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WM 2022: Frankfurts Randal Kolo Muani ist plötzlich französischer Held


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Frankfurter Frankreich-Star
Plötzlich ein Held


Aktualisiert am 15.12.2022Lesedauer: 5 Min.
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Randal Kolo Muani: Der Frankfurt-Stürmer rückte in letzter Sekunde in Frankreichs WM-Kader – und schoss "Les Bleus" gegen Marokko endgültig ins WM-Finale. (Quelle: IMAGO/JOEL MARKLUND)
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Mit seinem Tor gegen Marokko besiegelte Randal Kolo Muani Frankreichs Einzug ins WM-Endspiel. Auch dort will er glänzen – obwohl er zunächst gar nicht mit nach Katar sollte.

Das Leben ist eine Aneinanderreihung von Zufällen. Ein Satz, den wohl auch Randal Kolo Muani so unterschreiben würde. Anders lässt sich der Aufstieg des 24-jährigen Fußballers kaum erklären – wenn man sich nicht gerade in transzendentalen Diskussionen über das Wörtchen "Schicksal" verlieren will.

Kolo Muani, im Dezember 1998 in Bondy in der Pariser Banlieue geboren, ist plötzlich ein französischer Nationalheld. 44 Sekunden nach seiner Einwechslung ins Spiel gegen Marokko stand der schlaksige, 1,87 Meter große Stürmer zur richtigen Zeit am richtigen Ort und hielt seinen Fuß an den heranrauschenden Ball: 2:0 für Frankreich (den Spielbericht finden Sie hier).

Sein Treffer in der 79. Minute entschied das Halbfinale der Weltmeisterschaft zugunsten der "Équipe Tricolore" – und lässt eine ganze Nation beseelt von der Titelverteidigung träumen. Dass der Junge aus der stigmatisierten Trabantenstadt dafür gesorgt hat, ist eben besagten Zufällen geschuldet.

Denn eigentlich sollte Kolo Muani in Katar gar nicht dabei sein. Allein schon, dass er Nationalspieler Frankreichs ist: Das ist eine mittelgroße Sensation, die noch vor drei Jahren völlig abwegig wirkte.

Schlechte Schulnoten verbauten ihm fast den Weg

Fußball hat Kolo Muani schon immer gespielt. In verschiedenen Vereinen im Pariser Speckgürtel und in den Straßen seines Heimatortes Villepinte. "Ich hatte um 14 Uhr ein Match mit meinem Verein Torcy, ich kam nach Hause und ging direkt weiter in die Stadt. Dort haben wir wieder gekickt. Ich habe nur Fußball gespielt", erzählte er dem französischen Fußballmagazin "SoFoot". Seine schulischen Leistungen litten unter seiner Passion für den Sport – womit er sich beinahe selbst seinen Traum von einer Profikarriere verbaute. Denn die strengen französischen Nachwuchsleistungszentren wiesen die Bewerbungen Kolo Muanis nach nur einem Blick auf seine Zeugnisse zurück: zu schlechte Noten. Das passt nicht ins Bild des in allen Lebensbereichen engagierten Jungfußballers, den die französischen Talentschulen hervorbringen wollen.

Kolo Muani galt plötzlich als Problemfall. Weil er den Fußball zu sehr liebte – und eine Krankheit auch die letzten, wenigen Interessenten verschreckte. Im Alter von 14 Jahren wurde bei ihm Morbus Osgood-Schlatter, eine chronische Entzündung der Knochen und Knorpel im Unterschenkel, diagnostiziert. Bewegung wurde für den Jugendlichen zur Tortur, der Fußball, der ihn so viel Freude bereitete, war mit unablässigen Schmerzen verknüpft.

Doch Kolo Muani ließ sich von der Krankheit, die besonders Jugendliche mit enormen Wachstumsschüben befällt, nicht unterkriegen. Er spielte weiter in der Jugendabteilung des Amateurklubs US Torcy, gab sein Bestes, bot sich an. Und es zahlte sich aus. 2015 entdeckten ihn Talentspäher des achtfachen französischen Meisters FC Nantes. Kolo Muani unterschrieb beim Traditionsverein von der Westküste und wurde mit 16 Jahren schlagartig vom Amateur zum Profi.

"Ich habe mich kopfüber hineingestürzt, es war das Paradies – und meine letzte Chance", sagt Kolo Muani über seine Anfangszeit in Nantes. Doch einen Senkrechtstart legte er in der Hafenstadt nicht hin – auch, weil er sich nicht nur kopfüber in den Fußball stürzte. Der Teenie war auch regelmäßiger Gast in den Klubs und Bars der Stadt, verlor erstmals fern der Heimat Villepinte seinen Kompass aus Bolzplätzen und Straßenkicks.

