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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Plan B gefunden? Der FC erfindet sich im Abstiegskampf neu
Plötzlich Ballbesitz: Der 1. FC Köln zeigte gegen Werder Bremen am vergangenen Sonntag ungewohnte Dominanz, das belebt die Hoffnungen im Abstiegskampf. Was fehlt, ist ein Vollstrecker.
Es klingt wie die Statistik einer Spitzen-Mannschaft: 64 Prozent Ballbesitz, 87 Prozent erfolgreiche Pässe, 35 Flanken, 16 Torschüsse und neun Ecken. Doch es waren mitnichten der FC Bayern München oder RB Leipzig, sondern der 1. FC Köln, der gegen Werder Bremen (1:1) mit dieser spielerischen Dominanz aufgetreten war.
Dabei überraschte der FC nicht nur seine eigenen Anhänger mit der mutigen Ausrichtung, sondern auch den gegnerischen Trainer Florian Kohfeldt. Werder brauchte eine Halbzeit, um sich auf die Geißböcke einzustellen, hätte das Spiel danach beinahe sogar gewonnen. Welche Lehren kann der 1. FC Köln aus diesem Spiel für den Kampf um den Klassenerhalt ziehen?
1. Überlagerung der linken Außenbahn
Der 1. FC Köln agierte gegen Werder Bremen im taktisch flexiblen 4-2-3-1-System, welches sich offensiv – und das war gleichzeitig Kölns Problem – mitunter als ein 4-2-4 ohne Mittelstürmer darstellte. Anders als mit der Dreierkette der letzten Wochen, hatten die Kölner am Sonntag ihre Flügel mit Außenverteidigern und offensiven Flügelspielern doppelt besetzt. Markus Gisdol hatte Bremens rechte Defensivseite als Schwachstelle ausgemacht, weshalb der FC vor allem die linke Seite überlagerte.
Horn und Katterbach aus der Abwehr, Skhiri und Meyer aus der Zentrale sowie Duda und Rexhbecaj aus der Offensive schoben allesamt zu Jakobs hinüber und erzeugten so eine Überzahl gegen maximale fünf Bremer. So kam alleine der 19-jährige Katterbach auf 110 Ballaktionen, so viele wie in dieser Saison noch kein FC-Spieler. Zudem schlug der FC in 90 Minuten insgesamt 35 Flanken, ebenfalls Saisonhöchstwert der Kölner, was die Kölner Dominanz über den Außenbahnen unterstrich.
2. Dem neuen System fehlt ein Mittelstürmer
Das Problem dabei war: Aus all diesen Flanken resultierte praktisch keine Torgefahr. Selbst der 1:1-Ausgleich nach abgerutschter Katterbach-Flanke fiel nur wegen eines Torwartfehlers von Jiri Pavlenka. Darüber hinaus gingen von den 16 Torschüssen lediglich vier auf den Kasten des Werder-Keepers. Dem FC mangelte es einerseits an einem kopfballstarken Mittelstürmer.
Weil sich zudem Duda und Rexhbecaj meist ins Mittelfeld fallen ließen und der Außenbahnspieler der ballabgewandten Seite nicht ins Zentrum stieß, war der Strafraum trotz des Flankenhagels allzu oft verwaist. Das veränderte System und die gewonnene Spielkontrolle zahlten sich somit letztlich nicht aus und zeigten, warum der FC zu den am wenigsten torgefährlichen Mannschaften der Liga gehört.
3. Mehr Passsicherheit durch kürzere Wege
Anders als in vielen Saisonspielen zuvor, konnte man am Sonntag den Kölner Willen erkennen, selbst aktiv zu werden und das Spiel aus eigenem Antrieb heraus gewinnen zu wollen. "Wir wollten über eine flache Viererkette mehr Ballkontrolle haben", erklärte Gisdol hinterher. "Das ist sehr gut aufgegangen, weil wir so einen Spieler mehr im Mittelfeld hatten." Vor allem die Hereinnahme von Max Meyer hob die spielerische Qualität des FC. Der Winter-Neuzugang, der seine bislang beste Karrierephase als Sechser auf Schalke hatte, überzeugte neben dem defensiveren Ellyes Skhiri in der Schaltzentrale als Bindeglied zur Offensive und brachte 94 Prozent der Pässe an seine Mitspieler.
Von den kürzeren Wegen im Mittelfeld profitierten alle Kölner. Statt langer Bälle kombinierte sich der FC mit Kurzpässen bis zum gegnerischen Strafraum. 87 Prozent Passquote im Vergleich zum bislang schwachen Kölner Saison-Durchschnitt von 79 Prozent belegen dies.
4. Fazit
Zehn Spiele bis Saisonende, und der 1. FC Köln hat endlich einen Plan B. Dieser Ansatz, selbst den Ball kontrollieren zu wollen, hatte man bislang vermisst. Die Spieler forderten zuletzt mehr Mut, mehr Agieren statt Reagieren. Nun durften sie endlich. Beileibe lief nicht alles gut, die fehlende Durchschlagskraft lässt sich nicht wegdiskutieren, der Mannschaft fehlt ein Torjäger. Die neue Taktik hat dieses alte Problem also nicht sofort beheben können. Doch bis zum Saisonende geht es vor allem gegen Mannschaften, die der FC wird bespielen müssen: Union Berlin, Mainz, Augsburg, Hertha, Freiburg und Schalke. In diesen Duellen auf Augenhöhe wirkte der FC in der Hinrunde allzu oft allzu hilflos. So könnte im Saisonendspurt der gerade erst gefundene Plan B zu Plan A werden – und damit zur Hoffnung im Kampf um den Klassenerhalt.
- Eigene Recherchen des GEISSBLOG