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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Flick-Assistent zum WM-Kader "Es wird für einige Spieler schmerzhaft"
In wenigen Wochen startet die WM in Katar. Schon bald nominiert Bundestrainer Hansi Flick seinen Kader. Wer wird dabei sein?
Als Hansi Flick mit dem FC Bayern sechs Titel in einem Jahr feierte, war ein Mann stets an seiner Seite: Danny Röhl. Der inzwischen 33-Jährige war der Assistent des ehemaligen Bayern-Trainers. Gemeinsam mit Flick wechselte der gebürtige Sachse auch vom deutschen Rekordmeister zum DFB. Zusammen mit Marcus Sorg, der bereits unter Joachim Löw arbeitete, steht Röhl dem Bundestrainer mit Rat und Tat zur Seite.
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Und aktuell arbeitet er auf Hochtouren, die Vorbereitungen auf die WM in Katar laufen. Zum einen muss das deutsche Trainerteam sich auf alle Gruppengegner vorbereiten. Zum anderen muss es unangenehme Entscheidungen treffen. Denn nur 26 Spieler dürfen mit zur WM. Einige prominente Namen werden daheim bleiben. Röhl steht vor wegweisenden Wochen beim DFB.
t-online: Herr Röhl, wie viele Länderspiele von Costa Rica haben Sie wegen der WM bereits gesehen?
Danny Röhl: Interessante Frage (lacht). Wir beschäftigen uns chronologisch mit den Gegnern, daher liegt der Fokus auf dem Japan-Spiel. Auch wenn die Japaner länger kein Pflichtspiel mehr hatten und wir nicht genau sagen können, wie sie im Wettkampf auftreten werden. Bei Costa Rica hilft uns dann auch, dass bis dahin zwei Vorrundenspiele stattgefunden haben, an denen wir uns orientieren können.
Schauen Sie sich auch japanische Ligaspiele an, um unbekanntere Nationalspieler zu scouten?
Für solche Aspekte haben wir das "Team Köln", das uns zuarbeitet und unterstützt. Die Studierenden legen auch Spielerprofile der Gegner an. So kann ich meine Zeit anders nutzen und schaue daher keine japanischen Ligaspiele. Mir persönlich geht es in der Vorbereitung auch mehr darum, einen Gesamteindruck von der Mannschaft zu bekommen. Wofür steht der Trainer? Auf welche Prinzipien legt er Wert? Welchen Spielstil will er sehen?
Was ist das "Team Köln"?
Das ist eine Gruppe Studierender an der Sporthochschule Köln, die nach unseren Vorgaben Spiele analysiert. Stephan Nopp ist als Spielanalyst unsere Schnittstelle zwischen dem "Team Köln" und dem DFB, filtert all die Informationen, die er dann im Trainerteam weitergibt. Wir schauen uns dann auch Spiele der Gegner an und so entsteht ein Gesamtbild, mit dem wir in die Vorbereitung mit der Mannschaft gehen.
Aktuell können Sie mit den Spielern aber kaum arbeiten, weil die bei den Vereinen sind. Wie sieht der Kontakt wenige Wochen vor WM-Start aus?
Wir haben Mitte Oktober wieder das Format der "Players Lounge" durchgeführt, bei dem wir den Spielern in digitaler Form Feedback geben. Dort zeigen wir ihnen Stärken und Potenziale auf, analysieren anhand der letzten Länderspiele, was wir uns bei der WM wie vorstellen. Die Informationen zum ersten Gruppengegner Japan bekommen die Jungs erst in den Tagen vor dem Spiel. Dann können sich die Spieler auch Videos von ihren Gegnern auf der jeweiligen Position anschauen und sich detaillierter vorbereiten. Das ist aber auch von Spieler zu Spieler sehr unterschiedlich. Manche brauchen das, andere wollen sich auf das eigene Spiel konzentrieren.
Wie sieht diese "Players Lounge" aus?
Das ist meist ein individueller Termin, der virtuell etwa 30 bis 60 Minuten lang stattfindet. Dabei zeigen wir den Jungs ihre Spielszenen, sowohl positive als auch negative. Und dann geht es im Gespräch darum, wie der Spieler selbst die Szene wahrgenommen hat.
Zeigen Sie dann auch Szenen aus den Partien, die die Spieler für ihre Vereine spielen?
In erster Linie sind es Situationen aus unseren Spielen beim DFB. Wir haben die Jungs auch gefragt, was von ihnen beim Verein gefordert ist. Dabei geht es uns gar nicht darum zu bewerten, sondern ein Gefühl dafür zu entwickeln, welche Aufgaben die Spieler im Verein erfüllen. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel.
Gerne.
Es gibt Außenverteidiger, die immer auf dem Sprung sind und mutig nach vorne verteidigen. Und es gibt andere, die ihre Position halten und eher defensiv agieren. Aber das eine heißt nicht, dass das andere nicht möglich ist. Es kann schlichtweg die Anforderung des Trainers beim Verein sein. Das versuchen wir in diesen Gesprächen herauszufinden.
Sie sind es aus Ihren vorherigen Stationen gewohnt gewesen, die Spieler fast immer um sich zu haben. Nun geht das nur in den Länderspielpausen.
Das ist eine Umstellung meiner Arbeitsweise. Die Nations League im Sommer war für mich ein positives Erlebnis, weil wir die Jungs drei Wochen am Stück bei uns hatten. Da konnten wir viel mit Videos und auf dem Platz arbeiten. In jedem Lehrgang baut man etwas auf, ist bereit für den nächsten Schritt – und muss dann "bis in vier Wochen" sagen. Das erschwert die Arbeit. Umso wichtiger ist dieser Kontakt zwischen den Länderspielpausen, auch wenn er nur digital ist.
Wie viel tauschen Sie sich mit den Vereinstrainern über die Spieler aus?
Da gibt es eine gute Kommunikation zwischen Hansi und den Vereinstrainern. Sowohl die Klubs als auch wir haben das gleiche Interesse: Wir wollen den Spieler weiterentwickeln.
Nehmen wir mal Jamal Musiala, ein talentierter Spieler mit viel Potenzial. Inwieweit sprechen sich Hansi Flick und Julian Nagelsmann dann ab, wie man ihn weiterentwickelt?
Das ist immer unterschiedlich. Es gibt und gab einige Spieler, bei denen sowohl von Klub- als auch von DFB-Seite das gleiche Potenzial erkannt wurde. Wenn der Verein und wir bei der Nationalmannschaft den gleichen Input geben, sieht der Spieler, dass die Kommunikation zwischen den Trainern funktioniert und weder der eine noch der andere Mist erzählt (lacht).
Nun gibt es aber auch Gegenbeispiele. Jonas Hofmann hat gegen tiefstehende Gegner bei der Nationalmannschaft rechts hinten gespielt, bei Borussia Mönchengladbach auf der rechten Offensivseite. Wie gehen Sie damit um?
So unterschiedlich sind die Rollen nicht. Wir bauen bei der Nationalmannschaft zwar mit vier Verteidigern auf, meist ist das aber asymmetrisch. Was ist mit asymmetrisch gemeint? Auf der einen Seite bleibt der Außenverteidiger defensiv, auf der anderen kann der Spieler dafür mit nach vorne gehen. Jonas Hofmann war der offensivere Typ, weshalb der linke Verteidiger meist mit den Innenverteidigern hinten geblieben ist. Und so war Jonas gar nicht so weit weg von der Rolle, die er in Gladbach innehat. Aber klar, er hat mehr Defensivaufgaben und hat sich daher auch einiges an Videomaterial angeschaut, um darauf vorbereitet zu sein. Auch David Raum auf der linken Seite muss bei uns als Teil der Viererkette mehr Defensivzweikämpfe führen, als er es beim Verein in einer Fünferkette macht.
Hat Christian Günter links hinten dann also einen Vorteil für die WM-Nominierung, weil er in Freiburg aktuell meist in einer Viererkette agiert, wie sie auch in der Nationalmannschaft gespielt wird?
Wir achten natürlich darauf, welche Positionen die Spieler bei ihren Vereinen spielen. Mit dem 26-Mann-Kader haben wir auch die Chance, auf einer Position verschiedene Spielertypen mitzunehmen – ich nenne sie gerne "Experten" für das einzelne Aufgabenprofil. Das gibt uns auch mehr Optionen für die WM.
Wir sprechen jetzt viel über die Außenverteidiger, die meisten Debatten drehen sich aber um den Mittelsturm und Bundesliga-Torjäger Niclas Füllkrug. Hansi Flick sagte, er sei ein WM-Kandidat. Heißt das, er war auch bereits Teil der "Players Lounge"?
