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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Deutschlands Energielieferant Er ist der X-Faktor
Daniel Theis glänzte im EM-Viertelfinale. Der Center blüht in der Nationalmannschaft auf – auch weil ihm hier eine andere Rolle als sonst zuteil wird.
Die Partie benötigte nur wenige Sekunden, um den Zuschauenden die Marschroute für die nächsten gut zwei Stunden deutlich vorzugeben. Direkt nach dem ersten Anspiel von Kapitän Dennis Schröder setzte Daniel Theis zum Slam Dunk an.
Boom!
Das EM-Viertelfinale zwischen der deutschen Basketball-Nationalmannschaft und den favorisierten Griechen um NBA-Superstar Giannis Antetokounmpo begann mit einem Knall. Die mit über 14.000 Menschen ausverkaufte Arena in Berlin war sofort auf Betriebstemperatur. Weil ihr Theis per Express einheizte.
Theis' Feuereifer bremste Superstar Antetokounmpo aus
Dass Deutschlands Center den spektakulären Punktversuch verhaute, ist rückblickend nichtig. Seine Aktion erreichte auch so ihren Effekt. Der NBA-Legionär hatte das im Achtelfinale noch lethargisch vor sich hin dösende Berliner Publikum geweckt – und sich selbst gleich mit. "Vor der EM war eine Medaille das Ziel. Natürlich wollen wir jetzt Gold", stellte ein sichtlich aufgekratzter Theis nach der Schlusssirene klar.
13 Punkte, bei 50-prozentiger Trefferquote, 16 Rebounds, davon 6 offensiv: Der 30-Jährige drückte dem Spiel wie kein anderer Akteur seinen Stempel auf, war der X-Faktor. Dabei dominierte der 2,04-Mann mit seinem Double-Double (der zweistelligen Ausbeute in gleich zwei der zentralen Basketballstatistiken) an beiden Enden des Parketts. Auch dank seines Feuereifers konnte sich Deutschland im Kollektiv gegen die Weltklasse Antetokounmpos stemmen.
"Wir hatten das richtige Mindset, um rauszukommen und die Griechen zu stoppen", sagte Kapitän Dennis Schröder nach dem gelungenen Halbfinaleinzug. Eine Aussage, die vor allem auf Theis zutrifft. Der gebürtige Niedersachse leistete sich keine Konzentrationsschwächen, bewegte sich ohne Ball klug und umsichtig und war auch in Defensivaktionen dem Gegner immer einen Schritt voraus. Dank dieser Spielintelligenz kassierte Theis nur zwei Fouls, obwohl er sich als Big Man in jeden freien Ball und Zweikampf geworfen hat. Eine Leistung, die fast noch mehr Lob verdient hat als seine an Dennis Rodman erinnernde Reboundausbeute.
Es ist auch eine Leistung, die ihn mehr ins Bewusstsein der deutschen Sportöffentlichkeit rücken wird.
In der NBA wissen sie, was sie an Theis haben
Viel hat sich in den bisherigen EM-Tagen auf Dribbelkünstler Schröder und Scharfschützen-Jungstar Franz Wagner konzentriert. Für Theis' intensiven, mannschaftsdienlichen Ethos fiel da nur selten eine Zeile des Lobs ab. Zynisch betrachtet fehlt es ihm dafür an actionreichen oder technisch versierten Highlights, die sich hübsch in Zusammenfassungen schneiden ließen.
In der NBA, der besten Basketballliga der Welt, wissen sie da schon eher, was sie an Theis haben. Mit den Boston Celtics erreichte er als genügsamer und zugleich hochmotivierter Bankspieler im vergangenen Frühjahr als erst dritter Deutscher nach Detlef Schrempf und Dirk Nowitzki die Finalrunde um den Meistertitel. Im Oktober geht der frühere Bundesligaprofi von Braunschweig – wo er noch mit Schröder zusammenspielte – und Bamberg in seine sechste Saison in Nordamerika. Bei den Indiana Pacers, bei denen er erst seit Kurzem unter Vertrag steht, dürfte sich Theis dann vor allem Kontinuität wünschen.
Die Pacers werden das vierte Team sein, für das Theis in den vergangenen zwölf Monaten auflaufen wird. Zwischen seinem diesjährigen Engagement bei den Celtics und seinen ersten vier Jahren in Boston lagen noch zwei ungeplante Abstecher nach Houston und Chicago. Dorthin war er jeweils in Folge komplexer Tauschgeschäfte gekommen. Der erfahrene Veteran, der sich auch aus der zweiten Reihe heraus voll für das Team reinwirft, war besonders beliebt bei im Umbruch befindlichen Teams, die ihren Jungstars Dampf machen wollten.
Der EM-Titel könnte das Bild von Theis nachschärfen
Mit dieser Rolle hat sich Theis abgefunden, dennoch wird die kommende Spielzeit für ihn wegweisend: Kann er das Niveau jüngerer Konkurrenten mithalten und gleichzeitig der Rotation eigene Stärken anbieten und sich in Indiana so festspielen wie einst in Boston? Oder wird er mit Anfang 30 zum Journeyman, der immer da einspringt, wo gerade nach seinem Typ verlangt wird?
Diese Frage wird sich nicht in den verbleibenden zwei EM-Partien klären. Wahrscheinlich sind Theis' Gedanken gegenwärtig auch noch gar nicht auf der anderen Seite des Atlantiks. Sein Blick dürfte fest auf das Ziel Europameistertitel gerichtet sein. Klar sein dürfte dennoch: Sollte der Big Man aus Salzgitter die Nationalmannschaft auf seinen breiten Schultern tatsächlich zum Finalerfolg führen, werden die NBA-Verantwortlichen ihr Bild von ihm ganz sicher nachschärfen. Und mit ihnen auch die deutsche Sportöffentlichkeit.
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- Eigene Beobachtungen der Partien der deutschen Basketball-Nationalmannschaft bei der EM in Köln und Berlin
- dw.com: "Daniel Theis: 'NBA-Finale ist ein Kindheitstraum'"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa