Kiel Ukraine-Krieg: Wirtschaftsgipfel berät Folgen für das Land
Mit Spitzenvertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften hat Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Dienstag mögliche Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine für Schleswig-Holstein erörtert. Zu den zentralen Punkten gehörten laut Staatskanzlei Auswirkungen der gegen Russland beschlossenen Sanktionen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft im Land sowie ökonomische und soziale Folgen der stark steigenden Energiepreise. Einig war die Runde demnach in der Notwendigkeit der Wirtschaftssanktionen. Günther habe sich beeindruckt gezeigt von der Bereitschaft von Unternehmen und Bürgern, Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen.
Diskutiert wurden auch die Ankündigung der Bundesregierung, die Verteidigungsausgaben deutlich zu steigern und daraus resultierende Folgerungen für die Rüstungsindustrie in Schleswig-Holstein. Günther unterstützte die geplante Ausstattung des Bundeshaushalts mit einem Sondervermögen "Bundesweh" von 100 Milliarden Euro für Investitionen und Rüstungsvorhaben. Auch der Präsident der Unternehmensverbände Nord, Philip Murmann, begrüßte dies. "Wir haben eine starke wehrtechnische Industrie mit qualifizierten Arbeitsplätzen, die dafür einen hervorragenden Beitrag leisten kann."
Im Norden dominiert der Marineschiffbau. So werden in Kiel U-Boote und Korvetten gebaut, aber auch wichtige Zulieferprodukte kommen von hier. Zum Arbeitskreis Wehrtechnik im Land gehören nach Angaben seines Vorsitzenden Dieter Hanel 30 Unternehmen mit 7300 Beschäftigten, 16 davon aus dem Marineschiffbau. Im Land werden auch gepanzerte Fahrzeuge gebaut und Entwicklungsleistungen für solche erledigt. Die Produkte gehen sowohl an die Bundeswehr als auch in den Export in zahlreiche Länder. Das jährliche Umsatzvolumen der Branche im Land liegt Hanel zufolge zwischen einer und zwei Milliarden Euro. Die jeweilige Summe hängt auch davon ab, wann ein Großauftrag abgerechnet wird, zum Beispiel über ein U-Boot.
Günther bekräftigte die Entschlossenheit der Landesregierung, den Bau eines LNG-Terminals für verflüssigtes Erdgas in Brunsbüttel mit Hochdruck voranzutreiben. "LNG ist eine Alternative zu russischem Gas, und perspektivisch soll dieses Terminal auch für die Aufnahme von grünem Wasserstoff geeignet sein", erklärte er. Der Bund müsse das Planungs- und Genehmigungsrecht zügig beschleunigen.
"Angesichts des Klimawandels und der sicherheitspolitischen Relevanz muss es bei der Energiewende jetzt in Rekordtempo vorangehen", äußerte Finanzministerin Monika Heinold (Grüne). "Wir brauchen einen Pakt für energiepolitische Unabhängigkeit." Dafür müssten Politik und Wirtschaft an einem Strang ziehen.
Für die Leistungsfähigkeit der Wehrtechnik in Deutschland sei es wichtig, die Fähigkeiten der Unternehmen in die Programme der Bundesregierung einzubringen, sagte Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP). Es passe auch nicht in die Zeit, Investitionen in Wehr- und Rüstungstechnik als nicht nachhaltig zu kritisieren.
"Wir dürfen keine Zeit verlieren, um unsere Energieversorgung zu diversifizieren", erklärte UV Nord-Präsident Murmann. Industrie und Wirtschaft seien auf eine wettbewerbsfähige und zuverlässige Energieversorgung angewiesen. Ungehemmt steigende Energiepreise würden den dringend benötigen Aufschwung nach der Pandemie abwürgen.
Die direkten Belastungen der EU-Sanktionen gegen Russland seien für die meisten Unternehmen im Land beherrschbar, sagte IHK-Vizepräsident Knud Hansen. Gleichwohl sei die Betroffenheit in Einzelfällen hoch, etwa wegen ausstehender Zahlungseingänge oder logistischer Hindernisse für Warentransporte. So fehlten plötzlich Zehntausende ukrainische Lastwagenfahrer in Diensten polnischer Spediteure auch für Fahrten in Westeuropa. Die Ausschläge an den Rohstoff-, Energie- und Getreidebörsen träfen alle Gewerbetreibenden und Verbraucher. Zu befürchten sei auch, dass das Russlandgeschäft hiesiger Unternehmen vorübergehend zum Erliegen komme.
"Um die Rohstoffabhängigkeit zu minimieren, steht die schnelle Umsetzung der Energiewende ganz oben auf der Tagesordnung", sagte die Vorsitzende des DGB Nord, Laura Pooth. Energie-, Heiz- und Mobilitätskosten müssten auch für Haushalte mit niedrigem Einkommen bezahlbar bleiben. Es drohten Mehrkosten von monatlich 100 Euro pro Familie. Zusätzliche Belastungen müsse die Politik abfedern. So würde ein vorübergehender Gaspreisdeckel entlastend wirken.