Mainz Kirchenaustritt: Standesämter melden gesteigertes Interesse
Nach der Vorstellung eines Gutachtens zu sexueller Gewalt im katholischen Erzbistum München und Freising haben erste Städte in Rheinland-Pfalz ein gesteigertes Interesse an
Kirchenaustritten registriert. Das hierfür zuständige Standesamt in Mainz könne aktuell nicht alle Austrittswünsche zeitnah bedienen, teilte ein Sprecher mit. Es werde noch einige Zeit dauern, bis alle Anträge entgegengenommen seien. Der Kirchenaustritt müsse persönlich erklärt werden, allerdings werde dabei nicht nach Gründen gefragt. Bislang sind demnach im Januar dieses Jahres 209 Menschen sowohl aus der katholischen als auch der evangelischen Kirche ausgetreten. Im Januar des vergangenen Jahres waren es 134 Austritte. Das Bistum Mainz äußerte sich hierzu auf Anfrage nicht.
Bereits frühere Skandale hätten oft zu einem "Sippenhaft-Effekt" in der evangelischen Kirche geführt, hieß es von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in Darmstadt. Die Berichterstattung differenziere oft nicht ausreichend, zudem machten häufig die Menschen keinen Unterschied mehr zwischen evangelischer und katholischer Kirche. Insbesondere nach dem Skandal um den katholischen Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz van Elst vor neun Jahren seien auch bei ihnen die Austrittszahlen merklich nach oben gegangen.
Auch beim Standesamt in Worms gab es bereits vermehrt Anfragen für
Kirchenaustritte. Häufig seien als Grund die aktuellen
Geschehnisse angeführt worden, teilte eine Sprecherin der Stadt mit. Von einer "Flut" an Anträgen könne man jedoch nicht sprechen. Trier verzeichnete ebenfalls ein gesteigertes Interesse, laut Mitteilung kann der Bedarf an Terminen aber noch gut abgedeckt werden.
Das vom Erzbistum München und Freising selbst in Auftrag gegebene
Gutachten der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) kommt zu
dem Ergebnis, dass Fälle von sexuellem Missbrauch in der Diözese über Jahrzehnte nicht angemessen behandelt wurden. Das vergangene Woche veröffentlichte Dokument wirft den Kardinälen und
ehemaligen Erzbischöfen Friedrich Wetter und Joseph Ratzinger sowie
dem aktuellen Erzbischof Reinhard Marx Fehlverhalten vor.