Kiel SH fordert zügige Entscheidung über Munition im Meer
Schleswig-Holstein verlangt einen baldigen Einstieg in die Bergung gefährlicher Kriegsmunition aus dem Meer und vom Bund eine rasche Entscheidung über eine faire Lastenteilung. Dies machte Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) am Donnerstag im Landtag klar. Die Technologie zur Bergung in großem Maßstab sei verfügbar. "Der Einstieg in die Bergung könnte und muss so bald wie möglich beginnen", sagte Albrecht. Diese Mammutaufgabe könne Schleswig-Holstein nicht alleine bewältigen.
In den deutschen Teilen von Nord- und Ostsee liegen einem Regierungsbericht zufolge in 71 belasteten Gebieten 1,6 Millionen Tonnen konventionelle und etwa 5000 Tonnen chemische Kampfstoffe. Angesichts dieser Dimension geht es bei Bergung und Entsorgung um eine hohe Milliardensumme.
"Die Hüllen der Munitionskörper rosten durch und ihre Inhaltsstoffe geraten in die Meeresgewässer", erläuterte Albrecht. "Dort wiederum werden sie von Meeresorganismen aufgenommen und landen dann möglicherweise auf unseren Tellern." Die höchsten Konzentrationen dieser krebserregenden Stoffe würden in Versenkungsgebieten der Ostsee gemessen. "Nicht nur im Wasser, sondern auch in Tieren."
Albrecht warb ausdrücklich um die Unterstützung von Bund und Ländern für den Einstieg in die Bergung. Die vorhandenen Daten müssten auch endlich zu einem nationalen Munitionskataster See zusammengefasst werden. Bund und Länder müssten gemeinsam an einem Strang ziehen und sich in weiteren Gesprächen auf eine faire Lastenteilung einigen, sagte der Minister. "Das erwarte ich von der nächsten Bundesregierung." Das Land habe alles getan, um eine finale Entscheidung am besten bis Ende des Jahres zu ermöglichen.
Das Problem müsse endlich angegangen werden, sagte der CDU-Abgeordnete Heiner Rickers. Er verwies auf konkrete Gefahren: Grundnetze von Fischern könnten Bomben aufnehmen oder am Strand könne - ähnlich wie Bernstein aussehender - weißer Phosphor anlanden, der schwere Verbrennungen auslösen kann.
Zur Bergung würden umweltgerechte Lösungen im industriellen Maßstab benötigt, sagte Sandra Redmann von der SPD. Schleswig-Holstein sei vom "schrecklichen Dreck der Vergangenheit". Die Grüne Marlies Fritzen verwies auf Verdriftungsgefahren: Im Zweifel wisse man nicht, wohin Munition dann gelangt ist. Die Bundesregierung müsse endlich die Federführung für die Bergung übernehmen. Die nächste Bundesregierung müsse das Thema auf ihre Agenda nehmen.
Dennys Bornhöft von der FDP sprach Gefahren aus den Altlasten für Schifffahrt und Energiewende an. Der Bau von Entsorgungsplattformen könne aber auch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze im Land führen. Schleswig-Holstein wäre der ideale Standort für ein Cluster zur Bergung und Entsorgung von Kampfstoffen. Auch vor den Küsten anderer Länder gebe es Probleme mit Munitionsaltlasten.
Die Regierung betont in ihrem Bericht die Dringlichkeit der Munitionsentsorgung. "Von Munition in Nord- und Ostsee gehen vielfältige Gefahren für Mensch und Umwelt aus", erklärte eine Arbeitsgemeinschaft von Bund und Ländern. "Das Risiko ergibt sich aus Art und Dichte der Kampfmittelbelastung und der Form der Nutzung der Meeresgebiete, Ufer und Strände." Kampfmittel setzen mit zunehmender Korrosion der Metallhüllen toxische Stoffe frei.