Kiel Corona-Höchstzahlen im Norden und drastische Beschränkungen
Schleswig-Holstein steht bislang in der Corona-Pandemie im bundesweiten Vergleich gut da - doch die Zahlen steigen mittlerweile rasant. Innerhalb eines Tages sind 278 Corona-Neuninfektionen registriert worden, so viele wie noch nie seit dem Ausbruch der Pandemie im Frühjahr. Die Landesregierung veröffentlichte die Zahlen am Mittwochmorgen im Internet. Die Zahl der Ansteckungen pro 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen lag nach Angaben des Robert Koch-Instituts am Mittwoch (Stand 0.00 Uhr) für Schleswig-Holstein bei 41,81. Bundesweit lag die sogenannte Inzidenzzahl am Mittwoch bei 93,6; in der Woche zuvor (21.10.) waren es 51,5 Fälle.
Besonders betroffen im Norden sind die Kreise Segeberg (57,4), Pinneberg (62,3) und Stormarn (68,8). In Stormarn und Pinneberg sowie in Lübeck, das am Dienstag einen Wert von mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen verzeichnete, gilt seit Mittwoch neben weiteren Verschärfungen unter anderem eine Maskenpflicht im Unterricht auch für Grundschüler. Im Kreis Segeberg soll eine entsprechende Allgemeinverfügung am Donnerstag in Kraft treten. In Lübeck lag der Wert am Mittwoch (Stand 0.00 Uhr) nach RKI-Angaben bei 46,6, in Dithmarschen bei 44,3, in Nordfriesland bei 44,0.
Die Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein warnte davor, dass eine zweite Corona-Welle schon bald auch im Norden zu erheblichen Auswirkungen auch auf die Gesundheitsversorgung führen wird. Ihrer Ansicht nach sollten unter anderem Pflege-Berufsaussteiger als Reserve gesichert werden. Diese könnten etwa die Einrichtungen bei der Hygieneunterweisung von Besuchern in der stationären Langzeitpflege unterstützen. Kammerpräsidentin Patricia Drube sendete zudem einen Appell an die Bevölkerung: "Bleiben Sie im Interesse aller zu Hause. Wenn wir uns jetzt nicht solidarisch verhalten, haben wir Krankenhäuser und Pflegeheime - aber niemanden, der dort arbeitet."
Am Mittwochnachmittag berieten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder in einer Videokonferenz über weitere massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus den Beratungen erfuhr, soll es ab 2. November bis zum Monatsende einen neuen Lockdown für einige Bereiche geben: Gastronomiebetriebe sollen geschlossen bleiben, auch Theater, Opern, Konzerthäuser und Sportstätten. Der gemeinsame Aufenthalt in der Öffentlichkeit soll nur noch Angehörigen des eigenen und eines weiteren Hausstandes mit maximal zehn Personen gestatten werden. Bund und Länder wollen damit die massiv steigenden Corona-Infektionszahlen in den Griff bekommen.
Die IHK Schleswig-Holstein hatte sich vor den Beratungen für die Beibehaltung des Regionalitätsprinzips ausgesprochen. Wirtschaftliches Handeln solle dort ermöglicht werden, wo es verantwortlich und unter Einhaltung von Hygieneregeln geschehen könne, teilte die Industrie- und Handelskammer (IHK) am Mittwochmittag mit. Die vergangenen Sommermonate haben nach IHK-Angaben in Schleswig-Holstein gezeigt, dass weder Besuche in der Gastronomie, Einkaufen im stationären Handel noch touristische Übernachtungen die Infektionszahlen in die Höhe getrieben haben.
Der Hotel- und Gaststättenverband Schleswig-Holstein kritisierte die vom Bund angesichts der rasant steigenden Coronazahlen vorgeschlagenen touristischen Beherbergungsverbote und Schließungen von Gastronomiebetrieben. Die Vorschläge stießen auf großes Unverständnis, sagte Verbandspräsident Axel Strehl. "Es geht um unsere Existenz." Gaststätten und Hotels seien keine Pandemie-Treiber. Neuerliche touristische Beherbergungsverbote und Schließungen von Gastronomiebetrieben bedeuteten für viele Betriebe das Aus.