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Boxen | Fury besiegt Wilder: Ein Kampf, der einem Angst macht


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Fury gegen Wilder III
Wow!


Aktualisiert am 10.10.2021Lesedauer: 5 Min.
Wüste Keilerei: Der Kampf zwischen Tyson Fury und Deontay Wilder hatte so ziemlich alles, was das Schwergewichts-Boxen bietet: Leidenschaft, Schmerzen und gewaltige Emotionen.Vergrößern des Bildes
Wüste Keilerei: Der Kampf zwischen Tyson Fury und Deontay Wilder hatte so ziemlich alles, was das Schwergewichts-Boxen bietet: Leidenschaft, Schmerzen und gewaltige Emotionen. (Quelle: getty-images-bilder)

Das dritte Duell zwischen Tyson Fury und Deontay Wilder wurde zu einem der härtesten Schwergewichts-Fights aller Zeiten. Beide Boxer prügelten wie wild aufeinander ein. Dennoch kam das Ende überraschend.

Gott schaute in Runde vier vorbei. Als den Zuschauern am Ring in Las Vegas schon längst die Münder offen standen und es so aussah, als würde dieser brutale Faustkampf zwischen Titelverteidiger Tyson Fury und seinem Herausforderer Deontay Wilder ein sicheres Ende finden, da stieg der Allmächtige persönlich in die Wüste Nevadas herab und half Fury wieder auf die Beine. So jedenfalls berichtete es der alte und neue WBC-Weltmeister nach dem Kampf. Dass er den Fight als Sieger überstanden hatte, verdanke er alleine Gott, so Fury.

Selbst spirituell unbedarften Geistern musste diese Erklärung logisch erscheinen. Denn anders war kaum zu fassen, dass Fury, der nach einem schweren Treffer bereits wie ein Käfer im Ringstaub lag und mit leerem Blick ins Nirwana schaute, in dieser vierten Runde noch einmal aufgestanden war. Der 33-jährige Brite bewies wie schon im ersten Duell dieser Box-Trilogie erstaunliche Comeback-Qualitäten und dominierte den Kampf, in dem er schon wie der sichere Verlierer ausgesehen hatte. "Wenn es ernst wird, bin ich zur Stelle", feixte Fury hinterher.

In diesem dritten Duell mit Wilder konnte er aber zunächst nicht glänzen, weil der Amerikaner ab dem ersten Gong in den Vorwärtsgang schaltete, immer wieder gute Körpertreffer setzte und dem Titelverteidiger den Laufweg abschnitt. Nach anderthalb guten Runden fiel der Amerikaner aber wieder in sein bekanntes Phlegma zurück und überlies Fury großzügig die Initiative. Der legte sich die K.o-Maschine aus Alabama nun mit der Führhand zurecht, überzeugte durch variables Schlagrepertoire und clevere Beinarbeit und drängte den Kontrahenten in die Seile. In Runde drei klingelte es dann zum ersten Mal heftig an Wilders Schläfe. Zweimal ging der 35-Jährige

zu Boden. Doch er stand wieder auf und schickte Fury seinerseits in Runde vier auf die Bretter.

Güterzüge, die ineinander rasen

Alleine diese ersten vier Durchgänge des Kampfes waren das Eintrittsgeld wert. Und was die Zuschauer da noch nicht wussten: Es war erst der Auftakt für eine epische Ringschlacht, die in Runde elf mit dem gottweißwievielten Niederschlag Wilders beendet werden sollte. Als Ringrichter Russell Mora den Kampf endlich abbrach, den bemitleidenswerten Wilder so vor weiteren Kopftreffern bewahrte und Fury zum Sieger durch technischen K.o. erklärte, kramten die Kommentatoren verzweifelt nach Superlativen. Wow!

Das Gefecht war in der Tat eines der intensivsten WM-Duelle der Boxgeschichte. Sowohl Fury, aber noch mehr Wilder steckten quasi im Minutentakt härteste Punches ein. Wie zwei Güterzüge rasten die beiden Schwergewichte immer wieder ineinander, verhakten sich, malträtierten ihre Körper aus der Nahdistanz – der Ringrichter hatte alle Mühe, die 127 (Fury) und 125,6 Kilogramm (Wilder) schweren Kolosse zu trennen. Ab der fünften Runde lief Wilder Blut aus Mund und Ohren, Furys linkes Auge schwoll zu, eine Risswunde am anderen Auge machte ihm zu schaffen. Dennoch prügelten die beiden Boxer weiter wild aufeinander ein. Ohne Deckung, ohne Hemmung. Es ging zu wie in der Fleischerei.

Beängstigend, was dieser Mann einstecken musste

Am Ende zählten die Statistiker 268 Power Punches für Fury und 253 für Wilder. Nur 63 davon konnte Wilder ins Ziel bringen (25%), sein Widersacher dagegen 114 (43%). Allein diese Schlagungenauigkeit des Herausforderers zeugt von dessen Unterlegenheit.

