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IG Metall: Kampf gegen Inflation bestimmt Tarifrunden


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IG Metall: Kampf gegen Inflation bestimmt Tarifrunden

Von dpa
10.01.2022Lesedauer: 4 Min.
Thorsten GrögerVergrößern des Bildes
Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, spricht. (Quelle: Moritz Frankenberg/dpa/Archivbild/dpa-bilder)

Mehr Schutz gegen ausufernde Energiepreise und die Sicherung angemessener Lohnsteigerungen trotz hoher Inflation sind für die IG Metall entscheidende Punkte im Tarifjahr 2022. Der Regionalchef in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, Thorsten Gröger, warnte im dpa-Interview davor, dass weiter anziehende Strom- oder Spritkosten manche Verbraucher und Firmen überlasten könnten. Beim VW-Konzern, in dem die Gewerkschaft sehr einflussreich ist, müsse nach neuen Querelen um möglichen Jobabbau zudem Ruhe einkehren. Der Strukturwandel in der Autobranche verlange den Beschäftigten viel ab, die Politik könne hier mehr Vernetzung und Unterstützung anbieten.

In den Tarifrunden müsse nun nach der Zurückhaltung der ersten beiden Corona-Jahre ein deutliches Plus herauskommen, forderte Gröger. "Es wäre aktuell zu früh zu sagen, dass es nicht auch noch andere Notwendigkeiten gibt. Die starken Preiserhöhungen werden aber ein Schwerpunktthema sein." Die Debatte über die konkrete Höhe beginne in den Gremien erst. Klar sei jedoch: "Die Absicherung der Realeinkommen muss angesichts der derzeitigen Teuerung ein zentrales Ziel sein."

Politisch gelte es, vor allem den Strommarkt im Blick zu behalten. Hier nutze die neue Bundesregierung bereits "einige Stellschrauben", sagte Gröger - etwa die Abschaffung der EEG-Umlage, über die Kunden den Ökostrom-Ausbau mitfinanzieren, zum Jahreswechsel 2022/2023.

"In der Transformation der gesamten Industrie ist der Strompreis ein immer wichtigerer Faktor, auch mit Blick auf den höheren Strombedarf und die Erneuerbaren", erklärte Gröger. "Wir müssen insgesamt aufpassen, dass die Energiefrage nicht zur sozialen Frage wird. Wir müssen beispielsweise darauf achten, dass sich in Zukunft nicht nur bestimmte Menschen bestimmte Formen von Mobilität noch leisten können", meinte er in Bezug auf teureren Sprit für Verbrennerantriebe bei gleichzeitig relativ hohen Kosten für das Laden von E-Autos.

Es gehe jetzt darum, "weiter einen guten Ausgleich zwischen der materiellen Ausstattung der Verträge und sicherer Beschäftigung zu erreichen", sagte der Chef des wichtigen IG-Metall-Bezirks. Ende September laufen die Flächentarifverträge in der Metall- und Elektroindustrie aus, zwei Monate später endet der aktuelle Haustarifvertrag bei Volkswagen und den VW-Töchtern. Zuvor geht es ab Ende Mai schon in der Stahlindustrie weiter. Dort werden die Verhandlungen federführend vom IG-Metall-Bezirk NRW geleitet.

Nach dem jüngsten Machtkampf zwischen VW-Vorstandschef Herbert Diess und dem VW-Betriebsrat sprach sich Gröger dafür aus, die Sachthemen im größten europäischen Autokonzern wieder in den Vordergrund zu rücken. "Es ist gut, dass es bei Volkswagen schon länger einen grundsätzlichen Plan gibt, wie der Wandel gestaltet werden soll", sagte er und verwies auf Vereinbarungen wie die "Roadmap Digitale Transformation" oder den "Zukunftspakt" davor. Die lange verhandelten Programme verbinden Kürzungen in klassischen Produktionsbereichen mit Umschulungen und Jobaufbau für die E-Mobilität und Digitalisierung.

