Infrastruktur Marode Straßen: Hilft eine Pkw-Maut im Schuldenstreit?

Die Maut für Autofahrer auf Autobahnen ist schon einmal gescheitert. Mehr als 240 Millionen Euro hat das gekostet. Dennoch wagt der Landkreistag mit Blick auf die Sondierungen einen neuen Anlauf.
Angeheizt durch den Streit um das geplante milliardenschwere Sondervermögen im Bund bekommt die Debatte um eine Maut auf deutschen Autobahnen wieder neuen Schwung. Aus Sicht des baden-württembergischen Landkreistags könnte mit einer Autobahn-Maut nach Schweizer Vorbild ein großer Teil der milliardenschweren Sanierung maroder Fernstraßen finanziert werden. Die Gemeinden sehen das ähnlich, es gibt aber auch Kritik.
Denkbar wäre aus Sicht des Landkreistagspräsidenten Joachim Walter eine Maut in Höhe von 100 Euro für die Jahresvignette. In der Schweiz kostet diese derzeit für das kleinere Autobahnnetz umgerechnet 44 Euro - sowohl für Menschen aus der Schweiz als auch für Ausländer.
"Die Vorteile liegen auf der Hand", sagte Walter. Das Modell wäre einfach und ließe sich unbürokratisch umsetzen. "Und die Einnahmen würden zweckgebunden an die Autobahngesellschaft des Bundes fließen", sagte der Tübinger Landrat. Zuvor hatte bereits der SWR über den Vorschlag berichtet.
Walter: Keine Investitionen nur auf Pump
Die notwendigen Investitionen dürften nicht nur auf Pump finanziert werden, kritisierte Walter die Pläne der möglichen künftigen schwarz-roten Koalition in Berlin. Union und SPD haben bei ihren Sondierungen unter anderem ein schuldenfinanziertes Sondervermögen für Infrastruktur vereinbart.
Im Sondierungspapier heißt es dazu: "Mit einem Sondervermögen von 500 Milliarden Euro bringen wir unser Land wieder in Form - durch Investitionen in Straßen, Schienen, Bildung, Digitalisierung, Energie und Gesundheit." Die Pläne erfordern Grundgesetzänderungen, für die in Bundestag und Bundesrat Zwei-Drittel-Mehrheiten benötigt werden.
Landkreistag fordert faire Lastenverteilung
Notwendig sei eine faire Lastenverteilung zwischen den Generationen, sagte der Präsident des Landkreistags. "Wenn gerade die Jüngeren in unserer Gesellschaft den Eindruck gewinnen, dass sie allein die Zeche für die Versäumnisse ihrer Eltern und Großeltern zahlen sollen, dann werden gut gemeinte Maßnahmen schnell zum Konjunkturprogramm für die politischen Ränder."
Auch der baden-württembergische Gemeindetag fordert, die öffentliche Aufgabenerfüllung nicht nur über zusätzliche Schulden zu finanzieren. Das gehöre zur Verantwortung gegenüber künftigen Generation. "Neben den vorrangigen und dringlichen Einsparungen ist es deshalb richtig, auch über zielgerichtete Einnahmesteigerungen zu sprechen", sagte Gemeindetagspräsident Steffen Jäger.
Eine Pkw-Maut sei nichts anderes als eine Nutzungsgebühr, über die diskutiert werden könne. Jeder müsse seinen Beitrag leisten. Dazu gehöre auch der Vorschlag, die Zahl der gesetzlichen Feiertage zu reduzieren.
Verkehrsminister: Es braucht andere Einnahmequellen
Mit der Einführung einer intelligenten Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen käme auch der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) gut zurecht. "Angesichts der gigantischen Kosten von Sanierung und Modernisierung braucht es neben Krediten auch andere Einnahmequellen", sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur auf Nachfrage.
Die Einnahmen aus der Energiesteuer, früher Mineralölsteuer, würden in den kommenden Jahren wegen der fortschreitenden Elektrifizierung der Fahrzeuge, kontinuierlich sinken, so Hermann. Eine Pkw-Maut könnte den Einnahmeausfall kompensieren. Statt einer Vignette sollte aus seiner Sicht über eine intelligente, digitale Pkw-Maut diskutiert werden, die "zeit- und entfernungsvariabel" sein müsste. "Das wäre gerechter und ökologischer.", sagte Hermann. "Richtig ist: Es braucht einen neuen, klugen Anlauf zu einer sinnvollen Pkw-Maut."
Rufe nach Maut auch aus Reihen der CSU
In Deutschland gibt es bereits seit 2005 eine Lkw-Maut auf Autobahnen und stark befahrenen Bundesstraßen. Die Abgabe wurde 2018 auf alle Bundesstraßen ausgeweitet.
Der Landkreistag schließt an den Vorschlag mehrerer CSU-Juristen und die Forderung von Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel an. Sie hatten zuletzt mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen ebenfalls für die Einführung einer Pkw-Maut plädiert, um mit dem Geld die Infrastruktur zu sanieren.
Die CSU hatte den Vorstoß der Juristen Anfang der Woche aber umgehend kassiert. "Die Maut steht weder im Wahlprogramm von CDU und CSU, noch in der Bayern-Agenda der CSU zur Bundestagswahl", hatte ein Sprecher der Partei in München mitgeteilt.
Erster Anlauf zur Pkw-Maut gescheitert
Erfahrungen mit einer Pkw-Maut hat die CSU bereits gemacht. Ein von ihr in der damaligen Bundesregierung durchgesetztes Gesetz für eine solche Maut war 2019 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als rechtswidrig gestoppt worden. Zentraler Knackpunkt war, dass nur Fahrer aus dem Inland für die Maut voll bei der Kfz-Steuer entlastet werden sollten.
Kurz nach dem Urteil kündigte der damalige Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die Verträge mit den vorgesehenen Betreibern, die dann Schadenersatz forderten. Eine Verständigung nach einem Schiedsverfahren ergab, dass der Bund ihnen 243 Millionen Euro zahlen musste.
- Nachrichtenagentur dpa