Brasilianische Nationalhymne Weitersingen - trotz FIFA-Vorschrift
Die Brasilianer haben bei ihren WM-Spielen regelmäßig für Gänsehaut gesorgt - und das noch vor dem Anpfiff: Leidenschaftlich und aus voller Kehle schmetterten Spieler und Fans ihre Nationalhymne. Und sangen lautstark weiter, auch als die Musikbegleitung schon längst gestoppt wurde. Das ganze Stadion wurde zu einem riesigen A-Cappella-Chor.
Doch wenn es nach der FIFA gegangen wäre, hätte es diese hoch emotionalen Momente gar nicht geben dürfen. Eine fragwürdige Regel schreibt vor, dass eine Nationalhymne nach spätestens 90 Sekunden beendet sein muss. Ansonsten wird die Einspielung eben abgebrochen. Und wenn es - wie bei der brasilianischen "Hino Nacional Brasileiro" - mitten im Musikstück ist.
Beim Confed-Cup 2013 hielten sich die brasilianischen Fans erstmals nicht mehr an diese Vorschrift; sie sangen voller Inbrunst einfach weiter. Die Ode an die Heimat, das Land der Liebe und der Hoffnung, sollte nicht von Bürokraten gebeugt werden. Und mit dieser patriotischen Geste sollte natürlich auch die eigene Mannschaft gepusht werden. Mit Erfolg: Brasilien gewann das Turnier. Im Finale besiegte die Selecao Spanien mit 3:0.
Protest gegen soziale Ungerechtigkeit
Doch die rebellische Aktion hatte damals wie auch jetzt bei der WM noch eine weitere Botschaft transportiert: den Protest gegen die soziale Ungerechtigkeit in Brasilien. Viele Menschen können nicht nachvollziehen, warum für die WM enorme Geldsummen bereitstehen, für andere Bereiche wie zum Beispiel Bildung aber kein Geld da sein soll.
In ihrem Alltag erleben viele Brasilianer das dramatische Auseinanderklaffen von arm und reich. Und sie vermuten eine gigantische Verschwendung von Steuergeldern - zugunsten der FIFA.
Fußball-Profis kamen die Tränen
Also pfeifen sie auf einen Verband, der ihnen vorschreiben will, wie lange sie singen dürfen. Zehntausende haben in den Stadien auf bewegende Art ihre Stimme erhoben und friedlich gegen diese Bevormundung und Ungerechtigkeit protestiert. "Wenn wir im Namen der Gerechtigkeit dem Kampf uns stellen, wirst Du sehen, dass keiner Deiner Söhne flieht", lautet eine Zeile in der zweiten Strophe.
Viele Spieler teilen die Bedenken der Bevölkerung - während der WM sangen die meisten von ihnen demonstrativ und lautstark die zweite Strophe a cappella mit. Selbst den hartgesottenen Fußball-Profis und der Staatschefin kamen dabei die Tränen.
"Unabhängigkeit oder Tod!"
Komponiert wurde die brasilianische Hymne 1822 - dem Jahr der Unabhängigkeitserklärung - von Francisco Manuel da Silva. "Von Natur aus ein Gigant, bist Du schön und stark, unerschrockener Koloss, und in Deiner Zukunft spiegelt sich diese Größe", heißt es unter anderem in Text von Joaquim Osório Duque Estrada.
Die Nationalhymne erzählt auch die Geschichte der Loslösung der Riesen-Kolonie von dem kleinen Portugal. Der spätere Kaiser Pedro I. soll seinen Landsleuten trotzig zugerufen haben: "Independência ou Morte!" (Unabhängigkeit oder Tod!). Mit diesem Stolz konnten die Brasilianer der FIFA locker trotzen.