Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Klopp ein Großer? "Sechs Final-Pleiten in Serie sind kein Zufall"
Die Verletzung von Salah, die Patzer von Karius: Klopp selbst konnte wenig dafür, dass er mit Liverpool wieder mal ein Finale vergeigt hat. Ist er auch ohne diesen Titel ein großer Trainer?
An dieser Stelle kommentieren wöchentlich Florian Wichert (Head of Fußball und Sport bei t-online.de) und Heiko Ostendorp (Fußballchef beim Sportbuzzer) aktuelle Fußball-Themen. Diese Woche geht es um Jürgen Klopp.
Finalfluch wird langsam unheimlich
Jürgen Klopp verarbeitete den Frust über den geplatzten Champions-League-Traum im Morgengrauen bei einem ungewöhnlichen Privatkonzert mit Punk-Legende Campino. Gemeinsam mit dem Toten-Hosen-Sänger und Freunden schmetterte der Coach mit seiner Frau im Arm nach dem 1:3 des FC Liverpool gegen Real Madrid einen Song: "Wir haben den Henkelpott gesehen, er war so wunder-, wunderschön, er musste leider nach Madrid, wir holen ihn nächstes Jahr zurück", sang die illustre wie fröhliche Gruppe, zu der auch Moderator Johannes B. Kerner gehörte.
Klopp wird von einem unheimlich werdenden Finalfluch verfolgt. Mit Liverpool und Borussia Dortmund zuvor hat er die letzten sechs Endspiele verloren. Was zu der Frage führt:
Ist Klopp schon ein ganz großer Trainer?
Ja, die Handschrift ist entscheidend
Was macht einen internationalen Top-Trainer wirklich aus? Misst man ihn an Titeln? Klar – aber das sollte längst nicht das einzige Kriterium sein. Viel wichtiger sind eine klar erkennbare Philosophie, Ansehen und die Frage, was er aus seinen Möglichkeiten macht.
Jürgen Klopp hat in Mainz eine Ära geprägt, in Dortmund mit einem Double und einer weiteren Meisterschaft sowieso – und auch in Liverpool ist er auf dem besten Weg dazu. Ehemalige Spieler und Bosse: Alle schwärmen von ihm. Seine Mannschaften spielen offensiv, attraktiv, berauschend. Sie stehen für Pressing und Umschaltspiel in Perfektion. Wer sie spielen sieht, erkennt blind, wer ihr Trainer ist.
Klopp hat sechs Endspiele hintereinander verloren, aber es wäre fatal, die letzten Jahre darauf zu reduzieren. Entscheidend ist, dass er diese Finals überhaupt erreicht hat. Mit Underdogs wie Dortmund 2013 und Liverpool 2018 in beeindruckender Manier ins Finale der Champions League einzuziehen, ist das Werk eines ganz großen Trainers.
Nein, dafür braucht Klopp wieder Titel
Für den FC Liverpool ging am Sonnabend so ziemlich alles schief, was schiefgehen kann. Erst verletzte sich Superstar Mohamed Salah und musste ausgewechselt werden. Und als das Team von Jürgen Klopp dank toller Moral nach dem 0:1 zurückkam, patzte Luis Karius epochal und leitete die 1:3-Pleite ein.
Dumm gelaufen, klar. Aber sechs Final-Niederlagen in Serie sind kein Zufall. Sechsmal ging Klopp mittlerweile in einem Endspiel als Verlierer vom Platz. Unbestritten war bereits die Teilnahme am Champions-League-Finale eine sensationelle Leistung, an der er seinen Anteil hat. Allerdings reden wir darüber, ob er schon ein ganz großer Trainer ist.
Ich sage Nein. Denn um in einem Atemzug mit Pep Guardiola, José Mourinho oder Jupp Heynckes genannt zu werden, braucht Klopp endlich wieder Titel. Mit Borussia Dortmund hat er bewiesen, dass er durchaus Trophäen holen kann – drei an der Zahl. Nur liegt der letzte Titelgewinn auch schon sechs Jahre zurück.
Zinédine Zidane gewann in den letzten drei Jahren übrigens drei Mal die Königsklasse.
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