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Viele Flut-Tote: U-Ausschuss in der Ahr-Einsatzzentrale


Bad Neuenahr-Ahrweiler
Viele Flut-Tote: U-Ausschuss in der Ahr-Einsatzzentrale

Von dpa
20.05.2022Lesedauer: 3 Min.
Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe in AhrtalVergrößern des Bildes
Der U-Ausschuss zur Flutkatastrophe trifft sich in den Kellerräumen der Kreisverwaltung. (Quelle: Thomas Frey/dpa/dpa-bilder)
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Ein fensterloser Kellerraum mit deutlich eingeschränktem Handyempfang: Der Untersuchungsausschuss Flutkatastrophe des Mainzer Landtags hat die einstige Technische Einsatzleitung der Kreisverwaltung Ahrweiler in Augenschein genommen. Die Abgeordneten drängen sich am Freitag in der Kreisverwaltung in Bad Neuenahr-Ahrweiler in den etwa wohnzimmergroßen Raum mit 17 Arbeitsplätzen, eng gestellten Tischen mit Bildschirmen und Telefonen sowie Wänden mit Smartboards unter quadratischen Neonlichtern. Es ist ausgerechnet ein Tag, an dem der Deutsche Wetterdienst auch hier Unwettergefahr vorhersagt und der Kreis Ahrweiler vorsichtshalber seine Schulen schließt und eine Kreistagssitzung absagt.

Von der einstigen Einsatzzentrale wurden während der Ahr-Flutkatastrophe im vergangenen Sommer mit 134 Todesopfern und Tausenden verwüsteten Häusern viele Rettungseinsätze gesteuert - mit augenscheinlich eingeschränkter Kommunikation. Katastrophenalarm löste der Kreis Ahrweiler damals erst etliche Stunden nach dem Auftürmen einer extremem Flutwelle gegen 23.00 Uhr in der Nacht auf den 15. Juli 2021 aus. Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt gegen Ex-Ahrweiler-Landrat Jürgen Pföhler (CDU) und ein Mitglied seiner damaligen Einsatzleitung wegen womöglich zu später Warnungen und Evakuierungen.

Ein anderer Experte, der stellvertretende Kreisbrandinspekteur des Landkreises, Sascha Cremer, sagt am Freitag als Zeuge in der einstigen Einsatzzentrale, der Handyempfang in dem Keller sei "definitiv schwierig". Das sei auch schon früher vor dem Hochwasser so gewesen. Es habe in der Flutnacht Einsatzkräfte gegeben, die zum Telefonieren mit ihrem Handy nach oben gegangen seien. Die Festnetztelefone hätten unten vorerst noch funktioniert. In der benachbarten Tiefgarage habe es keine Einsatzfahrzeuge gegeben - diese stünden stets bei den Feuerwehren in den Städten und Dörfern.

Der Obmann der Freien Wähler im Untersuchungsausschuss, Stephan Wefelscheid, nennt nach der Sitzung die einstige Einsatzzentrale "suboptimal". Schlechter Handyempfang, womöglich viel Telefongeklingel auf engem Raum, Feuerwehr- und Allradfahrzeuge weit weg - es gehe auch anders: Die Einsatzzentrale des Eifelkreises Bitburg-Prüm zum Beispiel sei oberirdisch mit Handyempfang und mehr Platz neben einem Hangar mit Einsatzwagen untergebracht.

Der Zeuge Cremer sagt während der auswärtigen Ausschusssitzung auch, Meldungen für das Modulare Warnsystem MoWaS des Bundes hätten von der einstigen Kreis-Einsatzzentrale als Fax oder eingescannt als Mail verschickt werden können. Mit MoWaS werden amtliche Warnmeldungen für die Bevölkerung erfasst und etwa an Medien und Warn-Apps verteilt. Cremer ergänzt, die damalige Einsatzzentrale habe keinen selbstständigen "MoWaS-Zugang" gehabt. Wefelscheid betont nach der Sitzung, MoWas-Meldungen könnten anderswo auch direkt digital kommuniziert werden - das gehe schneller.

An einem Whiteboard an der Wand des Raums stehen bis heute handschriftliche Hinweise aus der tödlichen Flutnacht mit verzweifelten Einsatzkräften, die für sich sprechen: "Schreckenstein 150 Personen vermutlich eingeschlossen", "Bad Neuenahr ... 1000 laufende Einsätze", "Ahrbrück nicht mehr erreichbar" und "Tote: 54". Cremer bezeichnet die Flutnacht in der Einsatzzentrale als "Krieg". Die Katastrophenmeldungen seien teils im Minuten- oder Halbminutentakt hereingekommen.

Im April 2022 hat Landesinnenminister Roger Lewentz (SPD) als Zeuge im Untersuchungsausschuss in Mainz ausgesagt, er sei in der Flutnacht zunächst von einem schweren, aber beherrschbaren Hochwasser ausgegangen. Bei seinem damaligen Besuch der Einsatzleitung des Kreises Ahrweiler am Abend habe er "den Eindruck gehabt, dass man wirklich sehr kompetent und konzentriert arbeitet". Der damalige Landrat Pföhler soll Lewentz seinerzeit über die Lage informiert haben. Cremer sagt, er könne sich nicht erinnern, Pföhler schon vor diesem Politikertermin in der damaligen Einsatzzentrale gesehen zu haben. Das Ausmaß der Katastrophe ist laut Lewentz erst am Folgetag deutlich geworden.

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