WM-Gastgeber jubelt "Russland widerspricht jeglicher Logik"
Der Ausrichter des Turniers überrascht mit starken Leistungen und steht vor einem fast historischen Erfolg – und die Kritiker verstummen.
Tanzende Fans in den Straßen, überall Fahnenmeere und Autokorsos mit Hupkonzerten: Russland hat bei der WM den zweiten Sieg im zweiten Spiel mit südländischer Ausgelassenheit bis in die frühen Morgenstunden gefeiert. Der 3:1-Sieg über Ägypten hat das lang zweifelnde Land endgültig in WM-Euphorie versetzt. Zwei Spiele, zwei Siege, Torverhältnis 8:1 – nie ist ein WM-Gastgeber besser in ein Turnier gestartet.
Die "Rossija! Rossija!"-Rufe waren nicht nur rund um den Roten Platz im Zentrum Moskaus zu hören. Am Spielort St. Petersburg steppte der Bär genauso wie in Kaliningrad oder Jekaterinburg. Kein Wunder, denn die Sbornaja zeigte gegen Ägypten erneut einen beherzten Auftritt und steht erstmals seit 1986 bei einer WM vor dem Einzug in die K.-o.-Runde.
"Wir sind mit großen Hoffnungen in dieses Turnier gestartet und wollten, dass unser Publikum diese Zeit genießen kann. Das ist bislang gelungen", sagte Russlands neuer Star Denis Tscheryschew im ZDF. Noch am Mittwochmorgen sah man in der russischen Hauptstadt die letzten Feierwütigen mit der russischen Fahne um die Schulter über die Bürgersteige schleichen. Dabei war der Gang häufig sehr schwankend.
"Ein Schritt in die richtige Richtung"
Alles andere als schwankend in seinen Leistungen ist Tscheryschew. Der Mittelfeldspieler von Villarreal sorgte mit dem Treffer zum 2:0 (59.) für die Vorentscheidung. Dass Tscheryschew nach seinem Doppelpack gegen Saudi-Arabien nun schon drei WM-Tore geschossen hat und mit Superstar Ronaldo gleichgezogen ist, ließ den neuen russischen Hoffnungsträger eher kalt: "Das ist eine schöne Geschichte, aber wichtig ist der Erfolg der Mannschaft."
Russlands Trainer Stanislaw Tschertschessow wurde hingegen gefeiert und tatsächlich bereits gefragt, ob seine Mannschaft auch Weltmeister werden könne. "Wir haben einen Schritt in die richtige Richtung getan", entgegnete der frühere Bundesliga-Torwart von Dynamo Dresden und wollte sich nicht zu markigen Sprüchen hinreißen lassen.
"Wir fliegen über das Spielfeld"
Der kauzige Schnauzbartträger war bemüht, die Mannschaft und sich selbst nach dem erneuten Erfolg auf dem Boden zu halten. Auf die Frage, ob es sich um den schönsten Tag seines Lebens handeln würde, sagte der Coach: "Ich hoffe, dass es davon noch viele weitere geben wird."
Die russische Presse zeigte sich dagegen viel euphorischer:
"Sowjetski Sport": "Wir fliegen über das Spielfeld. Ganz egal, was kommt, wir werden uns immer an diese Tage erinnern. Wir waren schneller, taktisch besser und leidenschaftlicher als die Ägypter."
"Sport-Express": "Wir haben nicht an das Team geglaubt, jetzt schenkt es uns viel Freude. Ganz egal, wohin diese Reise führt. Ob es nach dem Achtelfinale zu Ende sein wird oder noch weiter geht – wir müssen uns bei diesem Team entschuldigen."
Auch das spanische Fachblatt "AS" lobte den Auftritt der Mannschaft: "Russland widerspricht jeglicher Logik. Ein komfortables und souveränes 3:1 gegen Ägypten verdeutlicht, zu was diese Mannschaft in der Lage ist."
- sid