Russland und Katar Neue Bestechungsvorwürfe um WM-Vergabe
Es klingt wie ein Krimi: Bestechung, Strohfirmen in der Karibik und Funktionäre, die illegal Geld erhalten haben. All das soll bei der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 passiert sein.
Zweieinhalb Jahre vor der Winter-WM in Katar werden der umstrittene Gastgeber und der Fußball-Weltverband FIFA von brisanten Details im US-Prozesskrimi erschüttert. Bestechung von insgesamt vier Ex-Funktionären, verschwörerische Mails, Zahlungen über Strohfirmen in der Karibik: So deutlich wie nie zuvor skizziert die Staatsanwaltschaft auf 70 Seiten in einer offiziellen Anklageschrift auch den angeblichen Betrug bei den WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022.
Nach jahrelangen Ermittlungen und mehr als 40 Anklagen im FIFA-Korruptionsskandal setzen die Anschuldigungen der amerikanischen Strafverfolgungsbehörden die katarischen WM-Ausrichter unter Druck - und könnten Rufe nach Konsequenzen wieder aufleben lassen. Eine Neuvergabe ist aus Expertensicht aber unrealistisch.
Fifa verspricht "vollständige Kooperation"
Die FIFA kündigte auf Anfrage an, weitere Informationen des US-Justizministeriums einholen zu wollen und versprach weiterhin "vollständige Kooperation" mit den Behörden. Die Organisatoren im Wüstenstaat äußerten sich zunächst nicht, in der Vergangenheit hatten sie derartige Vorwürfe stets zurückgewiesen.
In der Anklage vor einem Bundesgericht in Brooklyn, die am 6. April veröffentlicht wurde, wird drei Medienrechtehändlern und einem Unternehmen aus Uruguay Überweisungsbetrug und Geldwäsche vorgeworfen. Zündstoff findet sich aber auch in den weiteren Unterpunkten zu den Ermittlungen.
Drei Funktionäre erhielten Schmiergeld
Demnach sollen drei südamerikanische Funktionäre Gelder für ihre Stimme an Katar erhalten haben: Der inzwischen gestorbene Nicolás Leoz, damaliger Chef des südamerikanischen Kontinentalverbands; Ricardo Teixeira, Ex-Fußballchef Brasiliens, der wegen anderer Delikte lebenslang von der FIFA gesperrt wurde; und ein namentlich nicht genannter Mitverschwörer, der hohe Positionen in der FIFA und dem argentinischen Fußball innehatte.
"Bei Korruption kommt es immer darauf an, dass eine Zahlung mit einer Handlung in Verbindung gebracht wird. Da sind wir keinen Schritt weiter", sagte Anti-Korruptionsexpertin Sylvia Schenk zu den Vorwürfen rund um den Katar-Zuschlag. "Es fehlt an wesentlichen Fakten: Wer hat wie viel gezahlt und wie war die Verknüpfung."
Entschädigung für Mitbewerber möglich
Auch mit einer WM-Neuvergabe rechnet die Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International Deutschland nicht: "Aufgrund der finanziellen Folgen und der zu erwartenden Dauer des Verfahrens würde jedes Gericht der Welt zur Entscheidung kommen, dass dies nicht rückabgewickelt wird." Es könnte aber zu Entschädigungsansprüchen der unterlegenen Bewerber kommen, sollten diese klagen.
Bereits vor knapp zweieinhalb Jahren hatte Kronzeuge Alejandro Burzaco, Ex-Chef einer argentinischen Sportmarketingfirma, ausgesagt, dass der frühere FIFA-Vize Julio Grondona bei der WM-Vergabe an Katar mehr als 800.000 Euro erhalten haben soll. Schon darin hatte Gianni Infantino keinen Anlass für neue Schritte gegen Katar gesehen: "Unglücklicherweise gibt es eine schlechte Vergangenheit. Wir müssen lernen und nach vorne schauen", sagte der FIFA-Chef im Dezember 2017.
Auch rund um die Vergabe der WM 2018 an Russland gibt es erneut schwere Vorwürfe. Laut Anklage soll der mittlerweile lebenslang gesperrte Jack Warner für seine Stimme fünf Millionen US-Dollar an Schmiergeld erhalten haben - gezahlt über zehn Offshore-Strohfirmen in mehr als zwei Dutzend Überweisungen. Der Name des nachweislich korrupten Ex-FIFA-Vizes aus Trinidad und Tobago tauchte auch im Skandal um die WM 2006 in Zusammenhang mit einem Vertragsentwurf auf.
Kreml weist Vorwürfe zurück
Ein Kremlsprecher wies die Vorwürfe "kategorisch zurück". Auch der Ex-Chef des russischen WM-Organisationskomitees, Alexej Sorokin, betonte, dass man keine Funktionäre gekauft habe. "Das ist nur eine Meinung von Juristen", sagte er mit Blick auf die Anklageschrift.
Diese zitiert aus E-Mails, die der Partner eines Beraters des Ex-FIFA-Präsidenten Joseph Blatter an Warners Assistenten geschrieben haben soll: "Weise ihn freundlich darauf hin, das, "was vereinbart wurde, diese Woche getan wird"" Sollte sich der "liebe Freund" nicht an "Versprechen" halten, würde das dem Schreibenden "persönlich extreme Schwierigkeiten" verursachen. Ex-Funktionär Rafael Salguero aus Guatemala soll laut Anklage zumindest auch eine Million US-Dollar für seine Stimme an Russland geboten worden sein.
Eine Untersuchung unter der Leitung des früheren Chefs der FIFA-Ethikkommission, Michael Garcia, hatte viele verdächtige Details im Zuge der Vergabe an Russland und Katar hervorgebracht, Bestechung der Wahlmänner aber nicht belegen können. Zwei Millionen US-Dollar seien beispielsweise auf dem Konto einer zehn Jahre alten Tochter eines Mitglieds der FIFA-Exekutive gelandet, hieß es bei der Veröffentlichung des Reports 2017. Der Bericht stellte aber auch fest, dass es "keinen Beweis in den Protokollen" für eine Verbindung der Zahlung zur Katar-Bewerbung gebe.
Nach den ersten Festnahmen von FIFA-Funktionären kurz vor der Wiederwahl des damaligen Weltverbandschefs Blatter im Mai 2015 gab es Anklagen gegen 42 Personen, 26 wurden öffentlich bekannt. Der frühere Kontinentalpräsident Juan Àngel Napout sitzt in Florida im Gefängnis. Der ehemalige Chef des brasilianischen Fußballs, José Maria Marin, wurde zuletzt wegen der Coronavirus-Pandemie aus der Haft entlassen. Zahlreiche Angeklagte warten noch auf ihr Urteil.
- Nachrichtenagentur dpa