In der dritten Liga findet Kolo Muani wieder zu sich

Während der ebenfalls in Bondy geborene Kylian Mbappé 2018 seinen ersten WM-Titel mit Frankreich feierte, musste Kolo Muani im folgenden Jahr den Gang in die Drittklassigkeit antreten. Beim US Boulonge sollte der damals 20-Jährige wieder zu sich und seinen Stärken finden. Eine Rechnung, die aufgegangen ist. In der Küstenstadt an der Nordspitze Frankreichs gab es für Kolo Muani laut eigener Aussage nur noch zwei Wege: den von seiner Wohnung zum Trainingsplatz und vom Trainingsplatz nach Hause. Er wollte seine nun wohl allerletzte Chance, sich als Fußballprofi zu etablieren, nicht vergeuden. Die Leidenschaft, die ihn einst in der Schule bessere Noten gekostet hatte, ließ ihn in Boulogne strahlen: Acht Torbeteiligungen in 14 Partien, teils begeisternde Auftritte, in denen er mit seinen langen Schritten und unkonventionellen Laufwegen die gegnerische Abwehr das Fürchten lehrte.

Mit dem Leistungsboom in der Unterklassigkeit kam auch das Selbstbewusstsein. "Als ich nach Nantes zurückkam, war ich auf Rache aus", erinnert sich Kolo Muani, "ich bin zurückgekommen, um alles zu zerstören." Keiner konnte Kolo Muani mehr zurückhalten.

In der Sommervorbereitung zur Saison 2020/2021 erkämpfte er sich einen Stammplatz in der ersten Elf von Nantes, zahlte das ihm geschenkte Vertrauen mit 17 Torbeteiligungen (9 Treffer, 8 Assists) zurück und rettete sein Team mit einem wichtigen Treffer in der Relegation vor dem Abstieg. In Nantes sprachen sie zu dieser Zeit bereits von Kolo Muani als dem vielleicht besten und komplettesten Stürmer, den der Verein je hervorgebracht habe. Experten verglichen seine elegante, tänzelnde Ballführung mit der von Frankreichs Torjägerlegende Thierry Henry. Was sie in Nantes während all dieser Jubelarien nicht wussten: Kolo Muani stand schon längst bei Eintracht Frankfurt im Wort.

Chefscout Ben Manga hatte ihn früh in seiner Durchbruchssaison erstmals angesprochen, ihm einen Weg in Frankfurt aufgezeigt. Kolo Muani zeigte sich begeistert von der detaillierten Analyse seiner Stärken und Schwächen, lehnte Angebote vom AC Mailand und von Paris Saint-Germain ab – alles nur, um im Sommer 2022 ablösefrei an den Main wechseln zu können.

Kolo Muani profitiert von Verletzung eines Bundesliga-Stars

In der Bankenmetropole gelang ihm der Senkrechtstart, den er sich einst in Nantes gewünscht hatte: 15 Torbeteiligungen in den ersten 14 Bundesligaspielen (5 Treffer, 10 Vorlagen), Europapokalheld Rafael Borre und Millionenneuzugang Lucas Alario dauerhaft auf die Bank verbannt, Marktwert verdoppelt. Für einen Platz im französischen WM-Kader sollte all das aber zunächst nicht reichen. Zu groß und mächtig erschien die Konkurrenz mit Weltfußballer Karim Benzema, Routinier Olivier Giroud und Deutschlands Fußballer des Jahres, Christopher Nkunku. Bis sich die Zufälle, wenn auch unglückliche, zugunsten Kolo Muanis häuften.

Erst musste Benzema das Turnier in Katar aufgrund einer Blessur absagen, dann verletzte sich auch noch Nkunku. Und Nationaltrainer Didier Deschamps besetzte die freigewordene Stelle des Leipziger Superstars mit Kolo Muani. "Seine Stärke ist seine Geschwindigkeit, deshalb habe ich ihn gebracht", wird Deschamps nach dem 2:0 gegen Marokko seine Wahl des 24-Jährigen erklären. Kolo Muani schwebte da längst im siebten Himmel, stammelte sichtlich emotional vor den TV-Kameras: "Im Moment kann ich es noch gar nicht fassen."

Es ist ein Satz, den er wohl nicht nur auf seinen Treffer gegen Marokko, sondern vermutlich auf die ganze Reise, die ihn bis dorthin gebracht hat, beziehen könnte.

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