Zittern statt Zurücklehnen Schludrige Bayern vertändeln Vorentscheidung
Aus München berichtet Maximilian Miguletz
Die letzte große Chance als Sinnbild: Kurz vor Abpfiff spielte Arturo Vidal einen Traumpass auf den völlig freien Robert Lewandowski, doch der schloss nicht humorlos ab. Stattdessen wollte er noch einmal querlegen, verpatzte aber das Zuspiel und die Chance war dahin. Mit solchen Schludrigkeiten vergab der FC Bayern einen höheren Sieg – und ließ Benfica Lissabon für das Rückspiel im Champions-League-Viertelfinale hoffen.
Zwar bescherten die Münchner mit dem 1:0 Pep Guardiola den 116. Sieg in dessen 150. Pflichtspiel als Bayern-Trainer, doch die Art und Weise ließ zu wünschen übrig.
"Wir hatten nicht so viele Torchancen, wie wir uns gewünscht hätten. Und die wenigen haben wir nicht genutzt. Wir hätten gerne das zweite Tor gemacht", räumte Thomas Müller ein.
Erst "Europapokalsieg"-Gesang, dann Ernüchterung
Dabei begann der Abend in der Königsklasse wie gemalt: Vidals Blitztor nach nicht einmal zwei Minuten war die Verheißung auf einen torreichen Abend in der Königsklasse. Zumal die laut Guardiola "vielleicht beste Viererkette in Europa im Moment" den vielleicht größten Sicherheitsabstand in Europa offenbarte. Insbesondere Franck Ribéry wirbelte die Benfica-Abwehr zu Beginn gehörig durcheinander und verzückte die Münchner Arena.
Durch ebendiese brandete nach einer knappen halben Stunde erneut lauter Jubel. Allerdings nicht wegen einer Bayern-Aktion, sondern aufgrund der Videoleinwand. Dort leuchtete das Zwischenergebnis aus dem Parallelspiel aus: Der FC Barcelona, großer Favorit auf den Titel, lag gegen Atlético Madrid hinten. Die Fans in der Südkurve stimmten das "Europapokalsieger"-Lied an. Jubel, Trubel, Heiterkeit – bis sich, schleichend, etwas Ernüchterung breitmachte.
"Ein 1:0 muss auch mal reichen"
"Woche für Woche erwartet jeder einen Kantersieg, ein 1:0 muss auch mal reichen", sagte Torwart Manuel Neuer hinterher. Nun, es war der dritte 1:0-Sieg in Serie, das gab es zuletzt 2005. Dass dieses Ergebnis den Spielern womöglich doch nicht vollends ausreicht, zeigte eine Szene in der 53. Minute: Der fahrig agierende Thiago verlor leichtfertig den Ball, erkämpfte ihn sich zurück und passte ihn dann weiter zu den Teamkollegen. Anschließend schlug er zweimal wütend auf den Rasen ein, als liefe sein Team einem Rückstand hinterher.
Der portugiesische Rekordmeister erwies sich – nach der anfänglichen Schwächephase – als der schwierige Gegner, vor dem Guardiola zuvor gebetsmühlenartig gewarnt hatte. "Im Laufe der Partie haben sie sich besser auf uns eingestellt", konstatierte Müller und lobte Benfica als "wirklich gute Mannschaft".
Über weite Strecken der Partie ließ die Defensive von Lissabon kaum hochkarätige Chancen des FCB zu. Obendrein drohte die Partie zwischenzeitlich gar zu kippen, die Offensive um Jonas (fehlt im Rückspiel wegen einer Gelbsperre) brachte die Bayern-Hintermannschaft zwischenzeitlich regelrecht ins Schwimmen.
"Mehr Geilheit" ist gefordert
Entsprechend froh war Guardiola, dass es am Ende beim 1:0 blieb. "Ich bin sehr zufrieden, weil ich das Niveau unseres Gegners kenne. Großes Kompliment an mein Team", sagte der Coach und schloss mit einer Binsenweisheit: "Im Viertelfinale der Champions League ist immer das zweite Spiel entscheidend."
Dass das Hinspiel aber auch nicht vorentscheidend war, lag an der schlampigen Spielweise seiner Mannschaft. In Lissabon müssen die Bayern eine Schippe drauflegen, um sich nicht doch die erste Niederlage gegen Benfica einzufangen. "Wir wissen, dass es eine enge Kiste ist", sagte Neuer. Müller stellte klar: "Für das Rückspiel benötigen wir etwas mehr Geilheit und Esprit."