Koblenz Staatsfolter in Syrien: Verteidigung fordert Freispruch
Im laut Bundesanwaltschaft weltweit ersten Strafprozess um Staatsfolter in Syrien hat die Verteidigung einen Freispruch gefordert. Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz sagte der Anwalt Yorck Fratzky am Donnerstag in seinem Plädoyer, der Angeklagte Anwar R. habe weder selbst gefoltert noch Anweisungen dazu gegeben. Im Gegenteil, der 58-Jährige habe sogar für Freilassungen von Gefangenen gesorgt. Laut Fratzky wollte der frühere syrische Oberst am Donnerstagnachmittag von seinem Recht des letzten Wortes des Angeklagten Gebrauch machen. Er hatte bei Prozessauftakt die Vorwürfe der Anklage abgestritten. Das Urteil will der Staatsschutzsenat voraussichtlich am 108. Verhandlungstag am 13. Januar verkünden.
Die Bundesanwaltschaft wirft Anwar R. Verbrechen gegen die Menschlichkeit 2011 und 2012 in der Anfangsphase des syrischen Bürgerkrieges vor. Der 58-Jährige soll in einem Gefängnis des Allgemeinen Geheimdienstes in der syrischen Hauptstadt Damaskus als Vernehmungschef für die Folter von mindestens 4000 Menschen verantwortlich gewesen sein. Mindestens 30 Gefangene seien währenddessen gestorben. Die Bundesanwaltschaft hatte lebenslange Haft beantragt - und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, was eine Haftentlassung nach 15 Jahren nahezu ausschließt.
Der international beachtete Prozess hatte im April 2020 mit zwei Angeklagten begonnen. Im Februar 2021 wurde der Jüngere, der Syrer Eyad A., bereits zu viereinhalb Jahren Haft wegen Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Über die Revision von Eyad A. gegen sein Urteil ist noch nicht entschieden.
Das Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht erlaubt es, auch hierzulande mögliche Kriegsverbrechen von Ausländern in anderen Staaten zu verfolgen. Anwar R. und Eyad A. waren nach ihrer Flucht in Deutschland 2019 festgenommen worden.