegt, Djokovic antreibt – aber auch zermürbt.
Dieser Wunsch, von jedem hochachtungsvoll angesehen zu werden, hat Djokovic im Laufe der Jahre immer wieder ins Abseits gestellt, sein sportliches Genie überschattet. t-online fasst für Sie die unrühmlichsten Fehltritte des Weltranglistenersten zusammen.
2008: Viertelfinale der US Open
Im Viertelfinale der US Open 2008 besiegt der damals 21-jährige Djokovic den US-Amerikaner Andy Roddick – zum Unmut des New Yorker Publikums. Bereits während der Partie bedenken die Zuschauer im Arthur Ashe Stadium den Serben mit lautstarken Pfiffen und Buhrufen, doch erst als er im Siegerinterview selbst zu Wort kommt, droht die Stimmung wirklich zu kippen.
Djokovic wirft Roddick schlechten Stil vor, weil dieser sich über seine ausgiebigen Behandlungspausen belustigte, zu denen es besonders dann immer kommt, wenn eine Partie sich zu Ungusten des Serben zu entscheiden droht. Der "Djoker" nutzt seine Zeit am Mikrofon für eine Generalabrechnung mit dem US-amerikanischen Publikum.
2013: Erste Runde, ATP-Turnier Madrid
Wieder entscheidet sich das Publikum nicht für Djokovic, sondern gegen ihn zu sein. Der überschwängliche Jubel, wenn sein Gegner Grigor Dimitrov einen Ballwechsel für sich entscheidet, bringt den Serben derart außer sich, dass er sich im Laufe des zweiten Satzes in der Nähe eines Außenmikros postiert und dem Publikum eine ausgiebige, nicht jugendfreie Schimpftirade widmet.
Alles Fluchen nützt Djokovic jedoch nicht: Er verliert das Duell gegen den Bulgaren klar in drei Sätzen.
2015: Vierte Runde, Wimbledon
Gegen den Südafrikaner Kevin Anderson steht Djokovic mit dem Rücken zur Wand. Dem Außenseiter fehlt nur noch ein Satz, um das Match für sich zu entscheiden. Djokovic hadert, Djokovic flucht – nur diesmal attackiert er nicht das Publikum, sondern ein junges Ballmädchen.
Der Titelverteidiger schreit das Ballmädchen an, macht sie vor einem Millionenpublikum nieder. Zwar gewinnt Djokovic die Partie im Anschluss noch, entschuldigt sich sogar später noch bei seinem Opfer. Die Sympathien des anspruchsvollen Wimbledon-Publikums verliert er jedoch.
2016: Viertelfinale, French Open
Gegen Tomas Berdych macht Djokovic eine gute Partie. Dennoch verliert er die Nerven – und schrammt erstmal ganz haarscharf an einer Disqualifikation vorbei: Nach einem verlorenen Ballwechsel schmeißt der Serbe wutentbrannt seinen Schläger weg – nach hinten. Der französische Linienrichter präsentiert sich reaktionsschnell und weicht dem unverhofften Fluggerät rechtzeitig aus.
Djokovic wird offiziell verwarnt. "Ich hatte großes Glück", sagt er im Anschluss. Eine differenzierte Einordnung seiner gemeingefährlichen Aktion bleibt aus. Am Ende gewinnt er zum ersten und bisher einzigen Mal den Sandplatzklassiker Roland Garros.
2016: Vorrunde, ATP Finals
Nur wenige Monate nach seinem Aussetzer bei den French Open vergisst Djokovic einmal mehr, dass er nicht allein im Tennisstadion ist: Gegen Dominic Thiem verliert er einen umkämpften Tie Break. Der "Djoker" kocht vor Wut, schnappt sich den Ball und prügelt ihn ohne Rücksicht ins Publikum.
Im Anschluss an das Duell, das Djokovic schlussendlich für sich entscheidet, spricht ihn ein Journalist auf seine Wutausbrüche an. Der damals 29-Jährige reagiert darauf mit einem verächtlichen Lachen und greift den Reporter an. Als dieser nachhakt, ob er nicht befürchte, dass sein Verhalten früher oder später Konsequenzen haben könnte, antwortet Djokovic: "Klar, es hätte heute knapp für mich werden können. Aber es hätte auch in der Halle schneien können."
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2020: Adria Tour
Als Reaktion auf die vielen aufgrund der Corona-Pandemie abgesagten ATP-Turniere ruft Djokovic die Adria Tour ins Leben. Die Showturnier-Reihe findet vor tausenden Zuschauern in Serbiens Hauptstadt Belgrad und der kroatischen Küstenstadt Zadar statt, Topspieler wie Alexander Zverev, Grigor Dimitrov und Borna Coric mischen sich unter die Einheimischen, feiern feuchtfröhliche Partys.
Doch für diese Unachtsamkeit mitten in der Pandemie erhält Organisator Djokovic noch vor der letzten Station im bosnischen Sarajevo die Quittung: Seine Frau Jelena und er haben sich mit dem Coronavirus infiziert, die Tour wird abgesagt.
Auch Dimitrov erkrankt mit Covid-19, sein Verlauf ist sogar so bedrohlich, dass er in ein Krankenhaus in seiner Wahlheimat Monaco ausgeflogen wird. Noch heute hat sich das bulgarische Tennisass nicht abschließend von der Infektion erholt.
Reue für den laxen Umgang mit Hygiene- und Abstandsvorschriften bei "seiner" Adria Tour zeigt Djokovic nicht. Er habe nichts falsch gemacht, erklärt er einige Monate später. "Ich würde es wieder tun."
2020: Achtelfinale, US Open
Im New Yorker Achtelfinale schnappt sich Gegner Pablo Carreno Busta das Break. Djokovic versucht seine Wut zu kanalisieren, haut den Ball unbedacht und unvorsichtig ins Aus hinter sich. Doch der Ball gewinnt an Höhe und trifft eine Linienrichterin am Hals. Die Unparteiische schnappt nach Luft, sackt zusammen. Djokovic zeigt sich sichtlich geschockt, läuft zur Verletzten. Doch sein Mitgefühl kann ihn nicht vor der Entscheidung retten: Disqualifikation wegen grob unsportlichen Verhalten und Verletzen eines Unparteiischen. Djokovic Temperament, sein Jähzorn, den er 2016 noch weglachte, hat damit nun doch ernste Konsequenten für ihn.
- Eigene Recherche
- "tagesanzeiger.ch": Weitere Ausraster des Serben