Bislang nicht. Wir konzentrieren uns aktuell auf die Spieler, die wir zu den letzten Länderspielen eingeladen haben. Sollte es im WM-Kader die ein oder andere Überraschung geben, dann werden wir mit diesen Spielern in der verbleibenden kurzen Zeit viel sprechen. Wir sind auf alles vorbereitet. Im Sommer haben wir für die Positionen verschiedene Profile erstellt, die wir dem jeweiligen Spieler zeigen können, damit er schnell versteht, was wir mit ihm vorhaben.
Das deutsche Trainerteam legt viel Wert auf Flexibilität einzelner Spieler. Gilt das auch fürs System? Also braucht es dann nicht auch die Option eines echten Mittelstürmers wie Füllkrug?
Wir wägen aktuell viel ab, welche Spielertypen und damit auch Experten wir brauchen. Wenn wir jemanden für die letzten 20 Minuten brauchen, der ein Strafraumstürmer und immer für ein Tor gut ist, ist er natürlich eine Option. Aber es wird nach Spielen wie gegen Ungarn oder England schnell nur darauf geschaut, wer im Sturm nicht dabei war. Dabei sollten wir auch darauf schauen, was schon vorher schiefgelaufen ist. Denn unsere Strafraumbesetzung als Mannschaft war nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben.
Sie sprachen eben von möglichen Überraschungen. Das könnte aber auch bedeuten, dass der Bundestrainer unangenehme Entscheidungen treffen und gestandene Spieler zu Hause lassen muss.
Klar, damit müssen wir rechnen. Es wird für einige Spieler schmerzhaft. Alle wollen mit Deutschland zur WM. Aber wir müssen überlegen, was für den Kader das Beste ist. Da spielt nicht nur die taktische Funktion der Spieler eine Rolle, sondern auch das Zwischenmenschliche. Dabei geht es um Teamführung, Energie und Stimmung. Auch bei einem 26-Mann-Kader können nur 11 Spieler von Beginn an spielen, 15 sitzen auf der Bank, von denen wir 5 einwechseln können. 10 Spieler werden also vielleicht wenig bis gar nicht zum Einsatz kommen. Und da müssen die Jungs bereit sein, im Training alles zu geben und die anderen zu pushen, auch wenn sie selbst im Spiel auf der Bank sitzen.
Wie weit sind Sie in der Kaderfindung?
Das ist in Prozenten schwierig zu sagen, aber zwei Drittel der Spieler stehen circa fest. Beim Rest schauen wir auch nach Akteuren, die auf mehreren Positionen eingesetzt werden und daher "Hybridspieler" für uns sein können.
Relativ unklar ist die Lage bei Florian Wirtz, der sich im März das Kreuzband gerissen und bisher noch kein Pflichtspiel gemacht hat. Wie stehen seine Chancen auf die WM?
Seine Leistungen im Aufbautraining sind hervorragend, da bekommen wir positives Feedback. Flo hat sehr viel Qualität, ist ein unheimlich guter Spieler zwischen den Linien und kann einen gefährlichen Pass spielen. Er arbeitet extrem fokussiert und will auch im Training jedes Spiel gewinnen. So ein Typ gibt uns viel. Deswegen verfolgen wir seine Genesung sehr genau. Das gilt auch für Lukas Klostermann aus Leipzig. Wir wollen herausfinden, ob solche Spielertypen für die WM bereit sind und wenn ja, in welcher Form. Also: Wann wäre er im Turnier einsetzbar?
Das heißt, Sie würden auch einen Spieler mitnehmen, für den das Auftaktspiel zu früh kommt, der aber in der zweiten oder dritten Partie eine Option wäre?
Das ist möglich. Anders ist die Lage leider bei Florian Neuhaus. Bei ihm ist abzusehen, dass es leider nicht reichen wird. Da sieht es bei Florian Wirtz und Lukas Klostermann deutlich besser aus. Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir jemanden mitnehmen, der noch keine Minute gespielt hat. Aber es wäre wünschenswert, dass zumindest eine Partie gespielt werden konnte.
- Video-Telefonat mit Danny Röhl. Das Gespräch fand am 24. Oktober 2022 statt.