Wilder hatte dem boxerischen Können des Briten nichts entgegenzusetzen – außer seinen Durchhaltewillen. Dass er die Halle auf eigenen Beinen stehend verlassen konnte, war eine Überraschung und wohl die beste Nachricht dieses Abends. Es musste einem Angst machen, wie häufig sein Kopf von schweren Fäusten getroffen wurde. Der 2,01 Meter große Modellathlet sah hinterher aus, als ob er von einem Dampfhammer bearbeitet worden war.

Er verließ den Ring fluchtartig, nahm auch die Glückwünsche des Weltmeisters nicht mehr an. Mental schien er nach dieser neuerlichen Niederlage (die ersten beiden Fights hatte er nach Ansicht der meisten Beobachter deutlich verloren) noch angeschlagener zu sein, als es sein zerbeultes Gesicht vermuten ließ. "Er hat ein Problem", sagte Fury im Interview nach dem Kampf. "Aber ich bete für ihn."

Es war der letzte verbale Haken, den Wilder schlucken musste. Psychisch wird dieser dritte Kampf nicht leicht zu verarbeiten sein und auch sportlich muss sich der 35-Jährige nun wieder hinten anstellen im Schwergewicht.

Ein unlösbares Enigma namens Tyson Fury

Fury dagegen darf sich mit einigem Recht als bester Boxer seiner Gewichtsklasse bezeichnen. Und auch wenn er nur den Gürtel des World Boxing Council (WBC) und den eher unbedeutenden Titel des Ring Magazine trägt, kommt im Schwergewicht niemand an ihm vorbei. Seit Jahren ist er der konstanteste Faustkämpfer in der Königsklasse des Boxens. Er hat inzwischen schon so viele Rückschläge gemeistert, privat wie auch im Ring, dass er für seine Gegner zum unlösbaren Enigma wird. Mit einer cleveren Auswahl seiner Coaches (dieses Mal wurde er von Sugar Hill Steward trainiert) und der erstaunlich flexiblen Umstellung seiner Kampftaktik beweist der früher als träge und unbeweglich gescholtene Fury zudem, dass er es mit jedem Gegner aufnehmen kann. Seine Entwicklung ist erstaunlich, seine boxerische Intelligenz herausragend.

Und dann natürlich diese Comebacks. Fury scheint unkaputtbar zu sein. So war es auch im ersten Duell im Dezember 2018 in Los Angeles. Damals hatte es nach zwei von Wilders fürchterlichen Rechten ebenfalls so ausgesehen, als würde Fury bereits mit den Engeln singen. Doch kurz bevor der Ringrichter ihn endgültig auszählen konnte, hampelte er wieder herum, als ob nichts gewesen sei und drehte das Duell noch.

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Fury sei auferstanden "wie der verdammte Undertaker", kalauerte der amerikanische Boxmanager Lou di Bella später. Der Undertaker, so viel sei gesagt, ist eine Figur aus der populären Wrestling-Serie WWF – ein als Bestattungsunternehmer verkleideter Haudrauf, der vor dem Kampf erst mal aus einem Sarg herausklettert.

Mit dem Karnevalshut durch Las Vegas

Nun hat Fury zwar ein paar Kilo mehr auf den Hüften als der Undertaker, aber seine Qualitäten als Stehaufmännchenn sind ebenfalls amtlich. Passenderweise trug Fury in den Tagen vor dem dritten Wilder-Fight den Hut des Undertakers als sichtbare Reminiszenz an das Idol der WWF durch Las Vegas. Boxkämpfe mit Fury sind halt immer auch sehr kurzweilige Karnevalsveranstaltungen. Mal kommt er als Batman in einem Supersportwagen angebraust, mal lässt er sich als Zigeunerkönig auf einem goldenen Thron in die Arena tragen, mal federt er als römischer Centurion zum Ring. Ihn flamboyant zu nennen, wäre untertrieben.

Den Abschluss der Trilogie gegen Wilder wird nun auch Oleksandr Usyk aufmerksam verfolgt haben. Der Ukrainer, wie Fury bekennender Christ, hatte vor zwei Wochen überraschend Anthony Joshua entthront und Fury damit das mit Spannung erwartete Duell der beiden britischen Schwergewichtler, den "Battle of Britain", vermasselt.

Usyk, amtierender Weltmeister der IBF, WBA und WBO, ist ein anderes Kaliber als Joshua und Wilder. Kein harter Puncher, sondern ein feiner Techniker, der mit dem Florett kämpft, nicht mit der Abrissbirne. Es wird spannend zu sehen sein, ob und wann dieses Titelvereinigungsduell stattfindet. Vorerst weiß das wohl nur der Herrgott.

Aber zu dem haben die beiden ja angeblich einen guten Draht.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtung
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