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Flüchtlinge müssen Wertsachen abgeben - warum eigentlich?


Asyl
Flüchtlinge müssen Wertsachen abgeben - warum eigentlich?

Von dpa
Aktualisiert am 11.02.2025 - 14:37 UhrLesedauer: 3 Min.
Ankunftszentrum für FlüchtlingeVergrößern des Bildes
Im Heidelberger Ankunftszentrum werden den Flüchtlingen bei der Feststellung ihrer Identität bereits in einigen Fällen die Wertsachen abgenommen, wenn sie einen bestimmten Wert übersteigen. (Archivfoto) (Quelle: Uwe Anspach/dpa/dpa-bilder)
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Auch in Baden-Württemberg sollen Flüchtlinge bald Bargeld und Wertsachen abgeben müssen. Die Regel gibt es seit Jahrzehnten. Nur: Meistens haben die geflüchteten Menschen gar nichts.

Geflüchteten sollen künftig flächendeckend Wertgegenstände und Bargeld abgenommen werden, wenn diese bei der Prüfung ihrer Identität nach ihrer Ankunft im Erstaufnahmelager gefunden werden. Diese bundesweit bereits seit Jahrzehnten mögliche und auch des Öfteren praktizierte Regelung wird bislang nur im Ankunftszentrum Heidelberg durchgesetzt, wie das Justizministerium mitteilte. Jetzt will das Land die Vorgabe auf alle vier Landeserstaufnahmestellen ausweiten.

Was steckt dahinter? Und ist das gerecht?

Wird das nur in Baden-Württemberg so gemacht?

Keineswegs. Tatsächlich nehmen fast alle Bundesländer Asylbewerbern einen Teil ihres Vermögens ab – sofern welches vorhanden ist. Grundlage dafür sind die Paragrafen 7 und 7a des Asylbewerberleistungsgesetzes des Bundes (AsylbLG), beide stammen aus den 1990er Jahren. Dort heißt es aus dem juristischen Deutsch übersetzt: Hat ein Flüchtling Vermögen, muss er dieses erst aufbrauchen, bevor er Leistungen in Anspruch nehmen kann. In Heidelberg wird die Kann-Regelung laut Justizministerium seit 2017 umgesetzt.

Wozu wird das eingezogene Geld verwendet?

Mit dem eigenen Vermögen und Einkommen sollten laut Gesetz zunächst die Kosten für die Unterbringung ausgeglichen werden. Das ist vergleichbar mit der Bürgergeld-Regelung, wo der Leistungsbezug auch mit dem Vermögen verrechnet wird. Verlässt ein Asylbewerber die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes und wird einer Kommune zugewiesen, wird eventuell übrig gebliebenes Vermögen der Kommune überwiesen. Nachdem ein Asylsuchender als Flüchtling anerkannt wird, erhält er Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch.

Wie viel Geld oder wie viele Wertsachen werden beschlagnahmt?

Laut Ministerium wird im Südwesten ein Freibetrag von 200 Euro pro Flüchtling gewährt. Wird mehr sichergestellt, wird das Geld bis zu einem Höchstbetrag von 5.000 Euro einbehalten. Die Höhe dieser Freibeträge unterscheidet sich je nach Bundesland, weil die Umsetzung des AsylbLG Ländersache ist.

Wird das oft so gemacht im Ankunftszentrum Heidelberg?

Nein, bisher wird das nur vereinzelt gemacht und stets dann, wenn Flüchtlinge keinen Pass oder andere Dokumente vorlegen und untersucht werden, um ihre Identität festzustellen. Ziel sei es vor allem, Papiere zu finden. Und das lohne sich, hieß es: Im vergangenen Jahr wurden bei 2.100 Durchsuchungen im Ankunftszentrum in rund 750 Fällen Identitätsdokumente gefunden.

Ist das gerecht?

Es ist zumindest nicht verboten, das betont auch der Flüchtlingsrat. Er warnt aber, die Regelung könne als reine Schikane gesehen werden. "Viele fliehende Menschen haben bei ihrer Ankunft in Deutschland kaum mehr als ihre Kleidung am Leib", sagte Co-Geschäftsführerin Anja Bartel. Würden sie systematisch durchsucht und nähme man ihnen persönliche Gegenstände ab, so könne das leicht als Akt der Willkür wahrgenommen werden. Das trage sicher nicht dazu bei, dass sich Menschen willkommen geheißen fühlten, sagte Bartel.

Was sagt die Justizministerin dazu?

Für Justizministerin Marion Gentges (CDU) ist es ein "Gebot der Gerechtigkeit", dass Asylbewerber vorgefundenes Bargeld und Wertgegenstände einsetzen müssen, um Staat und Steuerzahler die Kosten der Unterbringung zu erstatten. "Wer unseren Schutz in Anspruch nimmt und über Einkommen oder Vermögen verfügt, muss sich an den Kosten der Unterkunft beteiligen", sagte sie der dpa.

Haben Flüchtlinge viel Geld oder Wertsachen dabei?

Das kommt vor, ist aber nicht die Regel. Bereits im Jahr 2016 waren Behörden reihenweise zu dem Schluss gekommen, dass ein Großteil der fliehenden Menschen ohnehin nicht über erwähnenswerte Mittel verfügt, die eingezogen werden können.

Das nimmt auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) an. Das Gesetz stellt er zwar nicht infrage. "Aber ich möchte mal bezweifeln, dass es überhaupt eine nennenswerte Anzahl von Flüchtlingen gibt, die über das Mittelmeer oder die Balkanroute kommen und über nennenswerte Vermögenswerte verfügen", sagte er. "Das heißt, die praktische Relevanz dürfte sich sehr in Grenzen halten."

Staatssekretär Siegfried Lorek (CDU) hatte sich gegenüber der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" allerdings überzeugt gezeigt, wenn sich das Vorgehen herumspreche, würden die Zugangszahlen sinken.

Gibt es für die Justizministerin ein Vorbild?

Ein Vorbild vielleicht nicht, denn das Gesetz gibt es in Deutschland ja schon lange. Aber Dänemark geht bereits ähnlich vor, wie Gentges und Lorek bei ihrem jüngsten Kurztrip nach Kopenhagen sehen konnten. Sie hatten sich im Anschluss an den Besuch zur Ausweitung geäußert.

Wie viele Ankunftszentren gibt es?

Nur eines, das in Heidelberg. Die Regelung wird auf die vier Landeserstaufnahmeeinrichtungen (sogenannte Leas) in Karlsruhe, Sigmaringen, Freiburg und Ellwangen ausgeweitet, in denen Asylsuchende registriert werden. Die Lea in Ellwangen soll Ende des Jahres geschlossen werden. Ein nachfolgender Standort ist noch nicht vom Land bestimmt worden.

Was passiert eigentlich in einer Landeserstaufnahmeeinrichtung?

Die Leas sind für geflüchtete Menschen die erste Anlaufstelle im Asylverfahren. Von dort aus werden sie entweder in andere Bundesländer oder auf die Stadt- und Landkreise in Baden-Württemberg verteilt. Es sind auch die Orte, in denen Geflüchtete und Asylbewerberinnen und -bewerber die ersten Verfahrensschritte ihres Asylprozesses in Deutschland durchlaufen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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