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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Markus Haintz Rangelei mit einem "Querdenker" – Demonstrantin vor Gericht
Eine junge Frau hat bei einer verbotenen "Querdenker"-Demo in Frankfurt einen der führenden Köpfe der Szene, Markus Haintz, beschimpft und eine Rangelei ausgelöst. Nun muss sie sich vor Gericht verantworten.
April 2021: Deutschland steckt seit dem 6. Januar im zweiten harten Lockdown ohne Perspektive auf Öffnung. Die Impfung gibt es zwar schon, doch die Kampagne läuft schleppend. Die sogenannte "Querdenker"-Bewegung organisiert in den großen deutschen Städten Demonstrationen gegen die Corona-Politik der Großen Koalition. So auch in Frankfurt.
Mit dabei ist Markus Haintz – offenbar einer der führenden Köpfe der "Querdenker" in Deutschland. Laut Recherchen von "correctiv" ist er eine Schlüsselfigur der Bewegung und baut ein internationales Netzwerk aus Verschwörungsideologen und Corona-Leugnern auf. Gemeinsam mit anderen prominenten "Querdenker"-Initiatoren wie Michael Ballweg, Stephan Bergmann und Anselm Lenz geriet Haintz bereits ins Visier des Verfassungsschutzes. Bereits im Januar 2021 wurde die Überwachung öffentlich, als Grund wurde eine Nähe zur Reichsbürgerszene genannt.
Der Rechtsanwalt für Baurecht zeigt sich in der Öffentlichkeit in verschiedenen Rollen. Mal inszeniert er sich als Jurist, mal als angeblicher Journalist, der mit Smartphone und Stativ ausgestattet Demonstrationen der "Querdenken"-Bewegung filmt und im Livestream gleichzeitig online veröffentlicht – so auch heute.
Die Protestierenden treffen auf Widerstand. Mehrere Videoaufnahmen zeigen einen Vorfall aus unterschiedlichen Perspektiven. Darauf zu sehen ist Katalina Maria P. Sie beleidigt die Menge und fordert Haintz auf, das Filmen einzustellen. Doch der hält voll auf sie drauf. Dann gerät die Situation außer Kontrolle: Auf den Videos ist zu sehen, wie die Angeklagte auf Haintz losstürzt, das Smartphone fällt zu Boden. Andere Aufnahmen zeigen nun, wie Haintz die Frau tritt. Sofort greifen Polizisten ein und reißen Haintz zu Boden.
Etwas mehr als ein Jahr später kommt es deshalb am 28. April 2022 zu einer Gerichtsverhandlung im Amtsgericht Frankfurt. Die Beschuldigte ist die Demonstrantin. Ihr werden die Tatbestände der Beleidigung und der Körperverletzung vorgeworfen. Sie erscheint in Anwesenheit ihrer Anwältin. Als Zeugen geladen sind Markus Haintz und Hardy Groeneveld – ein Demonstrierender, der den Vorfall offensichtlich miterlebt hat.
Haintz, der bekannt dafür ist, als sogenannter "Bürger-Journalist" auch vor Gericht filmend mit Smartphone aufzutreten, bleibt der Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Vorladung fern. Groeneveld ist anwesend.
Hardy Groenevelds "Geheimaktion"
Auch er scheint eine gewisse Funktion innerhalb der "Querdenker" zu erfüllen: Er ist Vorsitzender des Vereins Mutigmacher e. V. – einem Netzwerk, das angebliche Whistleblower auffangen will, wenn sie mit negativen Konsequenzen konfrontiert werden. Unter "Whistleblowern" sind wohl vor allem Corona-Leugner und Verschwörungsideologen gemeint. Außerdem kursiert auf Twitter ein Aufruf Groenevelds zu einer "Geheimaktion zur Mobilisierung für Kassel". Er wurde aus einer privaten Telegram-Gruppe geleakt.
Die Aktion war im Vorfeld der Demonstration in Kassel am 20. März 2021, auf der sich 20.000 Menschen aus dem "Querdenker"-Spektrum versammelten, geplant. Wer den Aufruf erhielt, wurde dazu aufgefordert, einen bestimmten Post in seinen Telegram-Kanälen am 13. März 2021 um Punkt 12 Uhr zu verbreiten. Unterzeichnet worden ist der Aufruf mit "PEACE, Hardy".
Die Beschuldigte jedenfalls sitzt am Verhandlungstag still im Saal. Ihre auffallend blauen Dreadlocks trägt die junge Frau in einem lockeren Dutt, auf dem Kopf eine Sonnenbrille. Von ihrer Verteidigerin lässt sie eine Erklärung verlesen. Es habe sich nicht um eine Demonstration oder etwas anderweitig Schützenswertes gehandelt, denn das Demonstrieren sei nur auf dem Rebstockgelände erlaubt gewesen und Haintz habe das gewusst.
Es sei eine verbotene Spontanversammlung gewesen, bei der weder Masken getragen, noch Abstände eingehalten worden seien. Die Beleidigungen der Angeklagten hätten sich nicht gegen Haintz persönlich, sondern als Pauschalbeleidigung gegen die Gruppe gewendet. Dass die Kamera direkt auf sie gerichtet wurde, sei der Frau nicht recht gewesen. Sie habe eingreifen wollen, um das Filmen zu unterbinden und so sei es zu der Rangelei gekommen.
Die "Querdenker" machen die Beschuldigte wütend
Ihre Verteidigerin betont, dass ihre Mandantin als Sozialpädagogin mit Kindern zusammenarbeite. Je länger die Pandemie anhalte, desto mehr würden die Kinder auch leiden und das habe sie wiederum beeinträchtigt. Sie sei für die Impfung und für die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus.
Die Haltung der "Querdenker" und die von ihnen ausgehende Gefährdung für die Gesellschaft mache ihre Mandantin wütend. Auf ihre ausfallenden Worte sei sie trotzdem nicht stolz. Dass es sich bei Haintz um einen der führenden Köpfe der "Querdenker" handele, sei ihr nicht bewusst gewesen.
Die Anwältin argumentiert, dass ihr Versuch, das Smartphone aus Haintz' Hand zu schlagen, keine Körperverletzung gewesen sei. Die Begründung, die sie hierfür anführt, lautet, dass sie damit bloß das unrechtmäßige Filmen unterbinden und somit ihr Recht am eigenen Bild verteidigt hätte.
Da Haintz nicht anwesend ist, um als Zeuge vor Gericht auszusagen, beschließt der Richter auch den anderen Zeugen Groeneveld nicht zu befragen. Das Strafverfahren wird eingestellt, die Auslagen fallen der Staatskasse zu Lasten, entscheidet der Vorsitzende.
- Reporterin vor Ort bei der Verhandlung im Amtsgericht Frankfurt
- Twitter-Beitrag vom 3. April 2022