Bundesliga Herthas Coup: Magaths harte Hand gegen das Super-Chaos
Berlin (dpa) - Felix Magath sorgte erstmal für einen Systemabsturz. Für einige Minuten brach am Sonntagabend die Homepage von Hertha BSC zusammen. Überlastung könnte ein Grund gewesen sein, denn diese Nachricht entfachte Neugier und Erstaunen.
Der einst als "Quälix" und "Schleifer" zu Ehren gekommene Meister-Trainer des FC Bayern München und des VfL Wolfsburg soll nach langer Bundesliga-Abstinenz den Berliner Problem-Club vor dem Absturz in die Zweitklassigkeit retten. Seinen Ruf als Retter in der Not bewies er Anfang des Jahrtausends bei Eintracht Frankfurt und dem VfB Stuttgart.
"Die Vita von Felix Magath spricht für sich. Er hat schon vielfach bewiesen, dass er mit seiner Erfahrung in jeglicher sportlichen Situation an den richtigen Stellschrauben drehen kann, um uns aus unserer sportlich herausfordernden Lage herauszuführen", sagte Herthas Geschäftsführer Fredi Bobic.
Zehn Jahre war Magath seit dem Ende seines zweiten Wolfsburger Engagements 2012 nicht mehr in der Bundesliga am Ball. Mit dem Berliner Super-Chaos bei Hertha BSC wird der 68-Jährige, den viele schon in Rente wähnten, nun viel zu tun haben.
"Sehr klare Gespräche mit Fredi Bobic"
Seine Mission beschränkt sich auf die acht Spiele bis zum Saisonende. "Ich hatte sehr klare Gespräche mit Fredi Bobic. Uns ist die sportliche Lage bewusst. Ich bin bereit, mit all meiner Erfahrung dabei zu helfen, den Klassenerhalt zu erreichen. Wichtig ist jetzt die volle Fokussierung von allen auf die verbleibenden Spiele", sagte Magath.
In England hatte Magath nach seinem Abschied aus Deutschland als Trainer des FC Fulham 2014 keinen Erfolg. Es folgte nur noch ein kurzes Engagement in China. Zuletzt war er für die Firma Flyeralarm als Berater für die Würzburger Kickers und den österreichischen Club Admira Wacker Mödling engagiert.
Am Montag soll Magath um 13.00 Uhr bei einer Pressekonferenz in Berlin als Trainer vorgestellt werden. Das erste Spiel auf der Hertha-Bank ist die Partie am Samstag im Olympiastadion gegen die TSG 1899 Hoffenheim.
Korkut nach 104 Tagen gescheitert
Die Nachricht am späten Sonntagabend rundete aufreibende Berliner Stunden ab. Fredi Bobic hatte keine andere Wahl gehabt. Im Sonnenschein fuhr der Geschäftsführer von Hertha BSC um kurz nach zehn Uhr vor dem roten Backsteinhaus auf dem Olympia-Gelände vor. Keine 90 Minuten später war das Aus des von ihm selbst erst vor 104 Tagen als Trainer-Retter geholten Tayfun Korkut nach einer Krisensitzung der Hertha-Granden um Präsident Werner Gegenbauer auch offiziell besiegelt. Bobic brauste in seiner Elektro-Limousine schnell wieder davon.
"Nach verheißungsvollem Start haben wir nun offen und klar die Entwicklung der Leistungen und Ergebnisse analysiert. Wir sind zu dem Entschluss gekommen, eine nochmalige Veränderung vorzunehmen", ließ sich Bobic in einem Club-Statement zitieren.
Dass die Berliner nach dem 0:2 im Krisen-Gipfel bei Borussia Mönchengladbach und dem Absturz auf den 17. Tabellen-Platz Magath als siebten Trainer in knapp drei Jahren holen würden, ahnte da noch keiner. "Über die Nachfolge auf der Position des Cheftrainers werden wir informieren, sobald diese Personalie abschließend geklärt ist", hieß es in der recht schmalen Pressemitteilung. Neun Stunden später kam die Auflösung.
Magath soll dem als schwer trainierbar abgestempelten Team nun Beine machen. Am Sonntag absolvierten Herthas Ersatzspieler unter der Leitung von Sturm-Trainer und Club-Legende Vedad Ibisevic ihre Regenerationseinheit, die Torhüter trainierten unter Torwarttrainer Andreas Menger auf dem Platz.
Magath der vierte Trainer auf Herthas Payroll
Das ganze Hertha-Drama wird dadurch deutlich, dass Magath bis zum Sommer schon der vierte Trainer auf der Payroll sein wird, auf der neben Korkut auch noch dessen Vorgänger Bruno Labbadia und Pal Dardai stehen. Beide wären eigentlich gute Kandidaten in der aktuell komplizierten Lage gewesen, sind aber im schwierigen Hertha-Kosmos als erprobte Trainer-Retter schon verglüht.
Der Eindruck war kaum zu verwischen, dass die Suche auch für Bobic schwierig war. Die Big-City-Unruhe führte gerade in den letzten Tagen wieder zu einer bemitleidenswerten Außendarstellung, einer Berliner Parade-Disziplin. Kommentare von Investor Lars Windhorst zur neuesten Entwicklung gab es am Sonntag von seiner Seite erstmal nicht.
Der Tag nach dem 0:2 in Mönchengladbach, der fünften Niederlage in Serie, war erst noch für die branchenüblichen Floskeln reserviert. "Es bleiben noch acht Partien, um die nötigen Punkte für den Klassenerhalt zu holen. Mit dieser Entscheidung wollen wir alle Beteiligten nochmal intensiver für die Situation sensibilisieren. Wir setzen auf die positiven Effekte eines Neuanfangs", sagte Bobic.
Auch sein Image als Wunder-Manager steht auf dem Spiel, das weiß der 50-Jährige nach seinem zweiten Trainer-Rauswurf in den ersten gut acht Monaten seiner Berliner Amtszeit. An Dardai hatte er im Sommer 2021 nur festgehalten, um Kontinuität zu erzeugen. Der Plan ist schon lange futsch. Nun muss Magath die Hertha retten - und auch den Ruf von Bobic.