Baden-Baden Ausgang offen: Klage im Skandal um Umweltgift PFC
Ob ein Vergleich im Prozess um Schadenersatz in Millionenhöhe Ruhe in den Skandal rund um das Umweltgift PFC bringt - der Richter am Landgericht Baden-Baden wendet sich am Montag mit einem dringenden Appell an die Beteiligten, sich gütlich zu einigen. Die Zivilklage auf 6,5 Millionen Euro der Stadtwerke Rastatt richtet sich gegen einen Kompostunternehmer, der seinen Kompost mit Abfall aus der Papierindustrie versetzt, an Landwirte verkauft und auf Feldern aufgebracht haben soll. Die Papierschlämme waren, so der Vorwurf, mit sogenannten per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) belastet, die giftig, gesundheitsschädlich und in der Natur praktisch nicht abbaubar sind.
Zum Prozessauftakt werden die Argumente zur Haftung und Verantwortung ausgetauscht - die Klägeranwälte und der Vertreter des Kompostunternehmers widersprechen sich gegenseitig in so gut wie jedem Punkt. Von der Beschaffenheit des Komposts ist die Rede und ob die Verunreinigungen auf bestimmte Felder, auf denen der Kompost landete, beschränkt blieben oder nicht.
Von den Ackerflächen, auf denen Verseuchungen festgestellt wurden, seien etwa ein Drittel gar nicht mit Kompost des Unternehmens bestreut worden, sagt etwa die Beklagte. Außerdem könnten die PFC-Belastungen auch durch Klärschlämme erklärt werden. Es gebe keinen Fall in Deutschland, wo Klärschlamm als Ursache für großflächige PFC-Verunreinigung nachgewiesen worden sei, kontern die Stadtwerke.
Auch über andere mögliche Ursachen der Verseuchung wird gestritten - etwa die Verschmutzung durch mit PFC-versetztes Kerosin kanadischer Militärjets, die den Flugplatz Baden-Airport in der Region über viele Jahre anflogen. Ein Zeuge, der noch heute für den Komposthersteller als Subunternehmer arbeitet und den Dünger über Jahre auf die Felder fuhr, kann am Prozesstag nicht viel Licht ins Dunkel bringen.
Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden hatte Ermittlungen gegen den Kompostunternehmer eingestellt. Die Stadtwerke rechnen sich jedoch Chancen aus, auf zivilrechtlichem Wege Erfolg zu haben. "Wir haben belegt, was zu belegen war", sagt Dieter Eckert, der die Stadtwerke vertritt. "Wir bleiben optimistisch", erklärt er nach der Verhandlung. Es geht schließlich um viel Geld - zuzüglich künftiger Kosten. Auch der beklagte Unternehmer war erschienen.
Der verseuchte Kompost soll zwischen 2006 und 2008 auf Felder in Mittelbaden gebracht worden sein. Gut 1200 Hektar Ackerland sind betroffen. Seit Bekanntwerden des Skandals kämpft die Region mit schwerwiegenden Folgen: Mancherorts gelangten Schadstoffe bis ins Grundwasser. Brunnen mussten geschlossen und Wasserwerke etwa der Stadtwerke Rastatt mit Filteranlagen nachgerüstet werden. Ein sogenanntes Vorerntemonitoring kontrolliert regelmäßig auf jeweils wechselnden Flächen, ob dort angebautes Gemüse verkauft werden kann oder zu stark belastet ist.
Der Richter regt angesichts des hochkomplexen Sachverhalts und der schwierigen Beweislage eine gütliche Einigung an. Der Weg zu einem Nachweis der Haftung des Unternehmens für die ganze Misere sei "sehr weit und steinig", warnt er in Richtung der Stadtwerke. Und in Richtung des Unternehmers: "Falls es zu einem Urteil kommt, wird es ein sehr teures Urteil." Eine Haftpflichtversicherung für solche Fälle hat der Unternehmer nach eigenen Angaben nicht. Die Parteien wollen über Vergleichsvorschläge nachdenken, sehen aber wenig Aussicht auf Erfolg, wie sie im Prozess klar machten.
Am 13. Juni soll das Verfahren fortgesetzt werden. Ausgang offen.