Verfahren eingeleitet Turn-Skandal immer größer: Ermittlungen und Durchsuchungen
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Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt schalten sich in den Missbrauchsskandal im deutschen Turnen ein. Objekte werden durchsucht, der Beschuldigte ist ein ehemaliger Trainer in Stuttgart.
Nun ist der Turn-Skandal auch ein Fall für die Justiz. Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg hat im Zuge der von mehreren Turnerinnen erhobenen Missbrauchsvorwürfe Ermittlungen gegen einen früheren Trainer des Stuttgarter Kunstturnforums aufgenommen. Es sei ein Verfahren wegen des Verdachts der Nötigung in mehreren Fällen eingeleitet worden, teilte die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit.
Verbände begrüßen strafrechtliche Aufarbeitung
Am Donnerstagvormittag seien Durchsuchungsmaßnahmen in mehreren Objekten vollzogen und Unterlagen sichergestellt worden, die nun ausgewertet würden. Nach dpa-Informationen wurden unter anderem die Geschäftsstelle des Schwäbischen Turnerbunds (STB) und das Kunstturnforum durchsucht.
Auch am Sitz des Deutschen Turner-Bundes (DTB) in Frankfurt am Main soll es Durchsuchungen gegeben haben. Beide Verbände teilten mit, dass sie die Ermittlungen als sogenannte Dritte betreffen. Weder die Verbände selbst noch Verantwortliche des DTB und des STB seien Beschuldigte des laufenden Ermittlungsverfahrens. Beide Verbände begrüßten in Stellungnahmen die strafrechtliche Aufarbeitung.
Stuttgart und Mannheim im Fokus
Der Missbrauchsskandal im deutschen Turnen zieht seit Wochen immer größere Kreise. Angeführt von den früheren Auswahlathletinnen Tabea Alt und Michelle Timm haben seit kurz vor Weihnachten etliche Turnerinnen öffentlich schwere Vorwürfe gegen die Arbeit am Bundesstützpunkt in Stuttgart erhoben. Kritisiert wurden unter anderem "systematischer körperlicher und mentaler Missbrauch" sowie katastrophale Umstände.
Die öffentlichen Stellungnahmen zogen zahlreiche Reaktionen nach sich. Das Kultusministerium Baden-Württemberg etwa forderte die Erstellung konkreter Schutzmaßnahmen für die Zukunft. Der Deutsche Olympische Sportbund erwartete eine Aufarbeitung und nannte die Vorwürfe "besorgniserregend".
Auch der Stützpunkt in Mannheim geriet zuletzt in den Fokus. Hier waren unter anderem harsche und autoritäre Trainingsmethoden angeprangert worden.
Auch Seitz erhebt öffentliche Vorwürfe
Erst kürzlich hatte auch die deutsche Rekordmeisterin Elisabeth Seitz öffentlich schwerwiegende Vorwürfe über Missstände in Mannheim erhoben. Nach eigener Aussage habe sie diese bereits 2014 dem DTB gemeldet.
Auch Seitz, die einst in Mannheim trainiert hat und dann nach Stuttgart gewechselt ist, forderte eine umfassende Aufklärung. Es sei ganz wichtig, dass die "richtigen und guten Leute" im DTB und im Turnen bleiben würden. "Aber die Leute, die nicht richtig sind in diesem Verband oder in diesem Sport, die müssen gehen. Und erst wenn das passiert ist, haben wir die Chance, wirklich was zu verändern", sagte die frühere Europameisterin und WM-Dritte.
Kanzlei und Expertenrat sollen helfen
Mit der Aufklärung sind DTB und STB nach wie vor beschäftigt. Dazu wurde Mitte Januar eine Kanzlei aus Frankfurt am Main herangezogen. Zudem wurde beschlossen, einen unabhängigen Expertenrat einzusetzen. Ein Trainer-Duo ist von der Tätigkeit im Stuttgarter Kunstturnforum freigestellt worden.
Die frühere Bundestrainerin Ulla Koch lässt ihr Amt als Vizepräsidentin des DTB vorübergehend ruhen - "im Sinne eines optimalen Aufarbeitungsprozesses" und für dessen Dauer, wie der Verband vor gut zwei Wochen dazu mitteilte.
"Es geht auch in unserem Sport – trotz jungen Alters, hohen Trainingsumfangs und Anfälligkeit für psychische Drucksituationen – ohne starken Drill! Es geht mit Respekt! Es geht auf Augenhöhe!", sagte DTB-Präsident Alfons Hölzl unlängst in einem Interview der Zeitungen "Münchner Merkur" und "tz" auf die Frage, wie er sich gesunden Spitzensport vorstelle.
- Nachrichtenagentur dpa