Nationalkeeper eiskalt So bereitet sich Neuer auf ein Elfmeterschießen vor
Aus Santo Andre (Brasilien) berichtet Thomas Tamberg
"Ist vielleicht noch ein Stuhl für mich frei", sagte Manuel Neuer, zwinkerte mit dem Auge und fand dann doch noch einen Platz in der Nähe des Swimmingpools. Selten ist ein Ort so passend gewählt wie hier im Garten des DFB-Medienzentrums einen Steinwurf vom Meer entfernt. Hier werden die sogenannten Pool-Interviews geführt. Das ist nämlich kein klassisches Eins-zu-Eins-Gespräch, sondern der jeweilige Spieler muss gleich mehreren Journalisten Rede und Antwort stehen. Sozusagen eine Art Mini-Pressekonferenz, bei der Neuer mit den Anwesenden über das bevorstehende WM-Halbfinale gegen Brasilien sprach.
Dass eines der wichtigsten Spiele seiner Karriere unmittelbar bevorsteht, merkte man dem 28-Jährigen dabei nicht an. Tiefenentspannt, in sich ruhend und immer bereit für einen kleinen Spaß: Neuer dürfte wohl einer der coolsten Torhüter dieser WM sein. Keine schlechte Eigenschaft, wird doch in Belo Horizonte gegen WM-Gastgeber Brasilien (ab 21.30 Uhr im t-online.de Live-Ticker) ein hoch emotionales Spiel erwartet.
Gegner werden genau studiert
Gut möglich, dass eine Entscheidung erst im Elfmeterschießen fällt. Für diesen Fall ist Neuer sehr gut vorbereitet, wie er sagt. "Ich habe mich bisher vor allen K.-o.-Spielen mit den Offensivaktionen, den Standards und den Elfmetern des Gegners beschäftigt und das wird auch gegen Brasilien der Fall sein."
Der Bayern-Keeper wird von Torwarttrainer Andreas Köpke zusätzlich mit Infos versorgt. Allerdings behält sich Neuer die letzte Entscheidung vor und handelt auch mal entgegen der Vorgaben. "Die Entscheidung kommt von innen, da kann man nicht immer an eine Statistik denken. Man muss ein gutes Gefühl bei der Entscheidung haben."
Automatismen helfen
Dass er im Vorfeld der Partie keine besondere Anspannung spürt, nimmt man Neuer tatsächlich ab. Besondere Maßnahmen vor besonderen Spielen unternimmt er nicht. "Ich habe gar nicht so viel Zeit, darüber nachzudenken, die Automatismen greifen, die Zeitpläne sind vorgegeben."
Für ihn ist vielmehr Alltag angesagt. "Ich nehme den alten Spruch‚ 'wie man trainiert so spielt man', auch sehr ernst und bin auch im Training motiviert." Dort wird seit einiger Zeit auch Elfmeterschießen geübt. Neuer ist dabei in Doppelfunktion unterwegs, schließlich gilt er auch als exzellenter Schütze.
Neuer glaubt nicht an Auswechslung
Dass ihm das gleiche Schicksal widerfahren könnte wie dem niederländischen Keeper Jesper Cillessen, der eine Minute vor Ende der Verlängerung im Viertelfinale gegen Costa Rica von Trainer Louis van Gaal ausgewechselt worden ist, glaubt Neuer nicht. Sollte sich die Extratime dem Ende nähern, ist er sich sicher, dass Bundestrainer Joachim Löw bereits das ganze Auswechselkontingent ausgeschöpft hat.
Von allen noch im Turnier verbliebenen Keepern gilt Neuer als der Beste. Weder der Brasilianer Cesar (4 Gegentore) noch der Argentinier Sergio Romero (3) und auch nicht die Niederländer Cillessen (4) haben ein solch großes Repertoire drauf wie der Deutsche, der vor allem fußballerisch eine Klasse für sich darstellt.
Viele gute Torhüter bei dieser WM
Alle drei Neuer-Konkurrenten gelten zwar nicht als absolute Weltklasse-Keeper, konnten ihren Teams allerdings in den entscheidenden Momenten weiterhelfen. Andere Torhüter haben dagegen mit herausragenden Leistungen auf sich aufmerksam gemacht. Die Glanzparaden von Keylor Navas (Costa Rica), Guillermo Ochoa (Mexiko), Claudio Bravo (Chile) und Tim Howard (USA) werden den Fußballfans in Erinnerung bleiben.
"Die Torhüter spielen bisher eine tragende Rolle. Wir haben viel mehr gute Leistungen gesehen als schwache und auch insgesamt bessere als bei der WM 2010", freute sich auch Neuer über die Leistungsentwicklung seiner Zunft. "Die Klasse der Torhüter ist gestiegen. Ich schau' da auch immer genau hin, weil man sich immer Sachen abgucken kann."