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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kurioser Prozess in Niedersachsen Der Hundertjährige, der gar keiner war
Im niedersächsischen Celle hat ein Mann auf Altersrente geklagt. Er gab an, 102 Jahre alt zu sein. Laut Rentenversicherung ist der Mann erst 48 – und wirkte vor Gericht für sein angebliches Alter sehr fit.
Am Freitagmorgen kam es in der niedersächsischen Stadt Celle zu einem kuriosen Prozess: Matthias L. erhebt Anspruch auf Altersrente, weil er laut eigenen Angaben 1919 in Hannover geboren wurde. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hatte seinen Antrag abgelehnt. Laut Versicherungskonto ist der Mann erst 48 Jahre alt – ein nicht unwesentlicher Unterschied von 54 Jahren. Das Landessozialgericht hat über eine Feststellungsklage verhandelt.
"Dass wir es nicht mit einem 102-Jährigen zu tun haben, ist, glaube ich, offensichtlich", so der Vorsitzende Richter Uwe Dreyer. Matthias L. erscheint zum Prozess in Jeans und Steppjacke, die Treppe zum Gerichtssaal bewältigt er ohne Probleme. Auch ansonsten wirkt er für sein angegebenes Alter sehr fit. Man könnte Matthias L. mit einigen Worten beschreiben, "Greis" gehört allerdings nicht dazu.
Niedersachsen: Angeklagter zieht kuriose Vergleiche
Der 102- oder 48-Jährige gibt an, 1919 als Prinz Ernst von Hannover geboren worden zu sein. Dafür legte er eine eidesstattliche Erklärung und eine selbst ausgestellte "Geburtsbescheinigung" vor. Vor Gericht bestätigt er, im Jahr 1992 eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten begonnen zu haben – im betagten Alter von 73 Jahren sicher respektabel. Interessant auch deshalb, weil er dann vermutlich schon vor Ausbildungsbeginn einen Anspruch auf Altersrente gehabt hätte.
Aktuell ist er beim Landkreis Stade in der Verwaltung tätig. Während der Vollzeitjob Fragen bei der Deutschen Rentenversicherung aufwirft und eine 40-Stunden-Woche auch für deutlich jüngere Menschen immer unattraktiver wird, ist dies in den Augen des vermeintlich 102-Jährigen nicht ungewöhnlich. Vor Gericht gab er an, auch Helmut Schmidt habe wie er noch im hohen Alter am Schreibtisch gearbeitet.
Berufung wurde zurückgewiesen
Das von der DRV angegebene Geburtsdatum im Juli 1973 in Stade sei laut Herrn L. falsch. In dem Jahr habe er lediglich einen schweren Unfall erlitten. Genauere Angaben zu diesem Unfall machte er nicht: "Aus Sicherheitsgründen darf und möchte ich nicht darüber reden."
Diese Sicherheitsgründe erläuterte er nicht weiter. Was er in der Zeit zwischen Weimarer Republik, NS-Zeit und den ersten Jahren der Bundesrepublik gemacht haben soll, fand vor Gericht indes keinerlei Beachtung.
Schon ein erstes Gerichtsverfahren lief "nicht im Sinne des Klägers", wie das Gericht der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Auch der heutige Fall ging für den Kläger nicht gut aus. Die Berufung wurde zurückgewiesen, laut Richter sei eine Feststellungsklage unzulässig. Er wirft Matthias L. vor, das Verfahren mutwillig zu führen. Die Verfahrenskosten von 1.000 Euro muss er selbst tragen.
- Beobachtungen vor Ort
- Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa