Kiel Grüne mit mutigem Wahlprogramm: Dämpfer für Spitzenduo
Mit einem sehr ambitionierten Programm steuern die Grünen die Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 8. Mai an - die sie gewinnen wollen. "Wir gehen selbstbewusst in diesen Wahlkampf", sagte Spitzenkandidatin Monika Heinold auf einem digitalen Parteitag am Samstag. Die 63-Jährige will als Ministerpräsidentin Daniel Günther (CDU) ablösen. "Mit mir habt ihr eine Spitzenkandidatin, deren Herz für soziale Gerechtigkeit und für Klimaschutz schlägt." Bei diesem Punkt haben die Grünen ihre Ziele noch einmal aufgestockt.
Am Sonntag beschlossen sie nach intensiven zweitägigen Diskussionen fast einstimmig ihr Wahlprogramm, in dem sie auf über 150 Seiten ihre Positionen zu allen relevanten Themen auflisten, mit Klimaschutz als Leitmotiv. Es gab 115 Ja-Stimmen, kein Nein und zwei Enthaltungen.
Heinold zog ein positives Fazit der Regierungsbeteiligung seit 2012: "Noch nie wurde in unserem Land so viel investiert, modernisiert und saniert wie mit mir als grüner Finanzministerin". Die Grünen machten Politik mit der Mitte der Gesellschaft, visionär und bodenständig.
"Wenn man davon überzeugt ist, dass man die besten Konzepte hat, dann sollte man auch beanspruchen, als Stärkste durchs Ziel zu laufen", sagte Co-Spitzenkandidatin und Landtagsvizepräsidentin Aminata Touré (29) am Samstag. "Lasst uns nicht mit einer Gemütlichkeit in den Wahlkampf gehen, die da sagt, ach wir werden schon wieder mitregieren!". Voller Einsatz sei nötig. Umfragen sehen die Grünen hinter CDU und SPD. Seit 2017 regieren sie mit CDU und FDP, davor mit SPD und SSW. Sie gehen ohne Koalitionsaussage in die Wahl.
Der Landesvorsitzende Steffen Regis sprach vom ambitioniertesten Regierungsprogramm, das Schleswig-Holstein je gesehen habe. Ein Ziel ist Klimaneutralität schon 2035. Die Grünen setzten angesichts der gewaltigen Herausforderungen mit aller Konsequenz auf Klimaschutz und duckten sich nicht weg, sagte Regis. Das Programm sei mutig, aber kein Wolkenkuckucksheim, meinte Heinold.
Überraschung am Sonntag: Gegen den Willen ihrer Landesminister und Spitzenkandidatinnen lehnten die Grünen nach kontroverser Debatte ein Terminal für verflüssigtes Erdgas erneut klar ab und verwarfen einen Kompromiss. "Schleswig-Holstein braucht kein LNG-Terminal", steht im Beschluss. Keine Mehrheit fand ein Vorschlag, mit dem ein Terminal auf Initiative von Energieminister Jan Philipp Albrecht unter Bedingungen akzeptiert werden sollte. Hintergrund ist die Abhängigkeit von russischem Gas, mit der auch Bundesminister Robert Habeck sein Votum für ein solches Terminal begründet hat.
"Wenn die Bundesregierung ein Importterminal für notwendig erachtet, soll dieses für LNG und grünen Wasserstoff oder seine Produkte aus erneuerbaren Energien geeignet sein", hieß es in dem gescheiterten Antrag, für den auch die Spitzenkandidatinnen Heinold und Touré geworben hatten. "Es kann übergangsweise mit LNG betrieben werden, um Versorgungslücken zu vermeiden." Die Zukunft der Energieversorgung sei aber klimaneutral und dafür solle bis 2035 die Nutzung fossiler Gase enden. Für diesen Antrag gab es nur 56 von 122 Stimmen.
Ein LNG-Terminal - im Land ist eines für Brunsbüttel geplant - könnte auch Erdgas aus den USA umschlagen. Auf dem Parteitag wurde auch bezweifelt, dass ein Terminal für Gas und Wasserstoff zugleich geeignet sein kann. Zudem könne ein Terminal, das erst in Jahren fertig sein würde, die drohende Versorgungslücke nicht schließen.
Albrecht verwies auf die angespannte geopolitische Lange und mögliche Folgen für die Energieversorgung. Die Grünen sollten den Einschätzungen ihrer Bundesminister vertrauen. Albrecht warnte auch vor "Flurschaden" für Heinold und Touré, die seinen Antrag unterstützten.
Touré betonte unter Hinweis auf den Russland-Ukraine-Konflikt die Notwendigkeit, jederzeit Versorgungssicherheit zu gewährleisten. LNG sei aber keine Zukunftstechnologie. Die Entscheidung treffe die Bundesregierung, sagte Heinold. Die Landespartei könne aber ihre Erwartungen zur Nutzung von Wasserstofftechnologien formulieren.
Klammer des Wahlprogramms sei das Zusammenbringen von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit, sagte Heinold. "Wir sagen auch, was es braucht, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht zu gefährden." Für den Klimaschutz wollen die Grünen auch alle geeigneten Moorflächen renaturieren und den Ausbau der Windkraft an Land auf 15 Gigawatt Leistung erweitern. Bisher waren zehn Gigawatt das Ziel.
Die Grünen wollen den Anteil des Ökolandbaus von 7 auf 30 Prozent steigern. Sie streben eine Mobilitätsgarantie vom frühen Morgen bis in die Nacht hinein an. Das Wahlprogramm ist für Heinold "eine fette to-do-Liste" für die nächste Wahlperiode - mit vielen Großbaustellen. Nun wollten die Grünen ihr Programm auf Marktplätze und an Haustüren tragen, um möglichst viele Menschen zu überzeugen, sagte die Co-Landesvorsitzende Anna Tranziska beim Parteitagsabschluss.