Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Karneval, das erste Mal Ein Anfänger-Fazit zum 11.11.: Überraschend stumpf
Unser Reporter stammt aus Norddeutschland und hat sich am 11.11. das erste Mal beim Karneval unter die Jecken gemischt. Den Trubel fand er eher enttäuschend.
Da stand ich nun in meinem Zirkusdirektor-Kostüm auf der Zülpicher Straße in Köln, mit einem "Früh"-Kölsch aus der Dose, das ich für 3,50 Euro beim Dönerladen gekauft hatte. Um mich herum Zehntausend junge Menschen zwischen 15 und 30 Jahre alt, mehr oder weniger ambitioniert verkleidet, etwa als Panda, Polizist oder Bierglas.
Das also ist der 11.11., auf den hier in Köln alle seit dem letzten Aschermittwoch so sehnsüchtig gewartet haben. Ich komme aus Norddeutschland und bin zum allerersten Mal dabei. Und es tut mir leid, liebe Kölner und Narren, aber ganz ehrlich: Ich finde euren Karneval überraschend stumpf.
Ich schreibe hier nur über den 11.11., zu dem großen Karneval im Frühjahr erlaube ich mir keinen Kommentar, den kenne ich noch nicht. Ich weiß aber nicht, ob ich mir das auch noch antue, denn zumindest der Auftakt der Karnevalssaison hat mir wenig Lust auf mehr gemacht. Vieles, was hier in Köln stattfindet, gibt es auch woanders; mir geht einfach nicht in den Kopf, was daran jetzt das Besondere sein soll.
Billiger Schnaps und noch billigere Kostüme
Ich habe nichts gegen Alkohol, wirklich nicht. Ich war als Jugendlicher auf vielen Zeltfeten bei uns in Norddeutschland, die sich durch ein exquisites Preis-Leistungs-Verhältnis auszeichneten: Damals kostete der Eintritt 5 Euro und Cola-Korn 1 Euro. Auch das Hurricane-Festival oder Rock am Ring habe ich viele Jahre besucht und kürzlich auch das Oktoberfest. In großen Gruppen einen zu heben macht schon Spaß, auch am 11.11. in Köln.
Den Karnevalsauftakt finde ich aber besonders schwach. Abertausende treffen sich, zumindest um den Hotspot der Zülpicher Straße, stehen ab 9 Uhr dicht an dicht, trinken billigen Alkohol und tragen Kostüme, die häufig recht lieblos und teils einfach wie ein Alibi wirken: Man besorge sich für fünf Euro ein paar Plastikhandschellen, schon ist man eine Polizistin. Man ziehe eine schwarze Weste an, schon ist man Geheimagent. Ganz große Verkleidungskunst.
Einziger Punkt auf der Tagesordnung: Um 11.11 Uhr kurz runterzählen, sich in die Arme fallen, dann wird weiter gebechert. Ich weiß natürlich, dass die großen Umzüge erst im Frühjahr stattfinden, ich hätte aber mehr Ritus und Brimborium erwartet. Bemerkenswert sind dann am ehesten noch die Müllberge, die das Narrenvolk hinterlässt.
Rot-weiße Selbstbeweihräucherung
In den Kneipen ist die Party etwas gemütlicher, die kölsche Musik und der Dialekt gefallen mir gut, aber die Texte triefen vor Selbstverliebtheit. Etwa das Lied "Liebe deine Stadt" von Cat Ballou und Mo-Torres: "Was ich für dich empfinde, ist, was 'Liebe' heißt. Ich bekomme Heimweh, sobald ich die Stadtmauern verlasse."
Wenn hier die Luft nicht schwanger ist von rot-weißer Selbstbeweihräucherung, dann weiß ich auch nicht. Ich will nicht undankbar erscheinen, die Karnevalisten haben mich als einsamen Außenseiter freundlich aufgenommen und ihre Getränke mit mir geteilt, aber Gastfreundschaft können andere Städte und Bundesländer auch.
Und ein Wort noch zum Bier: Alle feiern am Kölsch die kleinen praktischen Gläser. Doch bei genauerem Nachdenken verrät es viel über den Geschmack eines Bieres, wenn jedermann nur über das Behältnis, aber kaum über den Inhalt redet.
Also, sorry, liebe Kölner, zumindest mit dem 11.11. habt ihr mich nicht vom Karneval überzeugt. Ich hatte einen netten Tag, aber mehr auch nicht. Dafür muss ich nicht extra nach Köln fahren, das gibt es auch woanders.
- Reporter vor Ort