Kiel Schleswig-Holstein setzt Corona-Öffnungskurs fort
Trotz stark gestiegener Infektionszahlen mit Rekordwerten schafft Schleswig-Holstein die strengen Corona- Schutzmaßnahmen jetzt fast durchweg ab - anders als seine deutschen Nachbarländer. "Wie angekündigt werden wir im Einklang mit den geplanten Bundesregeln viele grundrechtseinschränkende Maßnahmen ab diesem Wochenende aufheben", erklärte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Mittwoch in Kiel. Damit entfallen von Samstag an Vorschriften wie Zugangs- und Kapazitätsbeschränkungen weitgehend. Masken- und Testpflichten gibt es weiterhin.
Die Regierung hatte sich erneut mit ihrem Expertenrat abgestimmt. Sie begründet ihr Vorgehen mit der beherrschbaren Situation in den Krankenhäusern und der im Ländervergleich hohen Impfquote. Die Infektionszahlen seien hoch, aber die Krankheitsverläufe meist mild, sagte Günther. Masken tragen und Testen blieben wichtig.
Nur in Diskotheken und ähnlichen Lokalen gilt weiter 2G plus, also dürfen nur geimpfte und genesene Menschen hinein, wenn sie außerdem einen aktuellen negativen Test vorlegen. Bis 2. April müssen beispielsweise bei größeren Veranstaltungen drinnen, im Einzelhandel, bei körpernahen Dienstleistungen, im öffentlichen Nahverkehr und beim Besuch im Krankenhaus noch Masken getragen werden. Testpflichten bestehen weiter für Krankenhäuser, Beschäftigte und Eltern in Kitas sowie in Pflegeeinrichtungen und der Eingliederungshilfe.
Er sei froh, dass Schleswig-Holstein seinen Weg weitergehen kann, sagte Günther. Er rief die Bürger auf, die weiter bestehenden Regeln zu befolgen und Eigenverantwortung zu tragen. Das könne heißen, weiterhin Masken auch dort zu tragen, wo es nicht vorgeschrieben ist.
Für die Schüler soll die Testpflicht wegfallen. Kostenlose Tests werden aber weiter angeboten. Die Maskenpflicht an Schulen soll bis zu den Osterferien bestehen bleiben.
"Eine Überlastung des Gesundheitssystems besteht derzeit nicht", sagte Günther. Trotz vielfach höherer Infektionszahlen als Anfang 2020 müssten weniger Menschen wegen Covid-19 auf Intensivstationen behandelt werden. "Damit ist die Rücknahme der Einschränkungen nicht nur möglich, sondern geboten."
Die Zahl neuer Infektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen ist am Dienstag auf den Höchstwert von 1417,9 gestiegen, nach 1020,6 eine Woche zuvor. Damit liegt der Norden nur noch knapp unter dem Bundesschnitt. Die Zahl neuer Ansteckungen an einem Tag schnellte auf 9104 - ebenfalls Höchstwert. 80,5 Prozent der Schleswig-Holsteiner haben eine Grundimmunisierung gegen das Virus erhalten - das ist Platz vier in Deutschland. 70,4 Prozent mit Auffrischungsimpfung bedeuten den Höchstwert.
Im Zusammenhang mit Corona lagen zuletzt 500 Patienten in Kliniken, 46 wurden auf einer Intensivstation behandelt und 23 dort beatmet. Die Zahl der in Krankenhäuser neu aufgenommenen Corona-Erkrankten je 100.000 Menschen binnen einer Woche stieg auf 4,33. Dieser Wert war zuvor schon höher. Die Belastung der Kliniken ist damit moderat.
Anfang März hatte in vielen Bereichen 3G die strengeren 2G- (Geimpft, Genesen) und 2G-Plus-Regeln (Geimpfte und Genesene plus tagesaktueller Test oder Booster-Impfung) abgelöst. Auch Diskotheken durften wieder öffnen - mit 2G plus. Bei Veranstaltungen drinnen unter 500 Teilnehmern galt 3G, das nun auch entfällt.
Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) hält Masken und Testen in bestimmten Bereichen weiter für wichtig. "Der Verlauf der Pandemie hat gezeigt, dass diese vergleichsweise milden Mittel eine große Wirkung zum Schutz der eigenen Gesundheit und der Gesundheit anderer haben."
Vize-Ministerpräsidentin Monika Heinold (Grüne) kritisierte das neue Bundesinfektionsschutzgesetz. "Die Hot-Spot-Strategie ist nicht praktikabel." Die Länder hätten mehr Handlungsoptionen gebraucht. Schleswig-Holstein werde die Möglichkeiten nutzen, die das Gesetz gebe. Vorsicht sei weiterhin geboten. Es dürfe nicht geschehen, dass die Krankenhäuser bereits voll sein werden, wenn sie Flüchtlinge behandeln müssen.
Dass Schleswig-Holstein Masken- und Testpflichten in bestimmten Bereichen fortführen wird, erlaubt das Infektionsschutzgesetz für eine Übergangszeit. Dies zu tun, sei eine wichtige Voraussetzung, um umfassende Freiheiten in nahezu allen Lebensbereichen zurückzuerhalten, sagte Garg. "Wir kommen jetzt in eine Phase neuer Verantwortung für uns alle", meinte SPD-Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller. "Mit der Maske kann man sich und andere schützen."
Besucher von Krankenhäusern und Pflegeheimen müssen weiter FFP2-Masken tragen, in den Heimen aber nicht mehr in den Zimmern der Bewohner. Angesichts bundesweit steigender Infektionszahlen haben mehrere Länder Corona-Beschränkungen bis 2. April verlängert oder das angekündigt, auch Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern.