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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Zum 73. Geburtstag Köln-Legende Heinz Flohe: Ein Leben zwischen Himmel und Hölle
Heinz Flohe hätte am Donnerstag Geburtstag gefeiert. Das Leben des Ausnahmefußballers vom 1. FC Köln war voller Höhen und Tiefen. Was macht das Genie "Flocke" aus?
Für viele Fußballfans ist Heinz Flohe eine Figur, die an den Extremen kratzte. Am Ball konnte "Flocke", so wie er meist vom 1.-FC-Köln Startrainer Hennes Weisweiler gerufen wurde, alles. Doch gegen Ende seiner Karriere kreuzen viele Krankheiten seinen Weg, von denen sich Heinz Flohe nicht mehr erholt. Im Jahr 2010 bricht der begnadete Fußballer nach einem Schlaganfall zusammen und wird in ein künstliches Koma überführt. Aus diesem erwacht Flohe nicht mehr. Er verstirbt am 15. Juni 2013 im Alter von nur 65 Jahren. Am heutigen Donnerstag, den 28. Januar, wäre der 39-fache Nationalspieler 73 Jahre alt geworden.
Wenn man auf die deutsche Weltmeisterelf von 1974 schaut, denkt man vor allem an Stars wie Netzer, Beckenbauer, Breitner oder Vogts. Aber im Team von Helmut Schön gab es auch einen Kölner Block mit Spielern wie Wolfgang Overath, Bernd Cullmann – und eben Heinz Flohe. "Ich hab ihn immer als 'Brasilianer' bezeichnet – er ist so unglaublich gut gewesen. Er hat Dinge am Ball gemacht, die keiner von uns konnte", so erinnert sich Günter Netzer an den flinken Fußballer für die Biografie "Der mit dem Ball tanzte", die der Autor Frank Steffan im Jahr 2015 über Heinz Flohe veröffentlicht hat.
Überschwängliches Fußballtalent
Flohe startet im Alter von 14 Jahren seine Karriere beim TSV Euskirchen und wechselt vier Jahre später in die Domstadt. Von 1966 bis 1979 läuft er 343 Mal für den 1. FC Köln und für 1860 München in der Bundesliga auf. In Köln gelingen ihm die meisten Triumphe: 1978 gewinnt er die deutsche Fußballmeisterschaft, sowie in den Jahren 1968, 1977 und 1978 den DFB-Pokal. "Er hat den 1. FC Köln geprägt wie kaum ein anderer Spieler", sagt Lukas Podolski über Flohe.
Sein Talent war auffällig. Denn Flohe war wendig, schnell und technisch hochklassig. Er konnte beidfüßig schießen und hatte einen untrüglichen Instinkt dafür, verfahrene Situationen in Tore umzuwandeln. Flohe nahm an zwei Weltmeisterschaften teil (1974 als Weltmeister, 1978 musste er verletzt abreisen) und zwischendrin wurde er 1976 noch Vize-Europameister.
"In der Zeit, als die Spielraffinesse noch nicht ganz so ausgefeilt war wie heute, gehörte Heinz Flohe zu den besten Technikern der Welt", sagt Franz Beckenbauer über seinen Kollegen, mit dem er zusammen in den 1970er Jahren in der Nationalelf für Gefahr im gegnerischen Strafraum sorgte.
"Der Heinz brauchte kein System. Er hätte in jeder Mannschaft in Europa oder auf der Welt seinen Platz gefunden, weil er einfach dieses Vermögen hatte. Der Ball war sein Freund – und das können nicht viele Spieler sagen." Das sind lobende Worte von Wolfgang Overath, der zusammen mit Flohe beim 1. FC Köln spielte und dort die erfolgreichste Ära des Vereins prägte.
Streit mit Trainer Weisweiler
Von Sportjournalisten wird Flohe zu einem der besten 50 Mittelfeldregisseure aller Zeiten gewählt und landet dabei auf Platz 41. Auch wenn er am Ball alles konnte, war er im Leben neben dem runden Leder sehr öffentlichkeitsscheu. Mehrere Offerten, als Talkgast ins "Aktuelle Sportstudio" zu kommen, lehnte er hartnäckig ab – auch mit vielen schreibenden Reportern stand er auf Kriegsfuß.
Sein Abstieg in Köln beginnt Anfang Mai 1979. Nach einer rigorosen 6:0-Pleite beim Hamburger SV wird Flohe nach einem groben Foul vom Platz gestellt. Bei der anschließenden Heimreise im Mannschaftsbus überwirft sich der Spieler mit seinem Trainer, der ihn dann vom Mannschaftstraining suspendiert. In der Folgezeit verhärten sich die Positionen und Flohe wechselt wenige Wochen später zu 1860 München.
Ein Ausnahmefußballer – wie Maradona oder Messi
Dort gehört Jupp Kapellmann zu seinen engsten Teamkollegen: "Für mich hatte Heinz Flohe so viele Eigenheiten und Fähigkeiten, die deutschen Fußballern unbekannt sind – und die sich nicht antrainieren lassen. Es gibt solche Ausnahmefußballer – wie Maradona oder Messi. Und zu denen gehörte der Heinz auch."
Der Traum als Bundesligaspieler endet am 1. Dezember 1979. In der Partie gegen den MSV Duisburg erlitt "Flocke" die Verletzung, die sein Leben verändern sollte. In dieser Partie wird er vom Gegenspieler Paul Steiner brutal gefoult und mit einem Unterschenkelbruch vom Platz getragen.
Er wird in der Folgezeit Sportinvalide. "Das Karriereende hat ihn zermürbt. Das sieht man ja bei so vielen Fußballern – die stürzen ab wie eine Rakete, die vom Himmel fällt", erinnert sich sein Freund und Kollege Jupp Kapellmann. Es folgt ein unendlicher Ärzte-Marathon. Die chronischen Schmerzen im Bein werden unter anderem mit Cortison und Morphium behandelt. Aber seine vielen Medikamente haben erhebliche Nebenwirkungen, die Herzprobleme und Übergewicht auslösen.
Das Leben ist manchmal eine Nachbildung der Kunst, so heißt es in Anlehnung an Oscar Wilde, wenn man an das grausame Spiel zwischen Fiktion und Wirklichkeit denkt. Und in der dritten Halbzeit nimmt der Lebenslauf von Heinz Flohe einen besonders tragischen Verlauf.
Im Mai 2010 schlägt das Schicksal gnadenlos zu: Nach einem Gehirnschlag bricht der Ex-Fußballer zusammen und fällt ins Wachkoma. In diesem Zustand verharrt er über drei Jahre, bis er am 15. Juni 2013 verstirbt. Doch in der Domstadt wird man sich den flinken und technisch brillanten Ballkünstler noch lange ins Gedächtnis rufen. Zu seinen Ehren hat der 1. FC Köln die "Fußballschule Heinz Flohe" gegründet und im Oktober 2014 vor der Südtribüne des Rheinenergiestadions eine große Heinz-Flohe-Bronze-Statue errichtet. Ein würdiges Andenken.
- Eigene Recherchen
- Gespräch mit Jupp Kapellmann
- Biografie: "Heinz Flohe – der mit dem Ball tanzte: Ein Leben zwischen Triumph und Tragik"