Kiel Politologe: Günther braucht klaren Vorsprung bei der Wahl
Einen Monat vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein zeichnet sich für den Politikwissenschaftler Prof. Wilhelm Knelangen die künftige Regierungskonstellation immer noch nicht ab. "Es ist immer noch alles völlig offen und das wird auch bis zum 8. Mai so bleiben", sagte Knelangen der Deutschen Presse-Agentur. "Die Wählerinnen und Wähler werden am Wahltag keine klare Auskunft dazu haben, was sie mit ihrer Stimme eigentlich bewirken beziehungsweise anrichten." Möglicherweise werde selbst am Wahlabend nicht klar sein, welches Bündnis künftig im Norden regieren werde.
Bei einer am 31. März veröffentlichten repräsentativen Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks kam die Union in der sogenannten Sonntagsfrage auf 36 Prozent, die SPD auf 20 Prozent. "Aber selbst wenn dieser Vorsprung am Wahltag genauso eintreffen sollte, dann ist das für Daniel Günther (CDU) nicht die Garantie, auch weiterhin Ministerpräsident zu bleiben", sagte Knelangen. Ein deutlicher Vorsprung der Union sei die Grundvoraussetzung dafür. "Die CDU wird dann argumentieren, es sei der Wählerwille, dass Günther Regierungschef bleibe. Aber Günther steht eben nicht direkt zur Wahl." Dadurch könne der Druck auf die Grünen steigen. Umfragen zufolge wäre eine schwarz-grüne Koalition möglich.
Sicher ist laut Knelangen nur, dass die CDU Koalitionspartner brauchen wird. "Was ist aber, wenn die Grünen vor der SPD liegen und die Grünen die Möglichkeit hätten, ohne CDU eine Regierung unter einer Ministerpräsidentin Monika Heinold (Grüne) zu bilden?" Genauso sei vorstellbar, dass der von der Fünf-Prozent-Hürde befreite SSW eine Rolle spiele, vorstellbar in einer Neuauflage der Küstenkoalition mit SPD und Grünen oder in einem Bündnis mit CDU und FDP. "Weder CDU, SPD noch Grüne können im Moment sicher sagen, dass sie künftig der Regierung angehören."
Der Wahlsieg der SPD im Saarland habe die Stimmung der Sozialdemokraten im Norden aufgehellt, sagte Knelangen. "Daraus lassen sich aber keine wirklichen Schlussfolgerungen für die Kieler Verhältnisse ableiten." Die Bedingungen seien hier anders. Einerseits habe der abgewählte Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) im Gegensatz zu Günther schlechte Zustimmungswerte gehabt. Günthers Werte seien dagegen sehr hoch. Zudem sei Anke Rehlinger (SPD) eine im Saarland offensichtlich beliebte Ministerin gewesen. "Und das kann SPD-Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller als Person gegenwärtig einfach noch nicht nachweisen. Er hat jetzt noch vier Wochen Zeit, sein Profil zu schärfen."
Inhaltlich sei die Nord-CDU im Wahlkampf zwar "ziemlich blass", während die SPD mit Themen punkten und Losse-Müller als kompetenten Kandidaten darstellen wolle, sagte Knelangen. Der Krieg in der Ukraine habe die Karten aber neu gemischt. "Es fällt der SPD schwer, mit ihren Themen durchzudringen." Ihr könne nur ein rasches Kriegsende helfen, denn die Bedeutung der Kandidaten habe deutlich zugenommen.