Stuttgart Südwesten nimmt bis zu 1100 afghanische Ortskräfte auf
Nach der Machtübernahme durch die militant-islamistischen Taliban in Afghanistan will Baden-Württemberg von dort bis zu 1100 bedrohte Ortskräfte und Verwandte aufnehmen. Die evakuierten Menschen würden nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt, sagte ein Sprecher des Justizministeriums der dpa am Mittwoch. Auf Baden-Württemberg entfielen daher 13 Prozent der Betroffenen.
Bei bundesweit nicht mehr als rund 8000 weiteren Ortskräften, von denen derzeit ausgegangen werde, sei die Zahl für Baden-Württemberg "überschaubar". Etwa 300 weitere Menschen, die in den vergangenen Jahren für deutsche Organisationen gearbeitet haben, seien in den vergangenen Monaten bereits aufgenommen worden.
Die Afghanen und ihre Verwandten werden nach Angaben des Justizministeriums direkt über die Landrats- und Bürgermeisterämter auf die Kreis und Kommunen verteilt. "In der Erstaufnahme müssen in Baden-Württemberg folglich keine zusätzlichen Plätze bereitgestellt werden", sagte der Sprecher.
Allerdings ist nach Einschätzung der baden-württembergischen Justizministerin Marion Gentges nicht sicher, wie hoch die Zahl der Aufnahmen am Ende sein wird. Es sei "gegenwärtig völlig unklar, wieweit und in welchem Umfang weitere Ortskräfte aus Afghanistan nach Baden-Württemberg kommen werden", heißt es in einem Schreiben der CDU-Ministerin an den Städte- und den Landkreistag, die Landräte und Oberbürgermeister der Stadtkreise. Die Lage vor Ort sei auch für den Bund mehr als unübersichtlich. Sie forderte schnelle Gespräche zwischen dem Bund und den Ländern "über weitere Folgen und Konsequenzen".
Einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur zufolge bereiten sich auch mehrere andere Bundesländer auf die kurzfristige Aufnahme von Hunderten Flüchtlingen vor. Nordrhein-Westfalen hat bereits erklärt, 1800 Menschen aufzunehmen. Niedersachsen stellt zunächst mindestens 400 Unterbringungsplätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes bereit. Bremen angekündigt, bis zu 150 Plätze für afghanische Ortskräfte und deren Familien anzubieten. Angebote gibt es auch aus Städten wie München, Nürnberg und Regensburg.
Nach dem Rückzug ausländischer Streitkräfte hatten die Taliban die Macht in Afghanistan rasch wieder an sich gebracht. Afghanen, die als Übersetzer, Fahrer oder andere Hilfskräfte für ausländische Organisationen gearbeitet haben, gelten als gefährdet. Die Evakuierung deutscher Staatsbürger und von Afghanen aus der von den Taliban übernommenen Hauptstadt Kabul hat unter chaotischen Umständen begonnen. Bei mehreren deutschen Rettungsflügen wurden zuletzt etwa 400 Menschen außer Landes gebracht. Die Bundeswehr war erst Ende Juni nach einem 20-jährigen Einsatz aus Afghanistan abgezogen.