"Trotzdem verlangt dieser Wandel den Beschäftigten sehr viel ab", sagte Gröger. "Vielen ist klar, dass sie sich verändern müssen. Damit das funktioniert, braucht es einen sicheren Rahmen." Im Rückblick auf die heftige Auseinandersetzung im Herbst betonte er: "Eher kontraproduktiv ist es, wenn in diesen sicheren Rahmen immer wieder Unsicherheit gebracht wird. Nötig sind nicht Druck und Unsicherheit, sondern Verlässlichkeit bei den vereinbarten Schritten."

Der Konflikt hatte sich an Überlegungen von Diess zu einem womöglich umfangreichen Stellenabbau entzündet, es kursierten aber verschiedene Interpretationen der Aussagen. IG-Metall-Bundeschef Jörg Hofmann, der im VW-Aufsichtsrat sitzt, hatte kürzlich der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesagt: "Das ist jetzt noch mal ein letzter Versuch der Zusammenarbeit. Wir tun das in der Hoffnung, dass seine (Diess') erratischen Ausbrüche ein Ende finden." Falls nicht, werde man sich dem Thema neu stellen müssen. "Ich mache mir da keine Illusionen."

Gröger sagte zum Umbruch in der Branche: "VW hat gute Chancen, wenn man das gemeinsam mit den Beschäftigten macht." Die Führung dürfe allerdings nicht wiederholt neue Verunsicherung stiften - zumal genug drängende Probleme wie der Dauermangel an Elektronik zu bewältigen seien. "Es ist die Hauptaufgabe des Managements, die Voraussetzungen dafür wiederherzustellen, dass die Kundennachfrage bei Volkswagen befriedigt werden kann", sagte der IG-Metaller zur Lage in Wolfsburg. Er betonte: "In dem Punkt würde ich mir Kontinuität wünschen - und nicht, dass geltende Regelungen noch infrage gestellt werden."

Corona habe die Umstellungsschmerzen vielerorts deutlich verschärft. "Aber dass die Produkte unserer Industrie und die Art und Weise, wie sie hergestellt werden, nur zukunftsfähig sind, wenn mittelfristig Klimaneutralität angestrebt und die Digitalisierung klug genutzt wird - das wird auch nach der Pandemie das große Thema bleiben."

Etliche Unternehmen begegneten diesem doppelten Strukturwandel mit großen Anstrengungen. "In manchen anderen hingegen gibt es noch zu wenig Konkretes", schränkte der Gewerkschafter ein. "Es gilt also, die genaue Formulierung und Umsetzung von Transformationsplänen - das heißt Zukunftstarifverträgen - jetzt stärker voranzubringen." Finanzierung, aber auch Qualifizierung und Technologie seien für kleine und mittelgroße Arbeitgeber schwieriger zu organisieren als für große. "Deshalb ist es besonders wichtig, dass noch mehr Unterstützung aus den Netzwerken kommt, die dazu gegründet wurden."

In Niedersachsen sind - mitvermittelt durch die Politik - mehrere Förderkonzepte und "Transformations-Cluster" eingerichtet. Das laufe mittlerweile recht gut, lobte Gröger. "Es gibt aber Luft nach oben." Während regionale Strukturpolitik im Südosten des Landes traditionell "gelebte Praxis" sei, müsse dies bald auch für andere Gebiete gelten.

"Die Landespolitik tut hier schon viel, und der Ministerpräsident ist sehr bemüht, den Dialog zu vertiefen", sagte Gröger. "Wir würden uns aber eine noch stärkere Rolle mit proaktiver Unterstützung wünschen - auch weil hohe Anteile der ausgegebenen Fördermittel ja vom Bund kommen und dann weiterverteilt werden müssen. Man sollte mit einer Art Transformationsradar dezidierter schauen: Wie groß ist die strukturpolitische Notwendigkeit der Förderung in welcher Region?"

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