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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Spiel gegen Greuther Fürth 1. FC Köln zwischen Fokus, Karneval und Kriegsausbruch
Weiberfastnacht 2022 ist beim 1. FC Köln kein Grund für Feierlichkeiten. Trotz des Einmarsches Russlands in die Ukraine und eines Todesfalls beim Erzrivalen Mönchengladbach muss Steffen Baumgart sein Team auf das kommende Spiel vorbereiten.
Am Donnerstag herrschte eine in jeder Hinsicht bedrückende Stimmung am Geißbockheim. Die Kriegserklärung Russlands hing wie ein Gewitter über der Stadt. Die Verantwortlichen und Spieler versuchten, es mit seriöser Arbeit auf dem Fußballplatz zu ignorieren, während wenige Kilometer weiter in der Domstadt um 11.11 Uhr die Jecken zu Weiberfastnacht die Kölschgläser hoben.
Und dann erreichte auch noch eine Nachricht aus Mönchengladbach den FC, wonach ein Spieler der Borussen-U23, Jordi Bongard (20), in der Nacht auf Donnerstag bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Bongard hatte am Mittwoch im Mönchengladbacher Kader im Regionalliga-Spiel gegen den FC verletzt gefehlt, verfügte bei den Fohlen aber bereits über eine Profivertrag. Köln gewann das kleine Derby mit 2:0, doch am Tag danach blieb den Geißböcken der Jubel darüber im Hals stecken.
Baumgart: "Versagen der gesamten Weltpolitik"
Entsprechend ernst absolvierte Steffen Baumgart die Pressekonferenz vor dem Bundesliga-Spiel des 1. FC Köln bei Greuther Fürth. Am Samstag haben die Kölner beim Tabellenletzten die Chance, den Heimsieg gegen Frankfurt (1:0) mit drei weiteren Punkten zu veredeln. Personell sind die Geißböcke wieder gut aufgestellt, bis auf den erkrankten Jannes Horn stehen dem FC alle Spieler zur Verfügung.
Doch nicht das bevorstehende Comeback von Marvin Schwäbe oder die gesicherte Startelf-Rückkehr von Anthony Modeste standen im Mittelpunkt. Der Einmarsch Russlands in der Ukraine ließ auch den FC-Coach kurz innehalten. "Für mich ist das ein Versagen der gesamten Weltpolitik", sagte ein nachdenklicher Baumgart.
"Das Schlimme an einem Krieg ist: Es geht immer um die Zivilbevölkerung. Andere Menschen spielen Macht, spielen sich auf, doch die Leidtragenden sind die Kleinen. Ich hoffe, dass alle ihren Beitrag dazu leisten werden, damit dieser Konflikt wieder beigelegt wird."
Der 1. FC Köln wird in den kommenden Tagen einen Balanceakt finden müssen zwischen Bundesliga-Alltag, karnevalesken Freuden und dem angemessenen Respekt für die weltpolitische Lage. Zumindest müssen die Geißböcke nicht, wie der FC Schalke 04 und Hauptsponsor Gazprom, einen internen Kampf mit einem russischen Sponsor ausfechten. Entsprechende Geschäftsbeziehungen nach Russland führt der FC nicht.
Und auch eine andere Frage muss der FC nicht mehr beantworten: Was machen mit der jecken Zeit? Denn die zentrale Entscheidung nahm das Festkomitee des Kölner Karnevals den Geißböcken am Donnerstagnachmittag ab: Der Rosenmontagszug findet wegen des Krieges nicht statt.
Fokus muss auf Fürth liegen
Der 1. FC Köln hätte daran teilnehmen sollen, insbesondere, weil der Zug in diesem Jahr aus Pandemie-Gründen nicht durch die Innenstadt, sondern durch das Rhein-Energie-Stadion gerollt wäre. Den FC-Verantwortlichen bleibt die Frage erspart, ob eine Teilnahme unter diesen Bedingungen richtig gewesen wäre.
Weiteres wildes Treiben wird es von FC-Seite ohnehin nicht geben, auch nicht, wenn es am Samstag einen Sieg in Fürth geben sollte. Baumgart betonte, dass darauf nun der ganze Fokus der Mannschaft und des Trainerteams liegen müsse. "Wir werden eine ganze Menge abrufen müssen, um in Fürth nicht nur gut auszusehen, sondern um etwas Zählbares mit nach Hause nehmen zu können." Zuletzt holte Fürth elf Punkte aus fünf Heimspielen. Der FC ist also gewarnt.
- Eigene Beobachtungen und Recherchen des GEISSBLOG