Stuttgart Ganztagsbetreuung: SPD kritisiert Kretschmann als Bremser
Vor der Entscheidung im Bundesrat über den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder hat die SPD Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann als Bremser kritisiert. Der Grünen-Politiker droht, in der Länderkammer gegen das Gesetz zu stimmen, weil der Bund den Ländern dafür nicht genug Geld gebe. SPD-Landeschef Andreas Stoch sagte der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart: "Nachdem die CDU jahrzehntelang den Ausbau von Ganztagsschulen verhindert hat, steht nun der grüne Ministerpräsident Kretschmann einer Einigung mit dem Bund im Weg." Dabei mache dieser auch noch mit falschen Zahlen Stimmung gegen den vom Bundestag beschlossenen Gesetzentwurf. "Selbst mit einer nun grünen Kultusministerin an seiner Seite steht der bockige Kretschmann beim Ganztagsausbau quer im Stall."
Kultusminister Theresia Schopper (Grüne) sagte dazu am Donnerstag: "Wir müssen den Ausbau des Ganztags nicht nur vorantreiben, wir wollen das auch. Das ist mir wichtig." Sie fügte hinzu: "Aber der Bund steht hier finanziell mehr in der Pflicht als bisher." Kretschmann hatte am Dienstag erklärt, die grün-schwarze Koalition befürworte zwar den Ausbau der Betreuung, doch der Bund wolle von den Personal- und Betriebskosten nur zwölf Prozent übernehmen. Es müsse klar sein, dass Berlin die Hälfte finanzieren müsse.
Stoch sagte, das Gesetz sehe vor, dass der Bund 30 Prozent der Betriebskosten übernimmt. Außerdem sei das Land für den Ausbau der Ganztagsschulen und der Betreuung allein verantwortlich, schließlich sei Bildung Ländersache. "Es ist deswegen geradezu grotesk, wenn sich Kretschmann beschwert, dass der Bund zu wenig Geld gäbe, um seine eigenen politischen Versäumnisse auszubügeln", sagte der SPD-Partei- und -Fraktionschef.
Die Vize-Fraktionschefin der SPD im Bundestag, Katja Mast, erinnerte Kretschmann daran, dass die Grünen dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Bundestag auch zugestimmt hätten. Die vorgesehene Übernahme von 30 Prozent der Betriebskosten seien 960 Millionen Euro in der Endstufe. "Gerne bin ich der Landesregierung von Baden-Württemberg bei dieser sachlichen Aufklärung behilflich", sagte die Pforzheimer Abgeordnete. Die Pläne des Bundes sehen vor, dass die Eltern von Kindern, die ab dem Sommer 2026 eingeschult werden, in den ersten vier Schuljahren einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung bekommen. Der Bund stellt den Bundesländern Investitionshilfen von 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung.
Ob das Gesetz aber im Bundesrat an diesem Freitag durchgeht, ist noch unklar. Kretschmann will den Vermittlungsausschuss anrufen, um die Verteilung der Betriebskosten neu zu verhandeln. Auch Hessen und Niedersachsen haben Widerstand angekündigt. Im Finanzausschuss gab es breite Kritik an den Finanzzusagen des Bundes. Kretschmann hatte erklärt, auf Baden-Württemberg kämen im Endausbau im Jahr 2030 Kosten von einer Milliarde Euro zu. Der grüne Regierungschef wird von den Kommunen im Land unterstützt, die den Ausbau mitfinanzieren müssen. Der Gemeindetag geht für Baden-Württemberg davon aus, dass bis 2025 etwa 200 000 zusätzliche Plätze in der Ganztagsbetreuung bei rund 400 000 Grundschülern geschaffen werden müssen.
In ihrem Streit legen Bund und Länder unterschiedliche Berechnungen zugrunde. Das Deutsche Jugendinstitut hat zwei Szenarien entwickelt. Bei einem Ausbau von 820 000 Ganztagsplätzen bundesweit würden am Ende bis zu 3,2 Milliarden Euro für die Betriebskosten fällig. In der Tat wollte der Bund ursprünglich 12 Prozent davon übernehmen, hat dann aber auf 30 Prozent aufgestockt. Ein weiteres Szenario geht aber vom Ausbau von 1,1 Millionen Plätzen aus, mit dem auch die Länder rechnen. Hier lägen die Betriebskosten am Ende bei 4,5 Milliarden Euro. Der Bundesanteil von 960 Millionen Euro wären dann nur 21,5 Prozent.
Nach Zahlen der amtlichen Schulstatistik 2020 gibt es bisher bei knapp einem Drittel der Grundschulen im Südwesten Ganztagsbetreuung. Von den 2438 Grundschulen bieten 760 Betreuung am Nachmittag an. Allerdings ist die Teilnahme bei den meisten dieser Schulen (594) freiwillig. Das Ministerium erklärte, der Ausbau erfolge anhand des Betreuungsbedarfs, den man zwischen 55 Prozent bis maximal 80 Prozent aller Schülerinnen und Schüler in den Klassenstufen 1 bis 4 beziffere. Um überall Ganztagsplätze für Grundschüler zu garantieren, sind Investitionen in Räume und Ausstattung nötig und es müssen genügend Erzieherinnen und Erzieher gefunden werden.