Einsatz in Reutlingen "Reichsbürger" schießt SEK-Beamten bei Razzia an
Schüsse bei einer Razzia der Bundesanwaltschaft in Reutlingen: Ein Polizist des Spezialeinsatzkommandos Baden-Württemberg wird verletzt.
Im Zuge einer zweiten Razzia im "Reichsbürger"-Milieu rund um Heinrich XIII. Prinz Reuß ist am Mittwoch in Reutlingen ein Polizist angeschossen und verletzt worden. Nach der Groß-Razzia Anfang Dezember gibt es nach Angaben der Bundesanwaltschaft nun fünf weitere Beschuldigte.
Die Durchsuchungen am Mittwoch richteten sich gegen fünf Personen aus Bayern, Niedersachsen, Sachsen und der Schweiz wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, teilte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe auf Anfrage mit. Daneben wurden die Räumlichkeiten von 14 weiteren Personen durchsucht, die nicht als verdächtig gelten.
Reutlingen: Schütze hatte sich vor Polizei verschanzt
In Reutlingen wurde bei einem Einsatz auf einen Polizisten geschossen. Dabei handelte es sich um einen Beamten des Spezialeinsatzkommandos Baden-Württemberg. Der Mann wurde nach dpa-Informationen leicht verletzt, sein Zustand ist stabil. Der Täter wurde festgenommen. Laut Bundesanwaltschaft fand die Durchsuchung allerdings bei jemandem statt, der bisher nicht als tatverdächtig galt.
Der Festgenommene könnte noch am Mittwoch am Karlsruher Bundesgerichtshof dem Haftrichter vorgeführt werden. Gegen ihn werde wegen eines versuchten Tötungsdelikts ermittelt. Weitere Festnahmen gab es nicht.
ls die Einsatzkräfte eintrafen, soll sich der Schütze verschanzt und zur Wehr gesetzt haben. Eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur am Einsatzort in Reutlingen berichtete, in einem Haus habe es am Vormittag fünf Mal laut geknallt. Ein Polizeisprecher vor Ort bestätigte einen Zusammenhang mit den Ermittlungen, nannte aber keine Details. Die Polizei sprengte nach dpa-Informationen eine abgeschlossene Tür.
Weitere Razzien nach Durchsuchungen im Dezember
Die Aktion am Mittwoch fand im Zusammenhang mit Ermittlungen im "Reichsbürger"-Milieu statt. Die ARD berichtete, dass einige der verdächtigen Personen Polizisten oder Soldaten seien. Sie sollen teilweise weitere staatsfeindliche Gruppen gebildet haben. Die Ermittler seien auf sie gestoßen, als sie Kommunikationsmittel aus der ersten Razzia Anfang Dezember ausgewertet hätten, sowie im Zuge von Finanzermittlungen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) bestätigte, dass insgesamt 20 Objekte durchsucht wurden. Der Schwerpunkt der Maßnahmen lag wohl in Baden-Württemberg. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurden in Bayern sechs Objekte im Bereich dreier Polizeipräsidien durchsucht: Unterfranken, München und Oberbayern Süd.
In Niedersachsen war ein Objekt im Raum Hannover betroffen, wie ein Sprecher des dortigen Innenministeriums sagte. Auch in Mecklenburg-Vorpommern gab es eine Durchsuchung, wie es aus Sicherheitskreisen hieß.
Reichsbürger planten Umsturz
Die Untersuchungen fanden im erweiterten Umfeld der mutmaßlichen Verschwörergruppe statt, die im Dezember ausgehoben wurde. Damals hatte es eine groß angelegte Anti-Terror-Razzia gegen sogenannte Reichsbürger in mehreren Bundesländern, Österreich und Italien gegeben. 25 Männer und Frauen wurden festgenommen. Unter den Verhafteten waren damals die AfD-Abgeordnete und ehemalige Richterin Birgit Malsack-Winkemann sowie der Adlige Heinrich XIII. Prinz Reuß, die mutmaßlich einen Umsturz planten. 162 Räumlichkeiten in 11 Bundesländern wurden durchsucht, 23 Personen verhaftet.
Die Bundesanwaltschaft beschuldigt die Gruppierung, zu der mutmaßlich "Reichsbürger" und Verschwörungsextremisten zählen, eine Terrorgruppe gegründet und einen gewaltsamen Umsturz in Deutschland geplant zu haben. Zu der Gruppierung gehörten auch ehemalige Bundeswehrsoldaten, Angehörige des Kommando Spezialkräfte (KSK) sowie ein Polizist.
Die Ermittler konnten im Zuge der ersten Durchsuchungen nun weitere Teilnehmer von Chats identifizieren und haben große Mengen an Beweismitteln ausgewertet. Bei der ersten Razzia wurden rund 100 Schusswaffen, militärische Ausrüstung, fünfstellige Summen Bargeld sowie Gold- und Silbermünzen gefunden.
Ermittlungen führen zu weiteren Verdächtigen
Die Behörden hatten schon damals gesagt, dass im Laufe der Zeit weitere Beschuldigte hinzukommen könnten. Im Falle Reutlingens habe es sich um eine Durchsuchung bei einer bislang nicht tatverdächtigen Person gehandelt, so die Bundesanwaltschaft.
"Reichsbürger" sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnete der Szene der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" 2022 deutschlandweit etwa 23.000 Personen zu, 2.000 mehr als im Vorjahr.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- gea.de: "Reichsbürgerszene: Polizei-Einsatz in Reutlingen - Schuss gefallen"
- swr.de: "Zwischenfall in Reutlingen bei Razzia im "Reichsbürger"-Milieu"
- sueddeutsche.de: "Schüsse bei erneuter Razzia in "Reichsbürger"-Fall"