Kiel Kieler Landtag verurteilt russischen Angriff auf Ukraine
Der Kriegsausbruch in der Ukraine hat auch die Landespolitiker in Kiel schockiert. Unter dem Eindruck des russischen Angriffs kam das Parlament am Donnerstag planmäßig zusammen - ging aber nach einer Erklärung von Parlamentsvizepräsidentin Aminata Touré (Grüne) nicht zur Tagesordnung über.
Parlament und Regierung verurteilten Russland scharf. "Die mit dem militärischen Angriff einhergehende Verletzung der territorialen Integrität und der Souveränität der Ukraine stellen einen eklatanten Völkerrechtsbruch dar", heißt es in einem einstimmig gefassten Beschluss. "Russland muss sich sofort aus der Ukraine zurückziehen und umgehend sämtliche militärische Aktionen einstellen."
Ministerpräsident Daniel Günther bekundete volle Solidarität mit der Ukraine. Es gehe hier aber nicht nur um die Ukraine, sondern ganz Osteuropa sehe sich einem offenen russischen Imperialismus gegenüber, sagte der CDU-Politiker.
Mit einer Schweigeminute hielt der Landtag angesichts der dramatischen Entwicklung inne. "Wir schauen voller Grauen in den Abgrund, der sich vor der Menschheit auftut", sagte Vizepräsidentin Touré. Kriege führten nicht zu nationaler Größe, zu Ruhm oder zu Ehre, sondern sie zerstörten Lebensglück, brächten Schmerz, Verzweiflung und menschliche Abgründe.
Regierungschef Günther kündigte Vorkehrungen zum Schutz der kritischen Infrastruktur an. "Die Innenministerin hat veranlasst, dass in Polizei, Verfassungsschutz, Katastrophenschutz und im Bereich der Zuwanderung schnellstmöglich Vorbereitungen getroffen werden." Zuvor hatten die Innenminister von Bund und Ländern über solche Maßnahmen beraten.
Polizei und Verfassungsschutz bereiteten sich auf Cyber-Angriffe, sagte Günther. Ukrainische Einrichtungen würden identifiziert und Schutzmaßnahmen eingeleitet, falls erforderlich. Die 1. Einsatzhundertschaft der Polizei in Eutin sei in Bereitschaft versetzt worden, "um kurzfristig auf Versammlungslagen zu reagieren".
Der Katastrophenschutz bereite alle nötigen Strukturen vor, um einen Krisenstab der Regierung kurzfristig einzurichten, sagte Günther. Der Schutz besonders verletzlicher Einrichtungen der kritischen Infrastruktur werde vorbereitet, besonders im Hinblick auf die Energieversorgung. Die Abteilung für Zuwanderung bereite sich auf mögliche Fluchtbewegungen aus der Ukraine vor. Der Verfassungsschutz beobachte Desinformationskampagnen und übernehme eine wichtige Funktion beim Schutz vor Wirtschaftsspionage.
Schleswig-Holstein bereite sich in enger Abstimmung mit Bund und Kommunen auf alle Eventualitäten vor, erklärte auch Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU). Ein Ziel sei es, Aufenthalte eingereister Menschen aus der Ukraine bei Bedarf unbürokratisch zu verlängern. Für den Fall größerer Fluchtbewegungen in die Anrainerstaaten der Ukraine würden die Landesunterkünfte auf kurzfristige Belegungen über die aktuelle Kapazität hinaus vorbereitet.
Von einem "rabenschwarzen Tag für Europa, die Welt, für die gesamte Nachkriegsordnung und vor allem für die Menschen in der Ukraine" sprach SPD-Fraktionschefin Serpil Midyatli. Putin gehe es darum, die geostrategische Lage in Europa zu verändern. "Darauf muss es jetzt sehr schnell und eng abgestimmt mit unseren Partnern in EU, Nato und der G7 entschlossene Reaktionen geben." Eine weitere militärische Eskalation in Europa sei unbedingt zu verhindern.
Allein mit Diplomatie sei es nicht mehr getan, sagte CDU-Fraktionschef Tobias Koch. Für Waffenlieferungen an die Ukraine sei es nun aber zu spät. "Zur bitteren Wahrheit des heutigen Tages gehört, dass wir die Ukraine mit dieser fehlenden Unterstützung ihrem Schicksal überlassen haben." Deutschland sollte auch über einen sofortigen Komplett-Verzicht auf russisches Gas nachdenken, wenn es das Land mit Sanktionen treffen wolle. Koch forderte eine Aufstockung des Verteidigungsetats und brachte ein Wiederaufleben der Wehrpflicht ins Spiel.
"Ich bin nicht überrascht und doch schockiert", sagte Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben und widersprach Koch: "Wir werden Krieg nicht vermeiden können, indem wir uns stärker aufrüsten". Ein militärischer Weg werde nicht zum Frieden in Europa führen. Es müsse alles getan werden, um Putin zu stoppen und diesen Krieg zu beenden.
"Es ist eine absolute Katastrophe, dass mitten in Europa mit kruder Geschichtsklitterung, dreisten Lügen und militärischer Gewalt wieder Grenzen verschoben werden", sagte FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. "Unsere außen- und sicherheitspolitische Ausrichtung werden wir an diese Realität anpassen müssen." Die Bundeswehr müsse angemessen ausstattet werden. "Das hat übrigens nichts mit Aufrüstung zu tun, sondern ist leider schlichtweg eine verteidigungspolitische Notwendigkeit."
Auch SSW-Fraktionschef Lars Harms forderte Stärke: "Die Erfahrung zeigt, dass solche Herrscher sich nicht von ihren Taten abhalten lassen, wenn man Schwäche zeigt". Selbst bei Sanktionen gegen sein Volk werde Putin seine Kriegspolitik zu Ende bringen wollen.
Auch Jörg Nobis von der AfD verurteilte Russlands Angriff. Eine Lösung für die Ukraine müsse am Verhandlungstisch gesucht werden. Deutschland stehe auch vor dem Scherbenhaufen einer gescheiterten Ostpolitik mehrerer Regierungen: "Man hat es nach Ende des Kalten Krieges unterlassen, Russland aktiv - und vor allem auf Augenhöhe - in eine europäische Sicherheitsarchitektur einzubinden".
Auf weitere Landtagsthemen verzichtete das Parlament. Nach der Russland-Ukraine-Debatte brach es die Donnerstagsitzung ab.