Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Aufregung um Göring-Eckardts Tweet Finger weg vom Fußball
Katrin Göring-Eckardt hat mit einem Tweet zur deutschen Nationalmannschaft für Aufregung gesorgt. Manche ärgern sich nur über ihn, andere halten ihn gar für rassistisch gegenüber Weißen.
"Diese Mannschaft ist wirklich großartig", postete Katrin Göring-Eckardt kurz nach dem Schlusspfiff der Partie Deutschland gegen Ungarn auf der Social-Media-Plattform "X". Und setzte dahinter: "Stellt euch vor, da wären nur weiße deutsche Spieler".
Nach einem mittelprächtigen Shitstorm ruderte die Grünen-Politikerin zurück. Sie löschte den Tweet und erklärte sinngemäß, sie habe nicht Menschen anhand ihrer Hautfarben unterscheiden wollen, sondern lediglich ein Zeichen setzen wollen gegen das Ergebnis einer kürzlich vom WDR in Auftrag gegebenen Umfrage, wonach sich 21 Prozent der Deutschen eine "weißere" Nationalmannschaft wünschen. "Ist die Aufregung um Göring-Eckardts Tweet unnötig und übertrieben?"
Viel Lärm um nichts
Die Aufregung um den Tweet von Katrin Göring-Eckardt kommt aus zwei Ecken. Aus der einen ist er kurzsichtig, wenn nicht dümmlich, aus der anderen ist er geradezu bösartig.
Die eine, eher linke Ecke unterstellt der Grünen-Politikerin, die ihr Leben lang gegen Diskriminierung gekämpft hat, Rassismus, weil sie auf Unterschiede aufmerksam machen wollte, die unsere Gesellschaft ausmachen und bereichern. Diese Kritiker übersehen völlig, dass Göring-Eckardt die Unterschiede feiert. Sie feiert die Vielfalt. Sie feiert, wie schön es doch ist, dass Deutschland vielfältig und bunt ist. Und sie jubelt, dass die deutsche Nationalmannschaft genau das widerspiegelt – was Rechtspopulisten und Rechtsradikale übrigens nicht gern sehen. Teile der gesellschaftlichen Linken halten jedes Erwähnen von Unterschieden schon für rassistisch und merken nicht, wie sehr sie rechtsradikalen Kräften dabei in die Karten spielen.
Wer die Intention von Göring-Eckardt nicht erkennt, beurteilt nur den zweiten Teil des Tweets und unterschlägt den ersten: "Diese Mannschaft ist wirklich großartig."
Die andere Gruppe, die ihr Vorwürfe macht, kommt – das ist nicht sonderlich überraschend – aus der rechten oder im Fall von FDP-Querulant Wolfgang Kubicki aus der populistischen Ecke. Da wird ihr Rassismus gegen Weiße unterstellt. Ihr wird vorgehalten, sie wolle verschiedene Hautfarben gegeneinander ausspielen.
Dieser Vorwurf ist besonders perfide. Denn sie tut genau das Gegenteil. Göring-Eckardt hat mit ihrem Tweet jede Hautfarbe, jeden Menschen mit welchem Hintergrund auch immer einfach nur in den einen Topf geworfen, der eben Deutschland ist. Das ist nicht Gegeneinander-Auspielen, sondern Zusammenspielen. Und das tut unsere Nationalmannschaft auf so großartige Weise.
Was bleibt also am Ende der Aufregung und der Diskussion übrig? Viel Lärm um nichts, wie Shakespeare schon wusste.
Finger weg vom Fußball
Armbinden, Schweigegesten, Katar-Debatten, Erdoğan-Fotos: Wie ein Goldfisch, der immer wieder gegen die Glaswand paddelt, hat sich die Nationalmannschaft vor den letzten großen Turnieren mit ideologischen Debatten und gratismutiger Symbolik auftanken lassen. Um dann sportlich krachend zu scheitern.
Dieses Jahr nicht. Gott sei Dank, möchte man an der Eckfahne kniend jubeln. Keine Ablenkung, selbst das pinkfarbene Trikot wurde entspannt moderiert. Und zack: Der Ball läuft, der Fokus stimmt, die Stimmung steigt, die Tore fallen, Achtelfinale geschafft. Gut gemacht. Spaß statt Streit. Für uns alle.
Mitten in Deutschlands neuer Freude an "Fußball pur" glaubte nun Katrin Göring-Eckardt ihren schwarz-weißen Post flanken zu müssen. Sachlich hat sie zwar recht: Natürlich wäre dieses tolle Team ohne Rüdiger und Tah, ohne Musiala und Gündoğan und wie sie alle heißen, eine Klasse schwächer.
Aber darum ging es der für ihre steilen Tweets berüchtigten Politikerin gar nicht. Ein paar Minuten nach Schlusspfiff, mitten im Freudentaumel derer, die Fußball wirklich lieben, wollte Katrin Göring-Eckardt einfach nachtreten gegen die über 20 Prozent der Deutschen, die einer viel zu steil verkauften Umfrage des WDR zufolge eine "weißere" Nationalmannschaft wollen (umgekehrt finden natürlich gut 80 Prozent der Deutschen die Nationalelf völlig in Ordnung): "Stellt Euch kurz vor, da wären nur weiße deutsche Spieler", höhnte sie.
Wer eine zu Recht fast wieder vergessene Umfrage in diesem Moment des Jubels aufwärmt, der instrumentalisiert den Fußball. Nicht aus Versehen, nicht nur schlecht formuliert. Sondern ganz gezielt. Der polarisiert da, wo wir die verbindende Wirkung dieses tollen Sports gerade brauchen könnten. Andere tun es mit Antonio Rüdigers Zeigefinger. Göring-Eckardt tat es hier. Das ist ärgerlich, schädlich und wird weder der Mannschaft noch diesem Turnier noch den vielen Millionen Fans gerecht, die selbstverständlich in ihrer Freude keinen Unterschied machen zwischen Hautfarben und Religionen.
Trotzdem debattieren wir nun darüber, ob ihr Tweet außerdem noch rassistisch gegen Weiße war. Fruchtlos, wie immer. Anstatt die Highlights des Spiels noch mal zu genießen und uns auf Sonntag zu freuen, aufs letzte Gruppenspiel gegen die Schweiz. Und wem nützt das? Sicher nicht dem Fußball. Deshalb: Lasst die Finger von ihm. Benutzt ihn nicht, lasst die Jungs in Ruhe kicken und uns in Frieden jubeln.
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