Nach Testspiel in Katar Köln-Profi: "Wie kann man da eine WM ausrichten?"
Seit der Vergabe der Weltmeisterschaft 2022 an Katar diskutieren Funktionäre, Fans und Experten über Sinn und Unsinn des Turniers in der Wüste. Über heißes Klima, Arbeitsbedingungen und Sklavereivorwürfe. Dominic Maroh hat in dem Emirat vor wenigen Tagen mit der slowenischen Nationalmannschaft ein Testspiel absolviert. Dabei boten sich dem dem Verteidiger des 1. FC Köln teilweise erschreckende Bilder. In einem Interview mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger" erzählt der 28-Jährige von seinen Eindrücken: "Wie kann man da eine WM ausrichten? Das war mein erster Gedanke."
Maroh berichtet davon, dass er sich mit Kollegen vor Ort umgeschaut und schlimme Dinge zu Gesicht bekommen hat. "Wir standen an einer Ampel, als sie an uns vorbeigefahren sind. Es war für mich erschütternd zu sehen: Es waren keine einheimischen Arbeiter, sie lagen in Baubekleidung über die Sitze gebeugt und hatten noch Tücher umgelegt, um den Sand nicht einzuatmen. Man hat sofort gesehen: Sie waren fix und fertig", sagte Maroh.
Auch wenn er nur einen sehr kleinen Einblick bekommen habe, hätte sich ihm die Sinnfrage aufgedrängt: "Ich war nicht lange da. Aber wir sind einen halben Tag ein bisschen rausgefahren und konnten die Atmosphäre spüren. Ich kenne mich nicht mit den Hintergründen aus und kann als Fußballer viele Dinge sicher nicht beurteilen. Aber spontan habe ich mich gefragt: Wie kann man da eine WM ausrichten?“
"Kann mir nicht vorstellen, wie Fans dort Spaß haben können"
Während hierzulande viele Funktionäre wie beispielsweise Franz Beckenbauer die Bedingungen schönreden ("Ich habe dort keine Sklaven in Ketten gesehen, die laufen alle frei rum"), kritisierte Maroh, dass man diesen Aspekt ignoriere. "Wenn man dann noch hört, dass Menschen auf den Baustellen sterben, unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten oder nicht den versprochenen Lohn bekommen, kann ich mir gar nicht vorstellen, wie man als Fan dort Spaß haben kann", so der Deutsch-Slowene.
Im Sommer des vergangenen Jahres hatte der "Guardian" von zahlreichen Todesopfern auf den Baustellen der WM-Stadien berichtet. Laut der britischen Zeitung starb auf den Baustellen in den Sommermonaten jeden Tag mindestens ein Arbeiter, allein 185 Gastarbeiter aus Nepal seien zu Tode gekommen. Amnesty International hatte die Arbeits- und Lebensbedingungen als "alarmierendes Ausmaß an Ausbeutung bis hin zu Zwangsarbeit" bezeichnet und prangerte katastrophale Wohn- und Arbeitsbedingungen, indiskutable Hygienebedingungen, nicht bezahlte Gehälter und Perspektivlosigkeit an.
Nur 100 Fans bei einem Länderspiel
Vom Testspiel selbst wusste Maroh auch nur wenig Erbauliches zu berichten. Die Europäer gewannen mit 1:0, wobei sich "nicht einmal 100 Fans" in der Arena eingefunden hatten. "Im Stadion waren nur ein paar Scheichs, die auf ihren Sofas gesessen haben. Also wirklich: auf Sofas. Da gab es eine Tribüne, und darüber Glasscheiben. Dahinter sieht man die Sofas, riesige Pflanzen und eben Scheichs, die kurz bei der Hymne applaudieren und ansonsten eher gelangweilt rumsitzen", so Maroh.
Gänzlich abgeschrieben hat er das Projekt allerdings noch nicht, auch wenn der Kölner nur wenig Hoffnung hat: "Es kann bis 2022 noch viel passieren und Katar befindet sich ja noch im Aufbruch. Stand heute kann ich mir eine Fußball-WM in Katar nur schwer vorstellen - aber ich lasse mich gern eines Besseren belehren."