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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Undurchsichtiger Prozess Kölner Architektin im Iran zu langer Haft verurteilt
Die Kölner Architektin Nahid Taghavi ist in Teheran vom Revolutionsgericht 26 zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden. Das gab die Tochter der 64-Jährigen bekannt.
Wegen der Mitgliedschaft in einer illegalen Vereinigung und wegen "Propaganda gegen den Staat" ist die 64-jährige Kölnerin Nahid Taghavi im Iran verurteilt worden. Zehn Jahre und acht Monate muss Taghavi in Teheran absitzen.
Im Oktober letzten Jahres wurde die Architektin verhaftet. In ihrer Heimat wollte sie eigentlich nur Verwandte besuchen. Doch dann nahmen Mitglieder der Revolutionsgarde Taghavi sie vor der Haustür fest. Sie musste ins berüchtigte Evin-Gefängnis, wo politische Gefangene festgehalten werden.
Es war der Beginn einer langen Leidenszeit: Dort musste Taghavi über ein halbes Jahr auf ihren Gerichtsprozess warten. Ohne Matratze und Kissen schlief sie auf dem Boden, frische Luft gab es nur für eine halbe Stunde pro Tag. Bei ihren Gängen an die frische Luft musste sie eine Augenbinde tragen.
Corona-Infektion im Gefängnis
Zwischenzeitlich war Taghavi in den Frauentrakt des Evin-Gefängnisses verlegt worden – dort sollte es etwas bessere Bedingungen geben. Doch hier infizierte sich die vorbelastete Diabetikern im Juli mit dem Coronavirus.
Taghavis Tochter Miriam Claren beschrieb damals das Leid ihrer Mutter: "Sie hat hohes Fieber, Schüttelfrost, Druck auf dem Brustkorb und starke Gliederschmerzen." Claren hatte unablässig für die Freilassung ihrer Mutter gekämpft.
Die Vorwürfe der iranischen Staatsanwaltschaft hatte Taghavi stets vehement zurückgewiesen. Ihre Tochter spricht nun von einem "vorab gefällten Urteil". Nahid Taghavi sei nie politisch aktiv gewesen sei – der totalitären Regierung des Irans genüge es aber schon, wenn jemand Ansichten habe, die nicht mit den eigenen übereinstimmten.
Vorwürfe gegen Bundesregierung
"Wenn eine Frau sich zum Beispiel gegen das Kopftuch ausspricht, ist das Propaganda", hatte Martin Lessenthin, der Sprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrecht (IGFM) im Vorfeld des Prozesses erklärt: "Propaganda gegen den Staat ist alles, was nicht vollkommene Loyalität gegenüber dem Regime bedeutet."
Miriam Claren hatte immer wieder auch Kritik an der Deutschen Bundesregierung geübt. Ihr Vorwurf: Die Regierung habe sich nicht genug für das Schicksal ihrer Mutter und der anderen politischen Gefangenen im Iran eingesetzt. Im Juni hatte die Tochter der Inhaftierten noch gewarnt: "Seit Monaten geschieht im Iran Unrecht gegen eine deutsche Staatsbürgerin, ohne dass etwas unternommen wird."
Nun muss ihre Mutter für mehr als zehn Jahre in Haft.
- Gespräch mit Mariam Claren
- Eigene Recherche